Schauspiel:Immer mit dem Finger am Abzug

Bonnie and Clyde

Privat ein Ehepaar, auf den Brettern dieser Welt aber kommen beide nicht so recht über den Status "Liebespärchen" hinaus: Chantal, die von Christina Schmiedel gespielt wird, und der von ihr angehimmelte Manni, gespielt von Alexander Schmiedel.

(Foto: Günther Reger)

Die Neue Bühne inszeniert das unterhaltsame Theaterstück "Zwei wie Bonnie und Clyde". Der Protagonist Manni stellt sich darin ein ums andere Mal ziemlich dämlich an. Und seine Komplizin Chantal outet sich als Schuhfetischistin

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Weibliche Begeisterung für Schuhe? Das ist ist nichts Neues. Erstaunlich ist nur, dass ein Berg Schuhkartons an diesem Theaterabend der "Neuen Bühne Bruck" offenbart, wie dramaturgisch wertvoll Schuhschachteln sein können. Das Stück "Zwei wie Bonnie und Clyde" nimmt Anleihe an das berüchtigte amerikanische Gangsterpaar Anfang der Dreißigerjahre. Auch Manni und Chantal wollen ans große Geld. Chantal will nach einem Bankraub in "Los Vegas", wie sie verlangt, von ihrem Manni geheiratet werden. Doch bis Vegas kommt das Pärchen nicht, scheitert es doch schon allzu kläglich an der Geldbeschaffung.

Der Möchtegerngauner Manni (Alexander Schmiedel) verehrt das berühmte Gaunerpärchen und erklärt recht selbstbewusst sich und seine Chantal (Christina Schmiedel) zu deren Nachfolgern. Die Liebste macht vor allem mit, weil sie hofft, mit fetter Beute "Clyde" endlich heiraten zu können. Doch der männliche Protagonist setzt seine Gefährtin bei den Banküberfällen wider aller Vernunft immer wieder als Mittäterin ein. Und die Heldin, eine Berliner Göre ohne kriminelle Energie, nimmt Anweisungen grundsätzlich so wörtlich, dass sie ins Gegenteil umschlagen. Chantal hängt an den Lippen von Manni. "Wees ick" und "Dit is jut", sind ihre Lieblingsantworten, und der Besucher ahnt schon, dass sie trotzdem immer wieder alles verkehrt machen wird. So stehen noch gegen Ende des Stückes die zwei im Visier der Polizei, doch ohne jede Beute. Doch Achtung, so treudoof, wie sie oft erscheint, ist die Schuh-Begeisterte Bonnie dann doch nicht.

Das Zweipersonenstück ist ein harmloser Spaß. Das Darstellerpaar sorgt mit witzigen Dialogen, frechen Sprüchen, flotten Klappsätzen und sympathischen Bösewicht-Aktionen für allzeit gute Laune im Publikum. Die Regie von Harald Molocher, Bühnenbild und Protagonisten - alles aus einem Guss. Sauber erarbeitet, Pausen und Blicke gut gesetzt, leicht, spannend und kurzweilig, ohne dass je auf den Putz gehauen oder Lacher erzwungen werden. Ein durch und durch erfreulicher Theaterabend, den die Akteure unter erschwerten Bedingungen absolvieren müssen: Wenn einem Besucher nach einer halben Stunde schlecht wird, er umkippt und der Notarzt kommen muss, ist das auch für ein Theater und vor allem für die Schauspieler so etwas wie ein Ausnahmezustand. Der ältere Besucher rappelt sich schnell wieder auf und wartete auf den Rettungsdienst. Und die beiden Schauspieler meistern diesen Zwischenfall mit Bravour. Nach 25 Minuten wird die Vorstellung fortgesetzt. Das Ehepaar Schmiedel schafft es, das Publikum bei der Stange zu halten und die Stimmung aufrecht zu erhalten. Einmal mehr bewahrheitet sich die Furcht der Schauspieler vor der zweiten Vorstellung, bei der sie - meistens zu Unrecht - befürchten, dass etwas Unvorhergesehenes passiert.

Das höchst sympathische Stück der Autoren Tom Müller und Sabine Misiorny hat ein paar kleine Schwächen, die ein "Script Doctor" wohl behoben hätte: Dass eine Menschenmenge das Auto der flüchtigen Bankräuber, die mal wieder nichts rauben konnten, umringt, ohne dass sich jemand die Autonummer merkt, ist merkwürdig. Wenn andererseits der Nachrichtensprecher im Radio verkündet, dass die "Pozilei, äh, Polizei" hinter den beiden her sei, wird man daran erinnert, dass es sich hier einfach nur um ein schönes Märchen handelt - und deshalb nimmt man es nicht so genau, wenn die freche, anschmiegsame, begriffsstutzige und sehr verliebte "Bonnie" ausgerechnet im Tutu-Rock zu Banküberfällen antritt. Die Schlusspointe des Stückes folgt eher dem traditionellen Rollenbild. Hätte die Inszenierung eine Minute früher geendet, wäre sie also - frei von jedem "Treudoof"-Frauenbild - noch geistreicher geraten.

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