Sagen und Mythen:Die selige Nonne auf der Amperinsel

Amperinsel

Amperinsel FFGR64406 2.2.2017 Schöngeising Amperinsel bei Schöngeising Foto: Günther Reger

(Foto: Günther Reger)

Schwester Herluka lebte um 1100, erst in Epfach, dann in Bernried. Ob sie auch im Landkreis wirkte, bleibt vage.

Von Ariane Lindenbach, Schöngeising

Eine ganz normale Wiese, umsäumt von ein paar kahlen Büschen und Bäumen: Das ist alles. Wenn dieser Flecken Erde nicht rings herum von der Amper umgeben wäre und ihn nicht zwei hölzerne Fußgängerbrücken mit dem Schöngeisinger Festland verbinden würden, hätte er so gar nichts Besonderes. Abgesehen vielleicht von den paar schmutzigen Schneeresten, die der Szenerie dort Anfang Februar ihren Stempel aufdrücken. Gut, das Fleckchen ist eine Insel. Und sie heißt nicht ganz grundlos Turminsel. Schließlich vermuten Archäologen und Geschichtsinteressierte aufgrund von Funden aus den Neunzigerjahren, dass hier einst ein römischer Wachtposten gestanden hat. Ferner gibt es Vermutungen, dass sich später an der selben Stelle ein Kloster befunden haben könnte. Für beides gibt es ein paar Hinweise, die derartige Vermutungen stützen. Von der seligen Herluka hingegen, die hier der Sage nach unbestimmte Zeit gelebt und Mädchen und Frauen im Nähen und Stricken unterrichtet haben soll, finden sich keinerlei Anhaltspunkte.

In den Wäldern um Schöngeising hängen ein paar Nebelschwaden. Auf dem Parkplatz am Ende der Kirchstraße parken zwei Autos, aus der Ferne nähert sich eine Frau mit Kind und Hund. Ein paar Vögel zwitschern. Die Amper gluckst beim Passieren der verwitterten Holzbrücke leise vor sich hin. Die Insel, von den Schöngeisingern auch schlicht Badeinsel genannt, liegt als Oval vor der Besucherin. Nur ein Trampelpfad führt quer über das Gras bis zur zweiten Holzbrücke, die in Richtung Zellhof führt. Zwei Jogger laufen voller Elan ortsauswärts und grüßen die wenigen Spaziergänger freundlich.

Dass hier um das Jahr 1120 die später seliggesprochene Nonne Herluka gelebt haben soll, ist schwer vorstellbar. Andererseits ist die Existenz von Herluka historisch belegt, vor allem durch ihren Briefwechsel mit Diemut von Wessobrunn. Noch heute wird ihrer gedacht, an ihrem Gedenktag, dem 18. April. Wer "Herluka" in eine Suchmaschine im Internet eingibt, dem werden 10 100 Ergebnisse angezeigt, als erstes erscheint "Herluka von Bernried". Denn tatsächlich verbrachte die Nonne mit den angeblich hellseherischen Fähigkeiten in dem Ort am Westufer des Starnberger Sees, der damals freilich noch Würmsee hieß, ihre letzten Lebensjahre als Klausnerin im seinerzeit neu gegründeten Augustiner-Frauenstift.

Noch heute ist in der Pfarrkirche Sankt Martin in Bernried eine farbig gefasste hölzerne Statue der seligen Herluka zu finden, gleich links, wenn man den Kirchenraum betritt. Auch ihr Grab kann man dort noch besuchen, allerdings ist es nur mit einem einfachen Kreuz auf der darüber liegenden Steinplatte gekennzeichnet. Zur gleichen Zeit mit der Nonne lebte in Bernried der Mönch und Kanonikus Paulus Bernriediensis, Biograf von Papst Gregor VII. Er schrieb auch das Leben der Herluka auf, mit der er zeitweise im Briefwechsel gestanden hatte. "Außerordentlich war die ihr von Gott verliehene Gnade, Seelen für Christus zu gewinnen", heißt es dort etwa.

Belegt ist auch, dass Herluka zuvor viele Jahre im heutigen Epfach (damals hieß es noch Epsach) lebte und dass sie um 1060 bei Stuttgart zur Welt kam. Am Anfang ihres Lebens, heißt es in mehreren Quellen, sei sie dem weltlichen Leben stark zugetan gewesen. Eine schwere Krankheit brachte sie auf den Pfad der Tugend und ermöglichte ihr fortan, in die Zukunft zu blicken. In ihrer Heimat lebte sie unter der geistlichen Leitung des Abtes Wilhelm von Hirsau. In Epfach nördlich von Schongau, wo sie von 1086 an lebte, warb sie für die Verehrung des Bischofs Wikterp von Augsburg.

Um 1120 muss sich Herluka auf den Weg zum Starnberger See gemacht haben, wo sie laut der Internetseite der Pfarrei Sankt Martin in Bernried 1121 ankam. Sicher gab es auch damals schon direktere Wege von Epfach nach Bernried als über Schöngeising. Aber die Tatsache, dass die Römerstraße Via Julia, die in der Antike von Salzburg über Augsburg nach Günzburg führte, auch an Schöngeising vorbei kommt, erhöht die Chancen, dass die offenbar sehr reformatorische Nonne dort vorbeigekommen ist. Zumal sie ja auch belegte Kontakte nach Augsburg hatte. Deshalb ist es schon möglich, dass Herluka den Ort an der Amper zumindest passierte. Für mehr finden sich keine Belege.

Weder Reinhard Jakob, Leiter des Bauernhofmuseums Jexhof, noch Kreisheimatpfleger Toni Drexler wissen etwas über die selige Herluka. Auch im Schöngeisinger Pfarrbüro, das unweit der Turminsel steht, hat man den Namen noch nie gehört. Die selbe Auskunft gibt Gerda Osetzky, die ihr Leben lang in Schöngeising wohnt und den Seniorenkreis leitet. Ob vom Vater, Verwandten, in der Schule oder von den Alteingesessenen - "davon habe ich noch nie was gehört". Auch Annemarie Strähhuber, die zwar im Maisacher Ortsteil Gernlinden lebt, aber unter anderem am Jexhof regelmäßig alte Geschichten und Sagen vorliest, findet in ihren Heimatbüchern nichts über Herluka und Schöngeising. "Wahrscheinlich gibt es überhaupt keine Legende von ihr aus dieser Gegend", mutmaßt sie. "Aber irgendwas wird sicher dran sein, weil sonst gäbe es die Geschichte nicht", meint Strähhuber. So lautet zumindest die Vermutung der mit Sagen, Legenden und Märchen aus ihrer Heimat vertrauten Gernlindnerin.

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