Sepp Kellerer:"Ich hab' ein erfülltes Leben"

Sepp Kellerer: Den Volkacher Kirchberg als Vorbild nimmt sich Alt-Oberbürgermeister Sepp Kellerer mit seinen Trauben am Oacher Kirchberg. In Kürze steht die Lese an.

Den Volkacher Kirchberg als Vorbild nimmt sich Alt-Oberbürgermeister Sepp Kellerer mit seinen Trauben am Oacher Kirchberg. In Kürze steht die Lese an.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Nach dem Abschied aus dem Rathaus keltert Altoberbürgermeister Sepp Kellerer nun Wein, pflanzt Bäume und kümmert sich um sieben Enkel. Die Politik vermisst er nicht

Interview von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Sepp Kellerer führt zuerst seine Weinstöcke an der Südseite seiner Scheune vor, deren Trauben er zu Wein keltern wird. Der Name der Lage "Oacher Kirchberg 2016", der Kellerer-Hof liegt neben der Kirche des Brucker Stadtteils Aich auf dem Kirchberg, ist eine Anspielung auf den Volkacher Kirchberg an der Mainschleife und verspricht laut Kellerer, mit 50 bis 60 Flaschen wieder ein guter Jahrgang zu werden. Dann bittet er zum Kaffee auf die Sonnenterrasse des Bauernhauses und beginnt das Gespräch mit den Worten "Ich hab' ein erfülltes Leben". Der Grund: Alles, was er anpackte und im Ruhestand tut, gefällt ihm. Angefangen mit der Arbeit auf dem Bauernhof nach dem Schulabschluss im Alter von dreizehneinhalb Jahren bis zu den achtzehn Jahren im Brucker Rathaus als Oberbürgermeister. Seit 45 Jahren sitzt er im Kreistag, er war stellvertretender Landrat, war der Initiator des Bauernhofmuseums Jexhof bei Schöngeising und arbeitete ehrenamtlich bei vielen Vereinen und Organisationen mit.

SZ: Über Jahrzehnte waren sie in der Öffentlichkeit allgegenwärtig, seit dem Ende ihrer Amtszeit ist von ihnen fast nichts mehr zu hören. War es schwer, loszulassen?

Sepp Kellerer: Nein, das muss ich gestehen. Ich wusste, dass ich zu den Wurzeln zurückfinden musste und mir in der Landwirtschaft und in der Familie meine Beschäftigung heraussuchen kann. Als ich das Rathaus verließ, war ich 68 Jahre alt. Da ist man froh, wenn es etwas ruhiger wird. Trotzdem komme ich manchmal auf mehrere Termine pro Woche. Ich helfe meiner Frau, arbeite im Garten. Es gibt viel zu tun.

Fehlt Ihnen etwas, die politischen Auseinandersetzungen, die Erfolge, die Anerkennung?

Nein, mit fehlt nichts und ich vermisse nichts. Ich bin froh, nicht mehr in die politischen Auseinandersetzungen involviert zu sein. Und es beruhigt mich, dass auch nach mir gestritten wird.

Und was ist geblieben?

Ich kann sagen, dass ich zufrieden bin. Ich lechze nicht nach Anerkennung. Wenn ich einkaufen gehe, sprechen mich immer noch Leute an. Erst kürzlich hat sich jemand für das bedankt, was ich für die Stadt getan habe.

Sie sind ja als Politiker und als Landwirt immer ein Macher gewesen, der säen und später ernten wollte. Wo leben sie jetzt dieses Talent aus?

Bei mir im Obstgarten. Bäume schneiden, Äpfel ernten, Saft pressen, Weinstöcke pflegen und Trauben keltern. Im Wald bin ich auch oft und ich habe dort schon viele Bäume gepflanzt. Da ärgert einen niemand. Nach der Zeit im Rathaus musste ich manches wieder lernen, auch körperlich zu arbeiten.

Wie sehen sie ihre Zeit als OB mit dem Abstand des Pensionisten?

Es war eine schöne Zeit, es war eine interessante Zeit. Vor allem, wenn etwas gelungen und das Ergebnis erfreulich war. Ich habe viel gearbeitet, am Anfang war ich oft täglich von 7.30 bis 22 Uhr im Rathaus. Ich bin immer gern hingegangen und habe mich schon beim Aufstehen auf den Arbeitstag gefreut.

Nehmen sich Politiker zu wichtig?

Manchmal ist es schlimm, wie Politiker Tag für Tag in den Medien als dumm dargestellt werden - und das Negative überbetont wird. Ich musste oft hören, der ist jeden Tag in der Zeitung. Als OB muss man ein gewisses Selbstbewusstsein haben und das aushalten.

Ist ihnen wohl dabei, wenn sie sehen, wie die Stadt Fürstenfeldbruck und der Landkreis wachsen und sich entwickeln?

Da ist mir nicht wohl. Ich beobachte das mit Sorge. Das habe ich immer gesagt. Man tut immer so, als ob man in Bayern nur die Region München entwickeln könnte. Dabei gibt es ganze Regionen, die entvölkert werden. Ich bin ein Gegner der dritten Startbahn, die nur unseren Luftraum noch mehr belastet. Alles zieht man in die Großraum München, nur schaffen wir es nicht, die entsprechende Infrastruktur zu bauen. Aufhalten können wir den Prozess zwar nicht, aber mir wichtig, dass ein kontinuierliches langsames Wachstum von statten geht. Das gilt übrigens auch für den Fliegerhorst.

Schon drei Jahre vor dem Ende ihrer Amtszeit haben sie gesagt, sie freuten sich auf den Ruhestand, um tun zu können, was sie wollen. Sehen sie das immer noch so?

Ja, ich mache viel Sport, gehe spazieren, genieße die frische Luft, verreise, spiele dienstags Schafkopf. Der Spätsommer ist herrlich, besonders, wenn man die Zeit hat, zu tun, worauf man Lust hat.

Was ist ihnen im Ruhestand wichtig?

Die Familie und dass man gut miteinander zurechtkommt. Wir haben sieben Enkelkinder. Es ist schon schön, wenn die nur Opa rufen. Mit den Enkelkindern unternehme ich viel, wir spielen und ich blödle gerne mit ihnen. Das genieße ich.

Reizt es sie nicht, wie früher mal richtig Kontra zu geben? Beispielsweise der CSU in der Flüchtlingspolitik. Manchmal muss es einem Politiker wie ihnen doch weh tun, den Mund zu halten.

Es reizt mich nicht mehr so, da muss man sich einfach zurücknehmen. Als Horst Seehofer nach Fürstenfeldbruck kam, habe ich mich schon zu Wort gemeldet. Es kann sein, dass ich mich in der Debatte zum Bau einer Biogas-Kompostieranlage für den Landkreis äußern werde. Dass man ein gut funktionierendes Entsorgungssystem zerschlägt, an dessen Entwicklung ich mitgearbeitet habe, sehe ich nicht ein. Dagegen bringt Windkraft viel mehr Energie. Hier hätte man im Landkreis weitermachen sollen.

Die Brucker CSU war schon mal besser aufgestellt als momentan. Macht es ihnen Sorgen, dass ihre Partei bei der nächsten Oberbürgermeisterwahl wieder leer ausgehen könnte?

Das ist nicht vorgegeben. Die CSU hat es in der Hand. Aber dazu ist mehr Präsenz und Kampfgeist nötig. Wozu auch gesellschaftliche Veranstaltungen gehören, zum Beispiel bei den Sommerfesten in der Stadt wieder die Lufthoheit zurückzugewinnen. Zurzeit schaffen wir es ja nicht mal mehr, ein Sommerfest zustande zu bringen. Es ist schade, so etwas nicht mehr wie früher auf die Reihe zu bringen. Die frühere Stärke ist nicht mehr da.

Wie gut verfolgen sie die Politik im Rathaus?

Das Geschehen interessiert mich und ich verfolge es. Aber eben mit dem gebührenden Abstand. Um tunlichst zu vermeiden, mich über jeden Kommentar oder jede Meinungsäußerung zu ärgern. Ich muss aufpassen, mich nicht zu sehr reinzusteigern. Jede Zeit bringt andere Herausforderungen. Mir war eine optimale Versorgung mit Schulen, Krippen und Kindergärten ein Anliegen.

Es ist erstaunlich, dass sie in diesem Zusammenhang das Veranstaltungsforum Fürstenfeld nicht nennen.

Sicher, Fürstenfeld ragt groß heraus. Die Verwirklichung von Fürstenfeld war ein wichtiger Meilenstein für die Stadt, um die Rolle von Fürstenfeldbruck als Kreisstadt hervorzuheben. Bruck hatte zuvor sehr darunter gelitten, dass es, weil die Räume fehlten, fast keine Veranstaltungen mehr gab.

Wie ist das Lebensgefühl als Siebzigjähriger? Besser als während der OB-Zeit?

Nein, als OB war ich gesund, und ich bin jetzt auch gesund. Selbstverständlich ist das Lebensgefühl ein anderes, wenn man nicht mehr jeden Tag viele Stunden arbeiten muss und tun kann, was man mag. Als junger Mensch hätte mich ein solches Leben nicht befriedigt, aber alles hat seine Zeit.

Warum haben sie zu ihrem Siebzigsten anstelle von Geschenken um Spenden für die Stadtkapelle gebeten?

Die Stadtkapelle hatte ich vor zwanzig Jahren mitgegründet. Damals fehlte in Fürstenfeldbruck eine Blaskapelle. Die Stadtkapelle entwickelt sich, dazu sollen auch die 3700 Euro beitragen.

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