Sankt Ottilien:Die Zeit drängt

Sankt Ottilien: Auf der Bühne (v.l.): Hans Ritt, Gabriele Uitz, Michael Piazolo, Christian Winklmeier, Martin Runge.

Auf der Bühne (v.l.): Hans Ritt, Gabriele Uitz, Michael Piazolo, Christian Winklmeier, Martin Runge.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Energiewendevereine lassen den Klimawandel diskutieren. Lösungen hat freilich niemand so recht

Von Ingrid Hügenell, Sankt Ottilien

Enno Steffens, Geschäftsführer der Stadtwerke Fürstenfeldbruck, war als Besucher bei der Podiumsdiskussion "Was tun gegen die Heißzeit?" zur Klimakrise, nicht als Experte auf dem Podium. Und doch war er es, der das Thema am besten auf den Punkt brachte: "Wir müssen aufhören, das Problem kleinzureden. Wir setzen seit 60, 70 Jahren die Energie frei, die über Jahrmillionen in der Kohle gespeichert war", sagte er - kein Wunder, dass die Erde sich aufheize. Eindringlich mahnte er: "Wir können gar nicht anders, als das hinzukriegen." Dann forderte er die vier Politiker auf dem Podium auf, Betrieben wie den Stadtwerken endlich klare Vorgaben zu machen, damit sie etwas gegen den Klimawandel und seine Folgen tun könnten.

Die Energiewendevereine Ziel 21, Lena und ELS der Landkreise Fürstenfeldbruck, Landsberg und Starnberg hatten als "Kandidaten im Brennpunkt" die Landtagsabgeordneten Hans Ritt (CSU), Professor Michael Piazolo (Freie Wähler) und Martin Runge (Grüne) sowie Christian Winklmeier, den Landtagskandidaten der SPD, eingeladen. So eindringlich wie Steffens zeigte niemand seine Besorgnis wegen der drohenden Klimakatastrophe, was wohl daran liegt, dass der sich um die Zukunft seiner eineinhalb Jahre alten Tochter sorgt. Nach einer guten Stunde Frage-und-Antwort-Spiel auf der Bühne sagte Steffens im Zuge der Fragen aus dem Publikum: "Wir haben gar keine Zeit mehr zu diskutieren" und fragte: "Wann fangen wir an, das gemeinsam anzugehen?" Damit traf er den Nerv vieler der etwa 100 Zuhörer, die in den Großen Saal des Gymnasiums im Kloster Sankt Ottilien gekommen waren. Viele von ihnen gehören, wie die Wortmeldungen zeigten, einem der drei Energiewendevereine oder einer Öko-Partei an. Auch andere gingen mit den Politikern hart in Gericht, wie der Forstingenieur Ludwig Pertl aus dem Landkreis Landsberg. Er untersucht in dem Projekt "Links-4-Soils" die Leistungsfähigkeit des Waldbodens auch in Dürreperioden. "Die Kipppunkte der Natur sind erreicht", warnte er und fragte: "Wollen Sie wirklich so weiter machen? Ich habe dafür kein Verständnis." Wie Steffens hatte offenbar auch Pertl deutliche Aussagen der Politiker vermisst, wie man die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch verhindern könnte.

Die Diskussion kam vor allem zu Anfang sehr zahm und freundlich daher, als die Moderatorin, Rundfunk-Journalistin Gabriele Uitz, die vier Politiker in charmanter Weise zunächst fragte, wie sie denn nach Sankt Ottilien gekommen seien. Ritt und Piazolo waren mit dem Auto angereist, beide kamen zu spät. Ritt betonte, er fahre ein CNG-Auto, das komprimiertes Erdgas als Kraftstoff nutzt. Winklmeier war in eineinhalb Stunden von Gilching angeradelt, und Runge hatte es mit Rad und S-Bahn versucht, allerdings in Geltendorf den Zug verpasst, weshalb er sich von dort mit dem Auto mitnehmen ließ. Dann ging es darum, wer wann mit oder gegen wen im Landtag abstimmt.

Dem erst 27 Jahre alten Winklmeier war anzumerken, dass ihm der Klimawandel die größten Sorgen macht. "Für uns Jüngere ist das auch eine Existenzfrage", sagte er. Deutschland müsse Vorreiter bei der Energiewende sein. Dass im Wahlkampf der SPD der Klimawandel mit dem konkreten Ausdruck nicht vorkommt, erklärte er damit, das Thema sei zu komplex für den Wahlkampf.

Runge forderte endlich die Verkehrswende mit der Abkehr vom motorisierten Individualverkehr hin zum öffentlichen Personenverkehr, den weiteren Ausbau der regenerativen Energien und eine neue Landwirtschaftspolitik. "Wir dürfen nicht erst in 20 Jahren anfangen!", betonte er. "Es ist zu schaffen, aber es wird anstrengend."

Ritt beharrte darauf, es werde schon genug Solar- und Windstrom erzeugt, es fehle aber an der Speichertechnologie. Er sprach von vielen kleinen Maßnahmen wie der energetischen Gebäudesanierung, der Einführung von CNG-Bussen und der Kraft-Wärme-Kopplung. Piazolo plädierte dafür, dem Klimaschutz Verfassungsrang zu geben und das Thema auch in der öffentlichen Wahrnehmung der wichtigen Themen wieder ganz nach vorne zu bringen. Dafür forderte er die Unterstützung der Zuhörer.

Steffens erhielt auf seine Frage keine wirkliche Antwort.

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