Reisen:Der weite Weg zum Gutschein

Ende Juli will eine Gruppe aus dem Landkreis Freunde in Puchheims finnischer Partnerstadt besuchen. Doch ihre Reise verläuft anders, als geplant. Am Münchner Flughafen geraten sie in ein Chaos, und auch mit der zugesicherten Entschädigung klappt es zunächst nicht

Von Erich C. Setzwein, Germering

Es ist heiß und stickig an diesem Samstag im Juli, als die Schulferien beginnen und Tausende sich am Flughafen München auf ihren Abflug freuen. Auch die 16-köpfige Gruppe um die Germeringerin Ingeborg Keil ist gespannt auf die Reise nach Finnland. Nun sind die Teilnehmer schon lange keine Schüler mehr, die gleich nach der Zeugnisausgabe in die Ferien dürfen, sondern Frauen und Männer jenseits der Sechzig, die den kurzen Sommer in Skandinavien für einen lange geplanten Besuch nutzen wollen. Zwölf Tage wollen sie bei den Freunden von Puchheims finnischer Partnerstadt Salo bleiben und bis nach Karelien an der russischen Grenze fahren. Keil selbst ist 74 Jahre und organisiert die Reise für den Freundeskreis aus Puchheim, Germering, Gröbenzell und anderen Kommunen schon zum fünften Mal, und auch dieses Mal ist ihre Gruppe pünktlich am Flughafen. Alle haben ihre Tickets zu je 250 Euro, alle freuen sich auf den Flug mit der Lufthansa, der um 11.10 Uhr abheben soll.

Am Tag zuvor hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer der Passauer Neuen Presse ein Interview gegeben und über die deutschen Flughäfen gesagt: "Ich kann nicht akzeptieren, dass es so viele technische Probleme, Verspätungen und auch Abfertigungsprobleme gibt." Die Worte des Ministers waren gerade gedruckt und in alle Welt verbreitet, da passiert genau das, was Scheuer kritisiert. An dem Morgen, als die Finnen-Freunde auf Reisen gehen wollen, gelangt eine Frau unkontrolliert in den Sicherheitsbereich. Das Terminal 2 und dessen Satellitenterminal, wo die Lufthansa abfliegt, werden für alle Flüge geschlossen, die Reisenden müssen warten.

Chaos am Münchner Flughafen, 2018

Bis zu 32000 Menschen sind am 28. Juli am Flughafen München von einer Sicherheitspanne betroffen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Etwa 32000 Menschen sollen es gewesen sein, die auf den mehr als 300 Flügen zwischen Samstagvormittag und Sonntagnachmittag, als der Flugbetrieb sich langsam normalisiert, warten mussten. Und allen, das wird der Flughafen München zwei Wochen später ankündigen, hätten einen Anspruch auf einen 50-Euro-Gutschein. Auch Ingeborg Keil möchte für sich und die Reisegruppe solche Gutschein bekommen, doch so einfach wie sich die frühere Lehrerin und ehemalige Germeringer Stadträtin sich das vorgestellt hat, ist das nicht.

Denn in Zeiten, in denen möglichst alles bargeldlos und mit Codes, am besten nur noch mit einem smarten Gerät erledigt wird, kommen ältere Menschen, die noch die Post als Versandweg kennen und sich nicht auf Handy und Computer verlassen, schnell an ihre Grenzen.

Die 16 Gutscheine, die Ingeborg Keil und ihre Gruppe bekommen sollen, gehören zu den bislang 5483, die von Fluggästen des Juli-Wochenendes beim Münchner Flughafen angefordert haben. Bis Ende des Jahres gebe es noch die Möglichkeit, sich dafür zu registrieren, bestätigt ein Sprecher des Münchner Airports. Ein Gutschein habe einen Wert von 50 Euro, sei drei Jahre lang gültig und könne in allen Läden und Restaurants des Flughafens eingelöst werden. "Zum Beispiel vor dem nächsten Abflug." Bis Mitte dieser Woche hätten sich 1619 Menschen ihre Gutscheine abgeholt. Nur Ingeborg Keil hat noch keine.

Ingeborg Keil, 2018

Die Germeringerin Ingeborg Keil wollte mit einer von ihr organisierten Reisegruppe nach Finnland. Der Flughafen sagte als Entschädigung für jeden, der sich meldet, einen Gutschein zu.

(Foto: Matthias Döring)

Zwar hat auch ihr der Flughafen wie all den anderen eine Nachricht zum Abholen geschickt, doch konnte sie, obwohl sie von allen Mitreisenden das Einverständnis abgeholt und sämtliche Gutscheinnummern dabei hatte, ausgerechnet den mitgeschickten QR-Code nicht vorweisen. "Ich habe die Mail nicht ausgedruckt."

Die Mitarbeiter am Flughafen, die Ingeborg Keil als höflich und freundlich schildert, müssten aber diesen Code mit einem Lesegerät scannen, damit sie die Gutscheine ausgeben können, sagt der Pressesprecher. Und weil Ingeborg Keil kein Smartphone hat, auf dem dieser QR-Code auslesbar gewesen wäre, musste sie unverrichteter Dinge wieder heimfahren. Ihr Eindruck: "Sie wollen nicht."

Nächster Versuch. Keil möchte nun die Gutscheine per Post bekommen. Das aber, so teilt ihr der Kundenservice des Münchner Flughafens mit, gestalte sich "leider schwierig", da der Gesamtwert der Gutscheine 800 Euro betrage. Würde nun der Flughafen die Gutscheine mit der Post schicken, müsste der Versand versichert werden, "was aufwändig und teuer" sei, wie Keil beschieden wird. Und es heißt weiter: "Vor dem Hintergrund, dass jeder Gutscheinberechtigte zur Einlösung ohnehin zum Flughafen kommen muss, sehen wir die Abholung des jeweiligen Gutscheins auch nicht als großen Zusatzaufwand an." Das versteht die Germeringerin nun gar nicht, sie führt allein die 13 Euro für die S-Bahnfahrt, die jeder bezahlen muss. "Der Gutschein ist ja dann nur noch einen Bruchteil wert", antwortet sie den Flughafenmitarbeitern.

Der Pressesprecher räumt ein, dass das "dumm gelaufen" sei, das man das Problem aber lösen wolle. Es sei auch keinerlei Absicht dahinter, die Gutscheine nicht herauszugeben, wie Keil unterstellt hatte. "Es war kein Unwillen oder Versagen", lautet die Entschuldigung. Es kommt schließlich, wie es der Sprecher in Aussicht stellt: Ein Kurier bringt die Gutscheine zu Ingeborg Keil nach Germering.

Und die Finnland-Reise? Mit zwei Tagen Verspätung können Ingeborg Keil und ihre Gruppe endlich fliegen. Der Besuch in Salo und die anderen Programmpunkte verlaufen so, wie es Keil geplant hat. Nur der Versuch, die entgangenen Tage an die Reise anzuhängen und den Rückflug umzubuchen, scheitert, weil, so Keil, "die Lufthansa für die Umbuchung von jedem Teilnehmer 250 Euro verlangt hätte".

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