Reden wir über:Frauenhäuser mit Adresse

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Die Sozialpädagogin Ulrike Jurschitzka arbeitet seit zehn Jahren im Frauenhaus. (Foto: privat)

Ulrike Jurschitzka erläutert die Vorzüge des neuen Konzepts

Interview von Ariane Lindenbach

Jahrzehntelang hatte das Frauenhaus eine geheime Adresse. Das soll jetzt auf Wunsch der Betreiberinnen vom Verein Frauen helfen Frauen mit dem Umzug nach Germering anders werden. Wieso es aus dem Verborgenen geholt werden soll und wie das den betroffenen Frauen hilft, erläutert Ulrike Jurschitzka. Die Sozialpädagogin arbeitet seit zehn Jahren im Frauenhaus.

Frau Jurschitzka, wieso soll die Adresse des Frauenhauses genannt werden?

Die Geheimhaltung ist in der heutigen Zeit mit Internet und den ganzen Medien nicht mehr so möglich, wie man das früher machen konnte. Zudem haben wir mit dem Neubau die große Chance, in ein wirklich sicheres Haus umzuziehen.

Es ist also ein völlig neues Konzept. Was ändert sich dadurch?

Neu ist, dass es ein stark geschütztes Haus mit höchster Sicherheitsstufe ist. Es ist bekannt, die Anwohner wissen Bescheid, was dort passiert. Es gibt ein Besucherzimmer, die Frauen und Kinder können nun Besuche aus ihrem Umfeld bekommen. Das alles trägt dazu bei, dass man die Frauen aus der Tabuzone herausholt. Und dass das Thema Gewalt gegen Frauen, insbesondere häusliche Gewalt, in der Mitte der Gesellschaft ankommt.

Höchste Sicherheitsstufe, womöglich mit Panzerglas - das klingt nicht wirklich nach einer Verbesserung?

Nein, das Panzerglas nehmen die Frauen ja gar nicht so wahr. Und einen Sicherheitscode gibt es schon jetzt. Wir erleben seit Jahrzehnten, dass es für die Frauen sehr, sehr belastend ist, keinen Kontakt zu ihrem Umfeld zu haben, sich verstecken zu müssen. Viele Frauen schämen sich auch noch für das, was ihnen passiert ist, trauen sich gar nicht, darüber zu reden. Viele hier erleichtert es sehr, zu sehen: Ich bin nicht allein mit dem Problem. Dass die Frauen sich in dem neuen Frauenhaus mit ihrem Thema an andere Menschen, auch in ihrer Familie wenden können, sehen wir als große Chance.

Sie wollen also auf das Problem der häuslichen Gewalt gegen Frauen mit dem neuen Konzept mehr aufmerksam machen?

Ja, wir wollen das Problem der häuslichen Gewalt deutlicher machen. Es geht durch alle Schichten, es sind auch deutsche Frauen betroffen. Es kommen zwar oft Frauen mit niedrigerem Bildungsniveau zu uns, weil ihr Netzwerk nicht so gut ist. Aber statt findet häusliche Gewalt quer durch alle Gesellschaftsschichten.

Sehen Sie gegenüber den Siebzigerjahren Veränderungen bezüglich der Gewalt gegen Frauen?

Ob es mehr geworden ist, weiß ich nicht, weniger sicher nicht. Aber es ist bekannter geworden, dass es Hilfe gibt. Unsere Telefonnummer vom Frauenhaus war früher geheim, jetzt haben wir Visitenkarten, Flyer und Homepage, jeder kann hier anrufen. Jetzt gibt es auch ganz, ganz viele Präventionsprogramme. Heute, denke ich, kommen viele Frauen mit Migrationshintergrund hinzu, die von Gewalt betroffen sind. Definitive Zahlen habe ich nicht, aber mit Sicherheit ist die Gewalt gegen Frauen nicht weniger geworden.

Wieso kommt es nach Ihrer Meinung zu Gewalt zwischen Mann und Frau?

Es ist eine Machtfrage. Das hat auch nichts mit normalen Streitereien zu tun, das ist etwas ganz Absolutes. Egal, was die Frauen gemacht haben, es war immer falsch. Es gibt körperliche, psychische, sexualisierte und ökonomische Gewalt.

Wie schützen Sie die Frauen draußen?

Draußen, auf der Straße, ist das in der Regel nicht das Problem. Denn häusliche Gewalt findet meist im Verborgenen statt. So gibt es keine Zeugen, es steht Aussage gegen Aussage.

© SZ vom 13.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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