Süddeutsche Zeitung

Schlachthof-Affäre weitet sich aus:Bauernobmann zeigt Tierschützer an

Georg Huber fragt sich, ob die Aktivisten die Verstöße an der Brucker Einrichtung nicht früher hätten melden müssen. Oder ob sie so lange hätten filmen müssen, um überhaupt etwas zu finden

Von Gerhard Eisenkolb

Seit Februar ist der Puchheimer Landwirt Georg Huber Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV). "Ich bin für die Bauern da", sagt er selbstbewusst. Und in dieser Funktion ist Huber einige Wochen nach der Schließung des Brucker Schlachthofes wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz in Aktion getreten. Der Vertreter der Bauern des Landkreises erstattete mit Hilfe eines Rechtsanwalts Anzeige gegen die Soko Tierschutz. Diese hatte anhand von Filmaufnahmen aus dem Schlachthof aufgedeckt, dass dort Tiere misshandelt worden waren, und zwar wohl über einen längeren Zeitraum, wie Huber der Berichterstattung der Medien entnommen hat.

Eine spontane Handlung sei seine Anzeige nicht gewesen, beteuert der Landwirtschaftsmeister: "Das ist mir lange im Kopf herumgegangen". Auch geärgert habe er sich nicht. Es geht Huber weder um eine persönliche Fehde noch um Emotionen, wie er beteuert. Es haben sich nur eine Reihe von Fragen ergeben, die der Puchheimer gerne beantwortet hätte. Beispielsweise die, ob die Tierschützer die Verstöße nicht früher hätten melden müssen, um weiteres Tierleid zu verhindern.

Für den Bauernvertreter gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Tierschützer hätten früher auf die Missstände aufmerksam machen müssen oder es musste so lange gefilmt werden, um überhaupt Verstöße dokumentieren zu können. Weiteren Aufklärungsbedarf sieht der Landwirt also auch beim Umfang der Vergehen. "Wenn ich zehn Monate lang filme, bringe ich bei jedem fünf Minuten zusammen, auf die er nicht stolz ist", sagt der Puchheimer.

Auch wenn der Bauernverband den Rechtsanwalt bezahlt, ist die Anzeige nicht auf "Bauernverbandsmist" gewachsen, wie Huber beteuert. Durch Reaktionen anderer Landwirte fühlt er sich bestätigt. So hätten einige gesagt: "Gut, Georg, dass du das machst." Da er nun mal Kreisobmann ist, will der Puchheimer mit seiner Anzeige auch in dieser Funktion wahrgenommen werden. Deshalb hat er beim Verband angefragt, ob dieser den Rechtsanwalt bezahlt, wozu dieser bereit war.

Hubers Vertrauen in den Rechtsstaat ist so groß, dass er sich eine neutrale Aufklärung der Vorgänge im Schlachthof zuallererst von einer neutralen Staatsanwaltschaft und Justiz erwartet. Eine solche Neutralität verbindet er weder mit der Soko Tierschutz noch mit dem Landratsamt oder dem Bauernverband. Die Soko Tierschutz bezeichnet er sogar als "undemokratisch", weil sie Tierhaltung generell in Frage stelle und anderen den Verzehr von Fleisch verbieten wolle.

Der Bauernobmann hat, wie er sagt, den Brucker Schlachthof noch nie betreten. Zudem mästet er weder Rinder noch Schweine, sondern betreibt Ackerbau und eine Pferdepension. Deshalb nimmt er für sich in Anspruch, relativ unvoreingenommen zu sein, was den Umgang mit den Schlachttieren betrifft. Nur in einem Punkt bezieht der 42-Jährige klar Position. "Es wäre ein Wahnsinn, den kleinen regionalen Schlachthof zu schließen oder infrage zu stellen", sagt er. Schon um das zu verhindern, müsse aufgeklärt werden.

Dass dagegen die von den Tierschützern aufgedeckten Verstöße gegen Auflagen und den Tierschutz im Schlachthof geahndet werden müssen, ist für den Landwirtschaftsmeister eine Selbstverständlichkeit. Das passe aber nicht dazu, dass die Tierschützer wohl zehn Monate warteten, bis sie mit den Filmaufnahmen und ihren Erkenntnissen an die Öffentlichkeit gingen. Auf dem Kreuthhof der Hubers spielen Themen wie Achtsamkeit, Wohlfühlen, das Anknüpfen an das Wissen und die Erfahrungen der Vorfahren eine zentrale Rolle. Ist die Frau des BBV-Kreisobmanns doch nicht nur Agrarbetriebswirtin, sondern auch Kräuterpädagogin mit Volksheilkundezertifikat, Achtsamkeitstrainerin, ganzheitliche Ernährungsberaterin sowie zertifizierte Fastenleiterin. Nur auf Wachstum zu setzen ist für den 42-Jährigen nicht die Lösung der Probleme der Landwirtschaft. In sich gehen, nachdenken, etwas Tempo rausnehmen, sei auch eine Option.

Geht es um den Ruf der Landwirte, entwickelt der 42-Jährige so etwas wie Sendungsbewusstsein. "Die Landwirtschaft wird oft falsch dargestellt", sagt er. Der Ruf der Landwirte sei schlechter, als sie es verdienten. Und sie stünden oft am Pranger, mal zu recht, mal zu unrecht. So wie jetzt Metzger, die im Schlachthof arbeiteten, und Landwirte, die ihnen vertrauten. "Wenn man vorverurteilt wird, ist es gut, wenn man die, die an den Pranger stellen, hinterfragt." Allein dieser Satz könnte als Erklärung dafür genügen, warum Huber gerade in dem spektakulären Fall hartnäckig um Aufklärung bemüht ist. Kommt nichts raus, will er auch das akzeptieren.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2017
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