Satire:Radikale Kapitalismuskritik

Max Uthoff

Immer am Ohr der Zeit: Kabarettist Max Uthoff bei seinem Auftritt in der Germeringer Stadthalle.

(Foto: Günther Reger)

Kabarettist Max Uthoff lässt dem Germeringer Publikum nicht viel Raum zum zwanglosen Lachen

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Nach 40 Minuten kommt Max Uthoff plötzlich von der Bühne herunter, geht zehn Meter den Mittelgang entlang und deutet mit seinen Armen auf das Publikum in der restlos ausverkauften Germeringer Stadthalle. "Ihr hier vorne in den ersten zehn Reihen, ihr seid der globale wohlhabende Norden", sagt der Kabarettist, "ihr alle dahinten der globale Süden - Tschad, Afghanistan und andere." Die Besucher wirken wie gelähmt und machen keinen Mucks, aber sie wissen ganz genau, was gemeint ist. Nichts führt an diesem Abend deutlicher vor Augen, wie die Welt gestrickt ist.

"Wenn sie einen kaputten Kühlschrank oder Elektroschrott haben, schmeißen sie es nach hinten in den Süden - zum Beispiel nach Ghana", fordert Uthoff, 51, die Wohlhabenden auf. Das sind die Momente, in denen die Besucher eher erstarren, als dass sie zustimmend applaudieren. "Globalisierung bedeutet", fährt Uthoff unbeirrt fort, "gebt mir eure Reichtümer aus dem Süden oder ich lasse euch verhungern". Der Internationale Währungsfond (IWF) mache regelmäßig aus einem Entwicklungsland ein Abwicklungsland. Die Flüchtlinge, besonders die Afrikaner, die nach Europa kämen, würden das als die Rückzahlung von Schulden des Nordens betrachten. Die denken sich: "Wie reich muss ein Ort sein, dass es dort Katzenfutter - sogar noch verschiedene Sorten - in Dosen gibt."

Uthoff, Jurist mit zweitem Staatsexamen, lässt mit seiner radikalen Kapitalismuskritik nicht locker. "Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll über Fluchtursachen schweigen", schleudert er dem Publikum ungebremst entgegen. Dieser Kapitalismus betreibe "die Ausplünderung der Ärmsten". Bei diesen Sätzen stellt sich nur mäßiger Beifall ein. Viele Besucher, die Max Uthoff aus dem Fernsehen ("Die Anstalt") kennen, haben sich offenbar mit der eindeutigen politischen Haltung des Kabarettisten nicht so genau beschäftigt, sonst wären sie nicht so spürbar überrascht gewesen. Zwei der wenigen jüngeren Besucher, beide 22 Jahr alt, sehen das in der Pause genauso. "Macht er SUV-Fahrer lächerlich, klatschen alle Beifall und amüsieren sich prächtig, piekst er tiefer rein, sind sie erschrocken und verblüfft."

Uthoff macht nicht nur Witze über Geländewagenfahrer im Saal, sondern zur Abwechslung auch über Hundehalter. "Wer da wohl wen dirigiert?", fragt er nach einer absurden Episode von Hund und einem Halter. Dass Uthoff sich von seiner politischen Linie nicht abbringen lässt, ist nur konsequent. Auch bei seiner Kritik des hirnlosen Konsumenten. "Noch geiler als Nation und Drogen sind Produkte", ruft er. "Alles muss immer da sein, als muss ständig verfügbar sein." Der Kaufakt beglücke die Menschen. "Wir handeln nicht mehr, wir konsumieren nur noch", schreibt Uthoff den Wohlhabenden in den ersten zehn Reihen ins Stammbuch. Er lässt auch nicht unerwähnt, welche Gesellschaftsgruppe er für die Schande im Land hält: die, die leistungslos Millionen und Milliarden an Dividenden einstreichen: "Das sind die Asozialen in der Gesellschaft." Dafür gibt es auch nur wenig Beifall.

Seehofer und Söder bekommen auch ihr Fett ab. "Wenn die das Wort Christus aussprechen, bekommt jede Nonne Gürtelrose." Trotzdem hat der Süden im Saal nicht aufbegehrt, ist aber auch in zwei sehr lehrreichen und vergnüglichen Kabarettstunden nicht in den Norden geflüchtet. Der SUV-Fahrer vereint sie, als Uthoff höhnt, dass er einen Autolenker habe Eis kratzen sehen, "weil sein Auto zu dick für die Garage ist". An einem Problem kommt Uthoff selbst nicht mehr vorbei. Seine kleine Tochter hat kürzlich zur Mutter in der U-Bahn gesagt, als die Friedrich Merz auf dem Bildschirm gesehen hat: "Guck mal Mama, der Papa."

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