Schultheater:Unmoralisches Angebot

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Die Ankunft von Claire Zachanassian (Priyanka Gunturu; zweite von rechts) bringt Alfred Ill (Marvin Lis; zweiter von links) in Todesgefahr. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Germeringer Schüler zeigen "Besuch der alten Dame"

Von Max Grassl, Germering

Lediglich das Alter der Protagonisten und die Lokalität lassen vermuten, in welchem Rahmen Friedrich Dürrenmatts tragische Komödie "Der Besuch der alten Dame" aufgeführt worden ist. Die 22 Schüler des Oberstufentheaters des Max- Born-Gymnasiums schlüpften dieses Jahr nach sechsmonatiger Vorbereitung souverän in die Rollen der Bewohner der Kleinstadt Güllen. Die Organisation zu diesem Stück des Schweizer Dramatikers trafen das Projektseminar "Theaterorganisation" der Oberstufe unter der Leitung von Barbara Strödecke.

Die Thematik des vor 62 Jahren geschriebenen Stückes ist heute immer noch aktuell, man könnte meinen es sei eine zeitübergreifende Verhaltensstudie. Es handelt von dem humanitären Versagen der Güllner, die sich wegen der schieren Gier nach Geld und einer damit scheinbar einhergehenden besseren Zukunft von Claire Zachanassian, titelgebende Hauptfigur, gespielt von Priyanka Gunturu, kaufen lassen. Durch eine folgenschwere Lüge von Alfred Ill (Marvin Lis), der sie auch schwängert, muss sie im Alter von 17 Jahren ihre Heimatstadt verlassen und nach Hamburg ziehen. Sie arbeitet als Prostituierte und lernt dort ihren ersten von acht Ehemännern kennen, der ihr zu Geld und der damit verbundenen Macht verhilft.

Mit den Worten: "Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mach ich sie zum einem Bordell", kehrt sie nach 45 Jahren zurück in ihr Heimatdorf und verspricht den Güllnern, vor dem Deckelmantel der Gerechtigkeit, eine Milliarde Euro für den Tod von Alfred Ill. Anfangs lehnen die Bewohner diesen Vorschlag noch entrüstet ab, doch die Bürger der Kleinstadt haben eine derart obsessive Sehnsucht nach den alten Zeiten, in denen noch Konjunktur in Güllen herrschte, dass der Wunsch nach Besserung zur Gier ausufert und Alfred Ill den Tod bringt.

Auch ziehen die Schüler des Max-Born-Gymnasiums in der Aufführung zeitgenössische Parallelen. So berufen sie sich auf den Skandal von Donald Trump und seinem ehemaligen Anwalt Micheal Cohen, der "aus persönlicher Gier" seine Macht für betrügerische Zwecke genutzt haben soll.

Doch nicht nur der Bezug zu heute und die Leistung der Schüler haben die Aufführung zu etwas Besonderem gemacht. Die Gesamtheit des Abends hat das Theatererlebnis ausgemacht: ein aufwendiges Bühnenbild, atmosphärische Lichtinstallationen und Klanglandschaften, ein eigens entworfenes Programmheft mit Texten einzelner Schüler und ein Schuleingangsbereich, der in ein Foyer mit einer Cocktailbar verwandelt worden ist.

Das alles habe den beteiligten Schülern nicht nur die Organisation einer Großveranstaltung gelehrt. "Sie schlossen auch untereinander Freundschaften," beschreibt Andrija Vuksanovic vom Technikteam des Gymnasiums die Proben und Vorbereitungen für den Theaterabend.

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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