Süddeutsche Zeitung

Schwangerschaftsberatung:Überzeugungsarbeit für das Leben

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Die Leiterin der Beratungsstelle von Donum Vitae im Landkreis erzählt beim Olchinger Frauenbund über ihre Tätigkeit

Von Marija Barišić, Olching

Eine Frau Ende 30 nimmt einen Anhalter mit und wird von ihm vergewaltigt. Sie wird schwanger und will abtreiben. Dieser Fall, sagt Sylvia Pohl bei einer Veranstaltung des Olchinger Frauenbundes, bereite ihr bis heute Gänsehaut und sei das "Allerallerschwerste" gewesen, was sie in ihrem Job als Schwangerenberaterin jemals erlebt habe. Seit mehr als Jahren berät die 61-Jährige im Namen von Donum Vitae, einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatung, Frauen, die ungewollt schwanger werden und abtreiben wollen. Um eine straffreie Abtreibung vorzunehmen, verpflichtet sie das Strafgesetzbuch zu einer Schwangerschaftskonfliktberatung, die "dem Schutz des ungeborenen Lebens dient", wie es im Paragraphen 219 dazu heißt. Nach einer solchen Beratung bekommen die betroffenen Frauen einen Beratungsschein, mit dem ihnen die straffreie Abtreibung erst ermöglicht wird.

Mitte der Neunzigerjahre steigt die katholische Kirche aus der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung aus, weil sie keine "Tötungslizenzen" mehr an schwangere Frauen ausstellen will, wie sie die offiziellen Beratungsnachweise oft abwertend nennt. Nicht alle Katholiken sind damals von dieser Idee überzeugt. So sind es Frauen und Männer "aus den Reihen der katholischen Kirche", erzählt Pohl, die im Jahr 1999 den Verein Donum Vitae, auch "Geschenk des Lebens" genannt, gründen, um weiterhin Beratungen für "verzweifelte Frauen" anbieten zu können.

Der Verein, der heute größtenteils von der Regierung Oberbayerns und mit Spenden finanziert wird, sieht sich als "christlich orientierte Schwangerenberatung", die den "gesetzlichen Lebensschutzauftrag" erfüllt, aber "immer ergebnisoffen betreut", versichert Pohl.

Sie selbst leitet die Beratungsstelle im Landkreis und betreut mit den anderen fünf Beraterinnen ihres Teams längst nicht mehr nur Frauen, die ungewollt schwanger werden, sondern auch solche, die unbedingt Kinder haben wollen, aber nicht können, oder welche, die ihre ungeborenen Babys verlieren und eine Trauerbegleitung in Anspruch nehmen. Vereinzelt komme es auch vor, dass Minderjährige mit ihren Eltern vorbeikommen, um sich beraten zu lassen. So erinnert sich Pohl an ein 14-jähriges Mädchen, das erst unlängst zu ihr in die Beratung kam.

"In solchen Fällen braucht es ein ganzes Netz an Unterstützung. Die Mädchen werden zusätzlich vom Jugendamt betreut und wir klären sie darüber auf, ob und wie es machbar für sie wäre, ein Baby zur Welt zu bringen", sagt Pohl. Falls sie sich für eine Abtreibung entscheiden, müsse auch ihnen die Tragweite dieser Entscheidung bewusst sein. Wenn die Mädchen das Kind behalten, so würden diese oft von ihren Eltern dabei unterstützt, meint Pohl, die oft erstaunt darüber ist, "dass gerade diese jungen Frauen häufig ein ganz gutes Gespür haben und ihre Mutterrolle auch gut ausfüllen". Wichtig zu erwähnen sei ihr allerdings, dass gerade diese Fälle eher die Ausnahme als die Regel darstellen.

Neben der klassischen Schwangerenkonfliktberatung bietet Donum Vitae außerdem auch Unterstützung für schwangere Frauen an, die plötzlich von ihren Partnern verlassen werden, oder für Migranten, die teilweise zu sechst in einem Zimmer leben müssen und aufgrund sprachlicher Barrieren Hilfe bei der Beantragung von Kindergeld benötigen. Außerdem kommen laut Pohl auch immer wieder Frauen zu ihnen, die bei ihrer "vertraulichen Geburt" begleitet werden wollen. So wird eine Geburt genannt, bei der Frauen bis zum 16. Lebensjahr ihres Kindes den Anspruch haben, anonym zu bleiben. Manchmal käme es vor, dass nicht einmal die Lebenspartner dieser Frauen von solch einer Geburt erfahren, sagt Pohl.

Das Schönste an ihrem Beratungsjob sei allerdings, "wenn Frauen irgendwann mit ihrem Baby in der Hand auftauchen und sagen: Ich war bei Ihnen in der Beratung und habe das Kind bekommen und es ist das Beste, was ich je gemacht habe!" Mitzubekommen, dass das Leben dieser Frauen sich nach der Beratung dann gut weiterentwickelt habe - "das sind schöne Erlebnisse!"

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SZ vom 22.01.2020
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