Räumungsklage:Wegen Räumungsklage in die Oberpfalz

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Weil die Vermieterin eine Wohnung für ihren Sohn braucht, muss eine Frau nach 23 Jahren ausziehen - und wahrscheinlich zurück in ihre alte Heimat

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck/Gröbenzell

Jetzt also zurück in die alte Heimat. Der im nächsten Jahr bevorstehende Umzug von Marion Kölberl (Name geändert) in die Oberpfalz ist allerdings nicht freiwillig und schon gar nicht gewünscht. Die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin, Industriekauffrau und Buchhalterin aus Gröbenzell muss nach 23 Jahren aus ihrer Wohnung ausziehen. Wegen einer Räumungsklage der Vermieter. Und weil die 57-jährige Aufstockerin im Raum München seit dem Erhalt ihrer Kündigung vor einem guten Jahr keinen bezahlbaren Ersatz gefunden hat. Nun haben die Parteien vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck einen Vergleich geschlossen: Die 57-Jährige darf neun weitere Monate bleiben. Dafür verzichtet sie auf den Räumungsschutz.

Die in den vergangenen Jahren rasant gestiegenen Mieten haben drastische Folgen. Ein Vermieter, der seine Wohnung in den Neunzigerjahren noch zu D-Mark-Preisen vermietet hat, wie es im Fall von Kölberl ist, muss sich ganz zwangsläufig übervorteilt fühlen, wenn er registriert, dass er für das gleiche Objekt nach aktueller Marktlage ein Vielfaches bekommen könnte.

Ob derartige Überlegungen auch in Kölberls Fall eine Rolle gespielt haben, ist allerdings nicht belegt. Unstrittig jedoch ist, dass schon seit vielen Jahren bekannt war, dass der Sohn der Vermieterin eine Wohnung in dem Sechs-Parteien-Haus beziehen will, wenn er erwachsen ist. Darauf spielt Kölberls Rechtsanwalt an, als er im Gerichtssaal darauf hinweist, dass kurz vor der Kündigung seiner Mandantin zwei Wohnungen in dem Gebäude frei wurden, Ende 2016 und im Juli 2017 - also drei Monate vor der Kündigung der 57-Jährigen. "Wenn ich schon seit Jahren weiß, dass der Sohn da einziehen will, stellt sich schon die Frage, warum man diese Wohnungen nicht genutzt hat", moniert er. Und äußert den Verdacht, dass seine Mandantin "eine unliebsame Mieterin" sei, die man auf dem Weg der Räumungsklage bequem habe loswerden wollen. Am Rande erwähnt er die zuletzt spürbar gestiegene Zahl von Räumungsklagen.

"Die anderen Wohnungen wären nicht interessant gewesen", da der Sohn mit Terrasse und Garten wohnen wolle, erläutert die Vorsitzende Richterin. Als Kölberls Anwalt ergänzt, dass eine Wohnung im Dachgeschoss offensichtlich nur selten von der betreffenden Mieterin genutzt wird, betont die Richterin: "Die Vermieter sind nicht gezwungen, irgendeine Sozialauswahl zu treffen." Des weiteren, ergänzt der Rechtsanwalt der Vermieter, gebe es auch kein Gesetz, das Mieter zur regelmäßigen Nutzung ihrer Wohnung verpflichte.

"Fakt ist, meine Mandantin hat keine Ersatzwohnung", zielt Kölberls Rechtsvertreter erneut auf die Notsituation der 57-Jährigen ab. Doch so leicht lässt sich die Vorsitzende nicht zu einer gütlichen Einigung bewegen. "Das würde bedeuten, dass Eigenbedarfskündigungen im Großraum München nicht mehr möglich sind". Das akzeptiere sie nicht so einfach. Zumal die Gröbenzellerin mehr als ein Jahr Zeit zur Wohnungssuche hatte. Dem Anwalt zufolge wird die Wohnungssuche durch die Vorgaben des Jobcenters, auf das Kölberl als Aufstockerin angewiesen ist, deutlich erschwert: Als Alleinstehende darf sie im Raum München höchstens 50 Quadratmeter für maximal 550 Euro Kaltmiete beziehen, zudem will die Behörde den Mietvertrag vor der Unterzeichnung sehen.

Wie der Rechtsanwalt der Gröbenzellerin erläutert, hat die Hauswirtschaftsmeisterin anfangs nur im Raum München gesucht, inzwischen aber die Suche auf ihre Heimat, die Oberpfalz, ausgeweitet. Auch dort ziehen die Mieten spürbar an. Doch der Jurist ist optimistisch, dass seine Mandantin spätestens bis Ende September 2019 eine Wohnung finden wird, mit der dann auch das Jobcenter einverstanden ist. Wenn nicht, verspricht er im Gerichtssaal, werde die 57-Jährige eben wieder bei ihrer Mutter in die Wohnung in Neumarkt in der Oberpfalz einziehen müssen.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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