Kottgeisering:Wo die Natur das Sagen hat

Kottgeisering: Der Schönwald bei Kottgeisering von oben.

Der Schönwald bei Kottgeisering von oben.

(Foto: Gero Brehm/oh)

Der Schönwald soll sich ungestört entwickeln können und so zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen. Wieso Förster das gut finden, obwohl ihnen das "ökonomische Herz" blutet.

Von Ingrid Hügenell, Kottgeisering

Nicht einmal 20 Hektar groß ist der Schönwald bei Kottgeisering. "Den müssen Sie auf der Landkarte mit der Lupe suchen", sagt Gero Brehm. Dennoch könne der kleine Wald ein wichtiger Trittstein sein, der hilft, Biotope zu verbinden, erklärt der Forstdirektor vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bei einem Rundgang. Deshalb ist er ein "Naturwaldreservat", und das schon seit 1978. Die Naturwälder sollen sich weitgehend ungestört von menschlichen Eingriffen entwickeln können. Es wird nicht gefällt, aber auch nichts gepflanzt. In Bayern sind seit dem Volksbegehren zur Artenvielfalt im Staatswald vermehrt solche Flächen ausgewiesen worden.

Kottgeisering: Robert Bocksberger (links) und Gero Brehm im Schönwald bei Kottgeisering. Vorne links Hund Arthus, eine Dachsbracke.

Robert Bocksberger (links) und Gero Brehm im Schönwald bei Kottgeisering. Vorne links Hund Arthus, eine Dachsbracke.

(Foto: Ingrid Hügenell)

Gero Brehm und Robert Bocksberger, ebenfalls Forstdirektor und Leiter des Forstbetriebs Landsberg am Lech, zu dem der Schönwald gehört, schauen immer wieder mit leichtem Bedauern nach oben in die Baumkronen. Gerade ohne Laub sieht man, dass die im Schönwald vorherrschenden Buchen ihre Äste in die kleinsten offenen Lücken schieben. Buchenwälder seien deshalb sehr schattig, erklärt Brehm. "Die Buche schafft sich so die Konkurrenz vom Hals." Denn andere Baumarten wie Eiche oder Ahorn brauchen mehr Licht zum Wachsen.

"Der Buchenwald ist bei uns die natürlich vorherrschende Waldart", erklärt Bocksberger. Ohne Eingriffe durch den Forst werde kein Mischwald entstehen. Immer wieder erklären die beiden Forstbeamten, wo sie normalerweise Buchen fällen würden, um andere Baumarten zu fördern, oder auch, um kräftigere Stämme zu bekommen. Im Naturwald könne man nur darauf warten, dass ein Naturereignis eine größere Lücke in den Buchenbestand reißt und die anderen Bäume ihre Chance nutzen.

Kottgeisering: Werden die Buchen dem jungen Ahorn genug Licht zum Wachsen lassen? Gero Brehm ist skeptisch.

Werden die Buchen dem jungen Ahorn genug Licht zum Wachsen lassen? Gero Brehm ist skeptisch.

(Foto: Ingrid Hügenell)

Dennoch stehen beide dem Konzept positiv gegenüber. "Mein ökonomisches Herz sagt, es ist schade", sagt Bocksberger. Denn jeder Baum, der als Totholz im Wald liegen bleibt, und jeder Stamm, der zu viele Nachbarn hat, um kräftig zu wachsen, ist für den Forstbetrieb ein wirtschaftlicher Verlust. "Aber es ist ein sinnvolles Konzept, dass der Naturschutz hier absoluten Vorrang hat. Der Naturschutz ist den wirtschaftlichen Verlust wert." Brehm ergänzt: "Es ist einfach schön. Ich bin gerne hier."

Das sollen auch Ausflügler vermehrt erleben können. Viele gehen schon auf dem Weg südlich des Walds spazieren, wo man einen herrlichen Blick auf die Alpen und den Ammersee hat. Doch es führt auch ein Weg durch den Wald. Ein überarbeiteter Flyer zum Naturwaldreservat ist kürzlich erschienen und am Eingang zum Schönwald in der Nähe des Wertstoffhofs Kottgeisering erhältlich. Dort warnt eine Tafel davor, dass bei starkem Wind oder gar Sturm Äste herabfallen oder ganze Stämme umstürzen können. Auch im Sommer bei großer Trockenheit kann das passieren.

Obwohl der Wald nicht mehr bewirtschaftet wird, werden Bäume gefällt, die schon gefährlich über den Weg hängen, und wenn Stämme den Weg versperren, werden sie zur Seite geräumt. Als Totholz bleiben sie im Wald liegen.

2015 wurde ermittelt, dass im Schönwald pro Hektar rund 58 Kubikmeter Totholz vorhanden sind. Im Wirtschaftswald sind es Bocksberger zufolge etwa 20 Kubikmeter pro Hektar. Noch vor einigen Jahrzehnten wurden die Forste oft komplett "aufgeräumt". Dann erkannte man, wie wichtig Totholz für die Artenvielfalt ist.

Kottgeisering: Pilze sind die ersten, die Totholz besiedeln.

Pilze sind die ersten, die Totholz besiedeln.

(Foto: Gero Brehm/oh)

Pilze, die so schöne Namen tragen wie "Schwefelgelber Rindenpilz" oder "Bläulichgraue Wachskruste", besiedeln und zerlegen es. Mikroorganismen, Käfer und Würmer folgen. Sie ernähren sich ebenfalls von den Holzbestandteilen und helfen, aus dem toten Baum wieder Humus zu machen. So wird der Kreislauf der Nährstoffe geschlossen. Das gehe bei Buchenholz sehr schnell, erklärt Brehm. Schon nach wenigen Jahren sind auch dicke Stämme vergangen.

Während das Holz zerlegt wird, freuen sich Vögel wie Spechte und andere Tiere über die Kleintiere in den Stämmen. Alle heimischen Spechtarten kämen im Forstbetrieb vor, sagt Bocksberger. Welche genau im Schönwald, wissen die beiden Forstdirektoren nicht. Spechte brauchen nicht nur Insekten als Nahrung, sondern auch Höhlen in alten Bäumen, in die sie ihre Nester bauen können. Sind die Spechte ausgezogen, kommen Hohltauben oder Waldkäuze als Nachmieter.

In Bayern werden seit dem erfolgreichen Volksbegehren zur Artenvielfalt von 2019 Naturwälder gefördert. Dem bayerischen Forstministerium zufolge sind nun in ganz Bayern rund 83 000 Hektar als Naturwälder ausgewiesen. Das entspricht einem guten Prozent der Landesfläche und zehn Prozent der Fläche des Staatswalds. Das Ministerium spricht von einem "grünen Netzwerk". Dem Flyer zufolge gibt es momentan in Bayern 167 Naturwaldreservate, im Landkreis zählen außer dem Schönwald das Haspelmoor und ein kleines Bachtälchen beim Jexhof dazu.

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