"Wir ziehen Grenzen, damit unsere Figuren sie einreißen. Lassen sie jenseits der Realität auftreten, um im Diesseits ihre Geschichten zu erzählen."
"Diesseits und Jenseits sind markiert durch eine Grenze, die in ein Innen und ein Außen, in ein Hier und Dort teilt. In unseren Texten ziehen wir diese Grenze neu und erkunden, was jenseits liegt."
Solche Sätze formuliert das "Schreibsündikat" gleich zu Beginn seiner ersten Lesung in Germering. Auf einer kleinen runden Bühne präsentieren die jungen Mitglieder der Autorengruppe ihre Werke nun dem Publikum von Angesicht zu Angesicht. Die Stadtbibliothek Germering als realer Raum, an dem die Literatur ein Zuhause findet und dessen Größe und Offenheit für eine fesselnde Akustik sorgt, bot dafür den passenden Ort. Anders eben als die Zusammenkünfte, die bislang nur im virtuellen Raum stattfinden konnten. Freunde und Familie sowie Literaturbegeisterte aus jeder Generation waren vertreten, um sich von den Autorinnen und Autoren auf eine Reise ins Diesseits und Jenseits mitnehmen zu lassen.
Laut der Zeitschrift "diesseits" implizieren die beiden Wörter im Allgemeinen, dass das Gemeinte abstrakt und unanschaulich ist. Sie setzen eine Grenzlinie, die das Weltganze in zwei "Bereiche" teilt. Die Schriftsteller des Schreibsündikats wollen mit ihrer Lesung und durch ihre Texte das Diesseits des Alltags hinter sich lassen und ins Jenseits eintauchen. Sie sind eine Anfang 2020 entstandene Autorengruppe, die sich in der Universität gefunden hat, und sie beschreiben sich selbst als "Sündenfall der deutschsprachigen Literaturlandschaft". Der Rechtschreibfehler in Schreibsündikat, in dem das "y" durch ein "ü" ersetzt wurde, ist voll Absicht.
Was soll Literatur leisten, was soll sie erfüllen, was vermag sie im Idealfall? Der Gesichtsausdruck von Fiona Rachel Fischer, 22, steckt voller Melancholie, wenn sie von ihrer Literatur spricht. Sie ist eine der sieben Vortragenden. Die gebürtige Germeringerin beschreibt ihren Schreibstil als "bunt und laut" : "In meinem Schreiben erfinde ich mich seit einiger Zeit immer wieder neu, das wird im Schreibsündikat auch sehr unterstützt, denn die Schreibstile dort sind so verschieden wie die Persönlichkeiten der Autorinnen und Autoren".
Für Janina Bodendörfer (Erste Vorsitzende), Jesse Lehmann (Zweiter Vorsitzender), Judith Schachtner, Fiona Rachel Fischer, Franziska Schlögl, Oliver Tönnies und Stella Vrontou-Horuk war die Lesung nach eigenen Worten eine großartige und aufregende Erfahrung, besonders da es ihr Debüt als eingetragener Verein gewesen sei. Die Vortragenden haben es sichtlich genossen, ihre Werke auf der Bühne vorzutragen und die direkten Redaktionen des Publikums wahrzunehmen. Das Publikum war gebannt und konnte offensichtlich gar nicht genug bekommen. So sollte Janina Bodendörfer auf den Wunsch einer Dame hin ihr Gedicht "Kopf in den Wolken" ein zweites Mal vortragen, damit auch jeder Eindruck festgehalten werden konnte. Eine weitere Stimme aus dem Publikum betonte, dass ihr "zwar nicht alle Texte gefallen haben, jedoch auch ihr Geschmack getroffen wurde". Das ist kein Wunder, denn "Es gibt bei uns auch leise und sachliche Schreibstile, experimentelle Formen, Texte, die sich mehr auf das Innere der Protagonisten konzentrieren und solche, die vor Handlung strotzen", so Fiona Rachel Fischer. Das sei das Schöne am Schreibsündikat. Dass all das wertgeschätzt werde und sie sich gegenseitig dazu inspirieren, neue Themen, Stile und Formen auszuprobieren.
Für die Zukunft setzen sich die Autorinnen und Autoren große Ziele. Bereits vor der Lesung begannen sie mit der Arbeit an einer Anthologie. Diese Sammlung von Texten trägt das Thema "Dinge, die um drei Uhr nachts geschehen" und soll auch mit einer Lesung vorgestellt werden. Die Gruppe sucht zudem neue Mitglieder, die Lust auf einen Raum haben, in dem man gemeinsam kreativ werden und sich gegenseitig austauschen kann. Wer sich beim Schreiben keine Tabus setzen will und das Diesseits des Alltags hinter sich lassen und ins Jenseits eintauchen möchte, findet das @schreibsündikat auf Instagram.