Serie "Aus Liebe zum Verein":Mission Fantasy

Feldfürsten

Die moderne Form des Spielens mit Zinnfiguren betreiben die "Feldfürsten".

(Foto: Günther Reger)

Die "Feldfürsten" spielen nach vorgegebenen Regeln mit Zinnfiguren Szenen aus dem Science-Fiction-Bereich nach. Dabei sind Strategie und Taktik gefragt. Mit PC-Spielern wollen sie jedoch nicht verwechselt werden.

Von Julia Kiemer, Puch

Der zwanzigseitige Würfel hat entschieden. Zugunsten des 27-jährigen Tobias Lachauer. Die Spielfiguren, sogenannte Miniaturen, sind aufgestellt und nun darf Lachauer den ersten Spielzug ausführen. Vor ihm und seinem Kontrahent Manuel Bücherl steht auf einem Tisch ein 1,20 auf 1,20 großes Spielfeld voller Gebäude, Hügel, Gebüsche, Schlupfwinkel und Container. Der erste Zug des 26-jährigen ist, sich möglichst zu verstecken und von der Schusslinie des Gegners fernzuhalten. Dazu muss er erst einmal vom Fleck kommen. "Bewegen", lautet also sein erster Befehl. Vier Zoll, zehn Zentimeter, bewegt er sich nun in Richtung eines Hauses, um dort ein sicheres Versteck zu finden.

Die beiden haben das Spiel, das sich Infinity nennt und ein Tabletop-Spiel ist, schon oft gespielt. Lachauer und Bücherl sind Mitglieder des Vereins "Feldfürsten", einer eingetragenen Tabletop-Spielgemeinschaft. Tabletop, zu Deutsch Tischplatte, ist ein Strategiespiel, bei dem mit Miniaturfiguren aus Zinn hauptsächlich Szenarien aus dem Fantasy- und dem Science-Fiction-Bereich nachgespielt werden. Da es kein herkömmliches Spielbrett gibt und man auf "freiem Gelände", bestehend aus etwa Hügeln, Wäldern, Ruinen oder ähnlichem, spielt, werden die Entfernungen mit Maßbändern ausgemessen.

Die Kulissen sind selbst gebaut und bemalt, auch die Miniaturen aus Zinn wurden von den jungen Männern eigenhändig bepinselt. Es ist nicht nur Strategie und Taktik beim Spielen gefragt, auch kreativ können sich die Spieler austoben und ihren Fähigkeiten im Modellbau freien Lauf lassen. Meistens wird bei den "Feldfürsten" Infinity gespielt, manchmal aber auch das Kartenspiel "Magic".

Im Gegensatz zu anderen Varianten des Tabletops, stehen sich bei Infinity relativ kleine Gruppen von meist zehn Miniaturen gegenüber. Zudem gibt es laut dem vorsitzendem Patrick Bücherl neben einem aktiven auch den reaktiven Befehl des Gegners. Der Vorsitzende ist der ältere Bruder des Spielers Manuel Bücherl. Will man also auf die gegnerischen Miniaturen schießen, könnten die ausweichen. Das geht bei anderen Tabletop-Arten meist nicht. Zu Beginn müssen sich die beteiligten Spieler für eine Mission, also das Ziel des Spiels, entscheiden. Die Möglichkeiten sind in einem umfangreichen Regelwerk genau vorgegeben und festgelegt. Etwa 30 verschiedene gäbe es, zudem kämen jedes Jahr neue heraus, erzählt Bücherl.

Tabletop-Spiele

Schon im 17.Jahrhundert gab es Vorläufer der Tabletop-Spiele, sogenannte Königsspiele, die zum Zeitvertreib sowie zur Bildung des militärischen und politischen Verständnisses dienten. Entscheidend für die heutige Version der Spiele waren die Entwürfe des Baron Georg Johann von Reisswitz, der die sogenannten "Kriegsspiele" im Jahr 1824 zugänglicher machte und den Vorgänger des Tabletops schuf. Man spielte nun nicht mehr im Sandkasten, sondern auf speziellen Spielplänen, die meist aus drei Schachbrettern oder Landkarten bestanden. Den endgültigen Durchbruch hatte das Spiel, als General Karl von Müffling, Generalsstabschef des preußischen Heeres, die Ausbildungs- und Übungsmöglichkeiten des Systems für das Militär erkannte. So wurde es zur Pflichtausstattung jedes Regiments. Schon damals gründeten viele Offiziere Vereine, in denen gespielt wurde, etwa um strategische oder taktische Grundsätze zu üben. Die Vorreiter der heutigen Tabletop-Vereine waren geboren. Aus dem taktischen Kriegsspiel entwickelte sich später das Tabletop. Die Grundsätze des Kriegsspiels sind denen des heutigen Strategiespiels sehr ähnlich, es involviert taktisches kluges und komplexes Denken, um den Gegner auszuschalten beziehungsweise die Mission zu erfüllen. Im Verlauf der Entwicklung ging der Ausbildungscharakter stets Hand in Hand mit dem Spaßfaktor. Das Spiel wird heute nur noch aus Vergnügen gespielt, einst war es aber eine Übung, um Kriege zu gewinnen. JULK

Das Ziel des Spiels kann, je nach Schwierigkeitsgrad, etwa einfach nur das Ausschalten der gegnerischen Figuren sein. Manchmal müsse man auch einen fiktiven Computer mitsamt Datenpaket in Sicherheit bringen. Wer anfängt, wird ausgewürfelt. Die einzelnen Figuren haben Wertepunkte, die ebenfalls im Regelwerk festgelegt sind und entscheiden, wie stark oder schnell die Miniaturen sind. Auch die Fähigkeit zu schießen ist von den Punkten abhängig.

Geraten zwei gegnerische Armeen in einen Schusswechsel, entscheiden die Fähigkeiten der Schützen sowie das Glück beim Würfeln, ob man den Gegner getroffen hat oder nicht. Seine Leidenschaft für Tabletop-Spiele hat der 26-jährige Bücherl vor mehr als zehn Jahren entdeckt. Damals hatte er in München in einem Geschäft für Tabletop-Zubehör das Spiel ausprobiert. "Die Mitarbeiter waren aufdringlich freundlich, da hatte ich gar keine andere Wahl, als es mal zu versuchen", erzählt er. Es habe ihn fasziniert und so sei er dabei geblieben. Vor fünf Jahren eröffnete er mit anderen Spielern dann ein Forum, das zum Austausch und zum Finden von anderen Tabletop-Spieler dienen sollte. Die Feldfürsten waren geboren. Der Name geht einerseits auf die Heimatstadt des Vereines, Fürstenfeldbruck, zurück. Andererseits habe man beim Spielen viel mit Generälen, Fürsten und ähnlichem zu tun. Daher passe der Name ganz gut, so Bücherl.

Im Frühjahr 2015 sollte die Freizeitbeschäftigung dann offiziell werden. "Wir wollen wachsen und das Tabletop-Spiel populärer machen, da war die Vereinsgründung der erste Schritt." Neun Gründungsmitglieder zählte der Verein im März, mittlerweile ist die Zahl der Mitglieder auf 15 angewachsen. Der Verein scheint in der Tabletop-Welt gut angekommen zu sein. Damit sei das Jahresziel, das man sich zu Beginn gesteckt hatte, eigentlich schon erreicht. Das nächste Ziel sind nun 20 Mitglieder bis zum Ende des Jahres. Zum Spielen treffen sich die Tabletop-Fans zurzeit noch im Keller im Elternhaus der Bücherls - neben dem 26-Jährigen ist auch dessen kleine Bruder Manuel aktiv als Kassenwart dabei -, doch das soll sich bald ändern. Angesichts der steigenden Mitgliederzahl wird der Keller zu klein. "Wir haben bei internen Turnieren die maximale Teilnehmerzahl auf zehn reduziert, sonst wird's einfach zu eng", sagt Bücherl.

Vor allem hat der 26-jährige auch noch einen anderen Wunsch, der sich nur mit einem größeren Raum erfüllen lässt: eine Jugendgruppe von einem Alter von 14 Jahren an. WerScience-Fiction oder Fantasy mag, ist gar nicht mehr so weit weg vom Tabletop. Fans von Star Wars und dem Herrn der Ringe sind also prädestiniert für das komplexe Brettspiel auf Platten mit freibeweglichen Spielfiguren, wie der Pucher es nennt.

Mehrmals pro Woche spielen die "Tabletopper" im Vereinskeller. "Wir schreiben uns meistens einfach zusammen, das klappt ganz gut", erzählt der 26-jährige. Zu den Treffen bringt jeder seine eigene "Ausrüstung" an Miniaturen mit, das Gelände stellt der Verein. Rund 200 Euro müsse man investieren, dann sei man sehr gut bedient, so Bücherl. Zudem werden regelmäßig Ligen gespielt, die aus sechs Spielen besteht. Die Gegner werden ausgelost und haben dann immer zwei Wochen Zeit, Infinity gegeneinander zu spielen. Einmal im Monat wird zusätzlich ein Spielkartenturnier veranstaltet. Aber auch da spielt das aktuelle Platzproblem eine Rolle. Wenn das gelöst ist, will Patrick Bücherl richtige Spieltage und Turniere veranstalten, zu denen auch andere Vereine eingeladen werden.

Das Verhältnis der Spieler und das Engagement des Vorstands passen, um so etwas gemeinsam aufzubauen. Die Tabletop-Spieler treffen sich auch mal im geselligen Kreis, weil sie sich fast so gut wie die Mitglieder einer kleinen Familie verstehen. "Manchmal machen wir auch "kill & grill", also erst grillen und danach spielen." Damit distanzieren sich die "Tabletopper" von PC-Spielern. Das soziales Miteinander und der Spaß am strategischen Denken sollen überwiegen, nicht das kriegerische Element. Trotzdem würden die meisten Menschen, denen Patrick Bücherl und seine Tabletop-Kollegen von ihrem Hobby erzählen, reagieren, als ob sie PC-Spieler wären. "Man wird schon ein bisschen als Nerd angesehen, und irgendwie sind wir das ja auch", fügt er schmunzelnd hinzu. Meist könne man solche Vorurteile schnell aus dem Weg räumen. Die neun Gründungsmitglieder sind stolz auf ihren Verein und stecken viel Herzblut hinein. Das bedeutet mitunter auch viel Arbeit. "Aber wir leben eben unser Hobby", beteuert der Vorsitzende - und das soll man auch merken.

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