Süddeutsche Zeitung

Zweite Stammstrecke:Grüner Landtagsabgeordneter fordert das Aus der zweiten Stammstrecke

Martin Runge sieht seine Befürchtungen bestätigt und prophezeit, dass der Ausbau die Situation für Pendler verschlechtern wird.

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Martin Runge, Landtagsabgeordneter der Grünen, hat am Donnerstagabend gefordert, die Arbeiten für die zweite S-Bahn-Röhre in München einzustellen und aus dem Großprojekt auszusteigen. Bei einer Informationsveranstaltung räumte er im Saal des Bürgerhauses in Gröbenzell zwar ein, dass dann wohl bis zu drei oder vier Milliarden Euro in den Sand gesetzt würden, weil Firmen Schadenersatz geltend machen könnten. Aber ein Ende mit Schrecken sei besser als ein Schrecken ohne Ende. Wäre der Tunnel in zwei Jahrzehnten irgendwann fertiggestellt, würde sich für Tausende Pendler die Situation nicht wie erhofft verbessern, sondern verschlechtern, sagte er voraus.

Der Politiker erinnerte daran, dass der ehemalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) das Vorhaben schon mal fast "begraben" hätte. Laut Runge war das Desaster des angeblichen Leuchtturmprojekts absehbar. So hätten Fehleinschätzungen, Planungsfehler und ständige Umplanungen mit enormen Kostensteigerungen wie ein roter Faden das Projekt begleitet. Er wäre froh gewesen, wenn die Verantwortlichen schon vor 20 Jahren auf ihn gehört hätten und auf seine bisher rund hundert parlamentarischen Initiativen zum Tunnel eingegangen wären. "Meine Botschaften haben leider immer gestimmt", beteuerte er unter Berufung auf seine Fachkompetenz als ehemaliger Mitarbeiter eines Instituts für Verkehrswirtschaft, der Gutachten für solche Vorhaben erstellte. Aber die Befürworter wollten es nicht anders haben. Sie hätten keinen Kostenrahmen vorgegeben. Um ihre Ziel zu erreichen, seien immer wieder geschönte und gefälschte Kostenpläne, Lügen und Märchen sowie Mauscheleien bei der Planungsvergabe in Kauf genommen worden. Der Grüne zeigte sich zuversichtlich, dass angesichts der nun auf sieben bis 7,8 Milliarden geschätzten Kosten und der daraus resultierenden Kannibalisierung anderer Verkehrsprojekte in Bayern jetzt selbst in der CSU der eine oder andere Politiker zur Vernunft komme.

Wie der Tunnelkritiker erläuterte, sei das ursprünglich Ziele, auf den S-Bahnlinien den 10-Minuten-Takt einzuführen, längst aufgegeben worden. Zudem bringe ein fertiger Tunnel keineswegs die erhoffte Ertüchtigung der maroden S-Bahn. Dafür seien weitere Investitionen im gesamten S-Bahnbereich erforderlich. Dazu gebe es einen Katalog mit insgesamt 72 Infrastrukturmaßnahmen. Hier müsse man ansetzen, so Runges Fazit, und auch die Planungen für einen S-Bahn-Süd- und -Nordring reaktivieren.

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