SC Fürstenfeldbruck:Der Boykott

Wie es dem Problemverein SC Fürstenfeldbruck geht, interessiert seine Mitglieder nicht. Dabei muss der Klub immer neue Finanzlöcher aus der Vergangenheit stopfen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Nein, für finanzielle Details haben sich die Mitglieder des Sportclubs Fürstenfeldbruck noch nie wirklich interessiert. In der sportlich ruhmreicheren Vergangenheit nicht, als die Vorstände Zahlen nur spärlich kommunizierten, und auch jetzt nicht, da seit einigen Jahren mit Hochdruck an der Konsolidierung des in große Finanznot geratenen Fußballvereins gearbeitet wird. 28 Mitglieder, so wenige wie nie zuvor und gerade mal ein Viertel derer, die im Vorjahr gekommen waren, finden diesmal den Weg zur Jahreshauptversammlung. Dabei sind die Zutrittskontrollen streng: Ein quer stehender Tisch versperrt den Eingang zur Sportgaststätte, nur Mitglieder dürfen hinein.

Das ist eine Reaktion auf die Versammlung vor einem Jahr, als sich kurz vor den Vorstandswahlen noch potenzielle Neumitglieder hatten eintragen wollen, die der Opposition im Verein zuzurechnen waren. Diesmal bleiben sie alle fern: die Gegner des umstrittenen Vereinspräsidenten Jakob Ettner, die ehemaligen Präsidenten und die Ehrenpräsidenten, sogar Alte-Liga-Abteilungsleiter Gerhard Knöchel. Der setzt draußen auf dem Platz ein Spiel in Ehren ergrauter Fußballer just zu dem Zeitpunkt an, als drinnen die Versammlung tagt. Knöchel fehlt dann auch, um seinen Abteilungsbericht zu verlesen. Dabei hatte der eigenwillige, langjährige Funktionär im Vorjahr die Versammlung sogar für Vereinschef Ettner geleitet, der damals Tumulte befürchtet hatte. Diesmal ist die Versammlung nach 36 Minuten beendet. Ein Boykott? "Es ist so was von beschämend", befindet Ettner.

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SCF, wohin? Fußballtrainer Michael Westermair will den sportlichen Absturz vermeiden.

(Foto: Johannes Simon)

Dabei ist der Verein, der wegen zu teurer Fußballmannschaften in finanzielle Turbulenzen geraten war, noch lange nicht über dem Berg. Seit einem Dreivierteljahr sind Betriebsprüfer des Finanzamtes Fürstenfeldbruck im Haus, sie interessieren sich Ettner zufolge für die Jahre 2010 bis 2013 - "Jahre, in denen Großereignisse auf dem SCF-Gelände stattfanden", wie er den wenigen Anwesenden erläutert. Es soll dabei zuvorderst um zwei Public-Viewing-Veranstaltungen zur Weltmeisterschaft 2010 und Europameisterschaft 2012 gehen. Der Verein habe damals "keinen Cent eingenommen", sagt Ettner und wundert sich darüber angesichts von Besucherzahlen im fünfstelligen Bereich. Ein Antrag findet deshalb eine Mehrheit, mit dem die SCF-Mitglieder das Finanzamt auffordern, "das damalige Präsidium im Falle vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzungen der ihnen in diesem Zeitraum auferlegten Pflichten in Haftung zu nehmen". 2010 war Siegfried Müller SCF-Präsident geworden, im März 2013 trat er zurück. Danach übernahm bis Februar 2014 sein Stellvertreter Eckart Lutzeier.

Müller hat zwischenzeitlich auch das Engagement seiner Firma als Sponsor des SCF und Inhaber der Namensrechte am Stadion eingestellt, die riesigen Platten mit dem Schriftzug seines Unternehmens freilich prangen noch immer über der Tribüne im Stadion, das seither wieder ganz banal Stadion an der Klosterstraße heißt. Lutzeier ist aus dem Verein ausgetreten. Johannes Mühlberger, einer aus der ehemaligen Vizepräsidentenriege, geht gerichtlich gegen den Verein vor. Als einer von sieben Funktionären hatte Mühlberger als damaliges Präsidiumsmitglied für einen Kredit gebürgt, den Ehrenpräsident Hans Hahn dem Verein zur Verfügung gestellt hatte. Hahn galt damals einmal mehr als Retter des Vereins, als er diesem ein Privatdarlehen über 70 000 Euro gab. Nachdem um die 20 000 Euro abbezahlt waren, stellte Ettner, der im Mai 2014 zum Vereinschef gewählt wurde, die Rückzahlung des Kredits ein und entlastete damit den Schuldenstand des SCF auf einen Schlag um etwa 50 000 Euro. "Das ist eine komische Rechtsauffassung", sagt Mühlberger, der nicht auf der Versammlung war, auf Nachfrage der SZ. Deshalb habe er Klage eingereicht, "und die anderen behalten sich das auch vor". Mühlberger zufolge hat Hahn das Geld von den Bürgen bekommen. Seinen Anteil von etwa 9000 Euro will er nun vom SCF zurück.

SC Fürstenfeldbruck: Das Führungsduo Ursula Valier und Jakob Ettner kümmern sich um die finanzielle Zukunft des SC Fürstenfeldbruck.

Das Führungsduo Ursula Valier und Jakob Ettner kümmern sich um die finanzielle Zukunft des SC Fürstenfeldbruck.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Müsste der SCF zahlen, wäre er bei der Konsolidierung erneut empfindlich getroffen. "Immer wieder taucht was auf", sagte SCF-Vizepräsidentin Ursula Valier, die auch die Steuerberaterin des Vereins ist. So wie jene Forderung der Stadt Fürstenfeldbruck für "Dinge, die lange zurückliegen und irgendwann mal bezahlt werden müssen", wie Bürgermeister Erich Raff der SZ sagte. Die Stadt ließ im Januar ein SCF-Konto sperren und zog dem Vernehmen nach etwa 8000 Euro an rückständigen Gewerbesteuern ein, weitere etwa 15 000 Euro an die Stadt stemmten nach Angaben Ettners die SCF-Abteilungen gemeinsam. Ettner mutmaßt, dass zuvor neue Gerüchte um eine mögliche Insolvenz des Vereins aufgetaucht waren. Sämtliche unerwartet hinzu gekommenen Forderungen gegen den Verein beliefen sich mittlerweile auf etwa 100 000 Euro, schätzt Ettner. Aktuell betragen die Verbindlichkeiten des SCF laut Vizepräsidentin Valier noch 27 000 Euro, dazu kommt ein städtisches Darlehen für den Kunstrasenplatz über 161 000 Euro, das als Übergangsfinanzierung gedacht ist, bis Zuschüsse und Darlehen des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV) fließen.

Die Einnahmen des SCF gehen indes weiter zurück. Nur noch 16 600 Euro erhielt der Klub 2016 für Banden-, Trikot- und Plakatwerbung. Von den Spenden in Höhe von 44 000 Euro sind 30 500 Euro zweckgebunden für den Kunstrasenplatz. Die Sportgaststätte hinterließ dem SCF im Vorjahr ein Plus von 30 000 Euro, das "fast eins zu eins für den Betrieb der ersten Mannschaft benötigt wurde", sagt Valier. Die Kosten für die erste Mannschaft, die 2014 noch um die 120 000 Euro betrugen, wurden zwar deutlich heruntergefahren, lagen aber aufgrund vertraglicher Verpflichtungen 2016 immer noch bei 52 000 Euro für Spielergehälter, Aufwandsentschädigungen und Prämien.

Seit es beim SCF kaum mehr etwas zu verdienen gibt, haben fast alle etablierten Kicker den Verein verlassen. Junge Nachwuchskräfte füllen die erste Mannschaft von Trainer Michael Westermair, doch der sportliche Überlebenskampf ist mühsam. "Wir haben uns die Bezirksliga nicht so schwierig vorgestellt", sagt Fußballabteilungsleiter Alfred Thurner. Der SCF steht auf einem Relegationsplatz und wird bis zum Saisonende in drei Wochen um den Klassenerhalt bangen müssen. Es wäre der zweite Abstieg in Folge, der dritte in fünf Spieljahren. Der Sport hält für derartigen Misserfolg das Attribut "durchgereicht" bereit. Der SCF würde mit einem Abstieg in den Niederungen der achten Liga, die sich Kreisliga nennt, ankommen. Mit dem neuerlichen Abstieg wäre nach dem finanziellen Niedergang auch der sportliche besiegelt.

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