Süddeutsche Zeitung

Schulunterricht:Protest der Pädagogen

Schulleiter im Landkreis sehen Lehrer, Schüler und Eltern nach fast einem Jahr mit wechselndem Unterricht am Limit. Dass nun die Faschingsferien wegfallen und der Präsenzunterricht wieder beginnt, halten die Rektoren für einen Fehler

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Schulleiter im Landkreis schlagen Alarm. Sie sehen sich am Ende ihrer Kräfte. Nicht nur durch den coronabedingten Distanzunterricht, der viel Organisation erfordert, sondern vor allem dadurch, dass Informationen und Entscheidungen aus dem Kultusministerium häufig enorm kurzfristig zu den Schulleitern gelangen. So werden sie auch diese Woche erst am Freitag erfahren, wie sie ab Rosenmontag den Unterricht gestalten sollen. Die für sie dringend benötigten Faschingsferien hat die Regierung gestrichen.

Stellvertretend für die Grund- und Mittelschulrektoren des Landkreises, in Absprache mit dem Personalrat, haben sich nun Cathrin Theis und Christian Römmelt mit einem Brief an die Presse gewandt. Theis leitet die Grundschule Graßlfing, sie ist Personalrätin und gehört dem Bund der Lehrer und Lehrerinnen, BLLV, an. Römmelt ist Leiter der Grundschule Puchheim Süd. "Viele Lehrer*innen und Schulleiter*innen an unseren Grund- und Mittelschulen absolvieren derzeit ein Stundenpensum, das weit über die eigentliche Arbeitszeit hinausgeht", heißt es in dem Schreiben. Schulleitungskollegen berichteten von Wochen mit 50 bis 60 Arbeitsstunden und zahllosen durchgearbeiteten Wochenenden - der Laden müsse laufen, man mache es ja auch gerne für die Kinder. Theis berichtet im Gespräch mit der SZ, dass sie nicht mehr abschalten und nur noch schlecht schlafen könne.

Dass die Faschingsferien ausfallen sollen, halten Lehrer wie Schulleiter für eine falsche Entscheidung. "Das ist ein ganz großer Fehler und wird uns noch vor die Füße fallen", sagt Theis. Das Lernen zu Hause sei enorm anstrengend, für alle Beteiligten. "Der Distanzunterricht zehrt." Viele seien am Limit, besonders junge Schüler bräuchten jetzt eine Pause, heißt es in dem Brief.

Am meisten fürchtet Theis, dass sie am Freitag erfährt, dass sie für kommende Woche Wechselunterricht organisieren muss. Jeweils eine Hälfte der Schüler einer Klasse muss dann in der Schule unterrichtet werden, die andere zu Hause im Distanzunterricht. Dafür brauche man, wenn man den Unterricht nicht streamen könne, eigentlich das doppelte Personal, sagt Theis. "Kommt, so wie jetzt, noch die Notbetreuung dazu, wird es wirklich schwer."

Die Schulleiter wissen schon, dass sie wieder erst auf den letzten Drücker erfahren werden, wie es am Montag weitergeht. Schulleitungen sähen sich durch diese Frist einem organisatorischen Dilemma gegenüber, heißt es in dem Brief. "Wie soll ein Unterrichtsbetrieb sinnvoll organisiert werden, in einer Woche, in der eigentlich Faschingsferien gewesen wären?" Sekretärinnen und das Personal im gebundenen Ganztag würden in dieser Woche nicht bezahlt. "Wie soll im Falle von Präsenzunterricht gewährleistet werden, dass Ganztagsschüler*innen ab Montag, 15. Februar, ihr Mittagessen auf dem Tisch haben? Wie erreicht man alle anderen Betreuungseinrichtungen am Wochenende?", heißt es weiter. Vom obersten Dienstherren fühlen sie sich allein gelassen. "Antworten auf viele solcher Fragen bleibt das Kultusministerium bisher schuldig."

Die Schulleiter und Kollegien hätten sich um die Einführung des Digitalunterrichts selbst kümmern müssen, einen IT-Support gebe es für die Schulen nicht, sagt Theis. Weil digitale Kompetenzen durch Fortbildungen auf- und ausgebaut werden und Notbetreuungsangebote gemacht werden mussten, hätten sich die Kollegen während der Ferien kaum erholen können. Zudem machten die Corona-Bestimmungen hochflexible Planungen nötig. Die Grund- und Mittelschullehrer fragen deshalb: "Finden die Regierenden den Mut, nachdem sie die Winterferien gestrichen, haben, eine andere Form der Erholungsphase anzubieten?"

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unterstütze dieses Anliegen, sagt Margot Simoneit von der Mittelschule Germering. "Der Distanzunterricht ist für alle Beteiligten anstrengend und Eltern, Schüler*innen und Lehrkräfte benötigen dringend eine Pause", sagt Simoneit. Die GEW geht nicht davon aus, dass sich das Kultusministerium noch bewegt und rät daher allen Lehrkräften, die zusätzliche Arbeit zumindest als Mehrarbeit geltend zu machen.

So wie die Grund- und Mittelschulkollegen beurteilt auch Rita Bovenz, Direktorin des Germeringer Carl-Spitzweg-Gymnasiums, die Situation vor den Faschingsferien. "Alle sind am Limit, auch die Schüler sind durch. Die Faschingsferien sind eine wichtige Pause", sagt Bovenz, die auch Bezirksvorsitzende des Philologenverbands ist, auf Anfrage. Die Lehrer könnten die Pause ebenfalls gut gebrauchen. "Es sind alle durch", wiederholt sie. Wie Theis berichtet Bovenz, dass sie und ihre Kollegen in den Ferien und an den Wochenenden arbeiteten, um den Unterricht zu gewährleisten, und auch ihr macht es zu schaffen, dass die Informationen regelmäßig sehr knapp kommen.

Theis und Simoneit fordern zudem einen besseren Gesundheitsschutz für Lehrer und Schüler. Es müsse mehr getestet werden. Lehrkräften und Kindern müssten so schnell wie möglich Impfungen angeboten werden.

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Quelle:
SZ vom 10.02.2021
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