Reden wir über:Erzählungen aus der Kindheit

Jexhof Theaterstück Fremd. Sein. Heimat
(Foto: Privat)

Michaela Stögbauer spielt am Jexhof Theater

Interview von Ariane Lindenbach

Michaela Stögbauer steht an diesem Wochenende am Jexhof auf der Bühne in "Fremd. Sein. Heimat". Das Stück ist für die Schauspielerin, die mit ihrem Mann, dem Regisseur Rolf P. Parchwitz, in Schöngeising lebt, etwas Besonderes, denn ohne ihre Kindheitserlebnisse und Erzählungen der Großeltern aus der früheren Heimat Böhmerwald wäre die Geschichte eines Geschwisterpaares, das einen Koffer voller Erinnerungen der geflüchteten Verwandten erbt und in verschiedene Rollen schlüpft, nie entstanden.

SZ: Sie haben Verwandte im deutsch-österreichisch-tschechischen Grenzgebiet, die im Böhmerwald gelebt und ihre Heimat verlassen haben. Wie sehr hat sie dieser Umstand geprägt?

Stögbauer: Sehr. Meine Großeltern sind keine Flüchtlinge. Sie kamen aus wirtschaftlichen Gründen, vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie hatten ein Sägewerk, erst im Böhmerwald, dann im Bayerischen Wald. Aber sie haben immer die schönsten Geschichten von ihrer früheren Heimat erzählt. Und Geschwister von ihnen sind vertrieben worden, nach dem Zweiten Weltkrieg, 1946, vom Böhmerwald nach Österreich und Deutschland. Ihre eigentliche Heimat ist immer dort geblieben, in gewisser Weise haben sie sich in ihrer neuen Heimat nie zugehörig gefühlt. Ich bin mit meinen Großeltern im Weiler Rannasäge nahe Passau aufgewachsen, da gab es zwei Häuser. In einem haben wir gelebt, im anderen meine Großeltern. Die haben immer Geschichten vom Böhmerwald erzählt. Ich war dann später noch mal in Kaltenbach, bei Winterberg, wo meine Großeltern und ihre Geschwister herkommen. Und ich war überrascht, dass es nicht so schön ist, wie in den Erinnerungen meiner Verwandten.

Würde es das Stück ohne Ihren familiären Hintergrund überhaupt geben?

Nein, würde es nicht. Weil ich ja die Geschichten weiter erzählt habe, die meine Großeltern mir erzählt haben. Und die Leute haben immer gesagt, das musst du aufschreiben, das ist so interessant. Ich bin aber Schauspielerin, keine Schriftstellerin. Und so hat es 20 Jahre gedauert, bis ich Franz Csiky getroffen habe, der selbst ein Heimatvertriebener war, aus Rumänien. Leider ist er zwei Wochen, nachdem es fertig war, gestorben. Das heißt, er hat das Stück gar nicht mehr gesehen.

Franz Csiky hat also aus den Aufzeichnungen, die aus Gesprächen mit Verwandten stammen, ein Theaterstück gemacht?

Ich habe ihm das Manuskript gegeben, mehrere hundert Seiten, und er hat das gefressen. Er kommt aus Rumänien, ist unter Ceausescu geflohen und hat meine Aufzeichnungen sehr sensibel zu einem Stück mit aktuellen Bezügen zusammengefasst.

Wie viele Autoren durften sich davor schon daran probieren?

Es waren schon so an die zehn Stück.

Aktuell erstarkt rechtes Denken. War das für Sie Anlass, das Stück zu realisieren?

Das war es ursprünglich überhaupt nicht, aber dann überraschend doch. Denn als ich begann, die Erinnerungen meiner Verwandten, zum Beispiel der Geschwister meiner Großeltern, aufzuschreiben, war diese Entwicklung noch überhaupt nicht abzusehen. Und dann wurde vor drei Jahren dieses Flüchtlingsthema aktuell. Franz Csiky hat das sehr bedacht und gut umgesetzt. Ich spiele mich quasi selbst, Linda. Und ich frage mich selbst, wie hätten meine Großeltern reagiert und was geht wohl in den Menschen vor in der fremden Heimat. Da wird die Verbindung zur Gegenwart hergestellt.

Immer wieder schwärmen Sie von den Erzählungen ihrer Verwandten. Gibt es eine, die Sie besonders beeindruckt hat?

Da hat die Tante erzählt, wie nach dem Krieg die Amerikaner reinkamen und gefragt haben: Do you speak English? Meine Tante - die hat schon ein bisschen Englisch gelernt gehabt auf dem Gymnasium - hat geantwortet: "a little". Als die Amerikaner wieder draußen waren, sagt meine Großmutter zu meiner Tante: "Kind, man sagt nicht mehr Heil Hitler". Das hatte sie nämlich verstanden anstatt "a little".

Vor drei Jahren wurde das Stück am Jexhof uraufgeführt. Seitdem sind Sie damit durch Deutschland getourt. Wie reagieren die Zuschauer?

Man kann lachen, aber es macht auch sehr betroffen, manche haben geweint. In Untergriesbach, in der Nähe der Rannasäge, kam eine ehemalige Lehrerin: Mei, Michaela, so was Scheenes habe ich noch nie gesehen, hat sie gesagt.

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