Fürstenfeldbruck:Kunst zum Zudecken

Fürstenfeldbruck: Der Quilt "Costa Azzura" von Heidi Förster aus Aschheim ist Teil der Ausstellung "Tradition bis Moderne XII - Quilts 2020 - 2022", die im Kunsthaus Fürstenfeldbruck zu sehen ist.

Der Quilt "Costa Azzura" von Heidi Förster aus Aschheim ist Teil der Ausstellung "Tradition bis Moderne XII - Quilts 2020 - 2022", die im Kunsthaus Fürstenfeldbruck zu sehen ist.

(Foto: Günther Reger)

Zum ersten Mal gastiert im Kunsthaus Fürstenfeldbruck Textilkunst, die Ausstellung "Tradition bis Moderne XII - Quilts".

Von Carim Soliman, Fürstenfeldbruck

Bei "Profile 9" gerät Barbara Lange ins Schwärmen. Manche Stücke seien in kreativer Hinsicht eine Herausforderung, andere handwerklich. "Hier trifft beides zu. Die Kurven hinzubekommen, ohne dass es sich wellt, ist enorm schwierig." Profile 9 ist ein Stück der Ausstellung "Tradition bis Moderne XII " der Patchwork Gilde. Vom 13. Mai bis zum 3. Juli gastiert die "Exzellenzschau für Textilkunst" im Kunsthaus Fürstenfeldbruck. Eine Premiere für die Kulturstätte, die zum ersten Mal Textilkunst beherbergt. Zu sehen sind rund vierzig "Quilts", aufwändig gefertigte Steppdecken.

"Quilts bestehen aus drei Lagen," erklärt Lange, die bis vor kurzem Vorsitzende der Patchwork Gilde war und als Redakteurin nun unter anderem den Internetauftritt des Vereins betreut. "Die Rückseite besteht aus weichem Stoff wie Baumwolle, die mittlere Schicht soll wärmen und besteht zum Beispiel aus Vlies. Die Außenseite, oder Top, ist das gestalterische Element und kann aus allem möglichen bestehen. Mit einem Steppstich werden die Lagen zusammengenäht." Manche der kleinteilig dekorierten Tops enthalten Plastikstücke, andere bemalten oder bedruckten Stoff. Das hängt von der Künstlerin ab - und davon, was sie mit ihrem Quilt vorhat.

Fürstenfeldbruck: "Sei Schonagon" von Gabi Fischer.

"Sei Schonagon" von Gabi Fischer.

(Foto: Günther Reger)

Im Gegensatz zu Gemälden können Quilts auch Gebrauchsgegenstände sein. Traditionell werden sie als Tages- oder Zierdecken benutzt, anderswo auch zum Schlafen. "In Deutschland haben wir eine ganz andere Schlafkultur als in den USA", sagt Lange. In den Vereinigten Staaten, das betont sie ausdrücklich, wurden Quilts zwar nicht erfunden. Die gäbe es seit Menschengedenken, "schon die Kreuzritter haben gepatcht." Aber in den USA blieb die Kunstform länger erhalten und wurde wieder populär. Die Amischen, eine traditionell lebende Glaubensgemeinschaft, hatten das Quilten aus ihren Heimatländern in Mitteleuropa mitgebracht. Durch die 200-Jahr-Feier der USA 1976 habe die Kunstszene die Steppdecken für sich entdeckt. Heute sei die Szene in den USA riesig, manche Stücke würden für fünfstellige Beträge gehandelt. Davon sei man hierzulande weit entfernt. Wie weit? "Sehr weit," lacht Lange.

Immerhin: Rund 6000 Mitglieder zählt Patchwork Gilde Deutschland, Tendenz steigend. 76 von ihnen haben eines oder mehrere ihrer Werke für die aktuelle Ausstellung eingesandt. "Tradition bis Moderne", kurz T-M, ist eine Reihe. Alle drei Jahre stellt der Verein eine neue Auswahl zusammen. Welche der Einsendungen es in die jeweilige Ausstellung schaffen, entscheidet eine dreiköpfige Jury aus namhaften Quilterinnen und Quiltern. Dabei folgen sie strikten Auswahlkriterien, fünf an der Zahl: Farbgebung, Design, Linienführung handwerkliche Verarbeitung und Gesamteindruck.

Fürstenfeldbruck: "Ouroboros" von Renate Schmidt.

"Ouroboros" von Renate Schmidt.

(Foto: Günther Reger)

Absoluter Favorit unter den Jurorinnen der aktuellen, zwölften Ausgabe der T-M war der Quilt "Blickstick" von Monika Flake. Er erhielt 75 Punkte, mehr geht nicht. Eher ein modernes Stück, erklärt Barbara Lange. Ganz wie der Name sagt, lassen sich Quilts grob in zwei Kategorien teilen. Traditionelle Quilts sind in der Regel größer und rechteckig, weil sie öfter als Decken genutzt werden. Die Farben sind erdig, enthalten viele Brauntöne. Geometrische Muster und kleinteilige Blumenelemente sind typische Designs. Moderne Stücke brechen alle Konventionen, sei es beim Zuschnitt, den Farben, Formen oder dem Material. Sie hängen meistens nur zum Bestaunen an der Wand.

Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Patchwork Gilde quiltet traditionell, sagt Barbara Lange. In der T-M landeten eher die modernen Hingucker. Dahinter steckten aber nicht unbedingt die Künstlerinnen, die man erwarten könnte. "Die 20-Jährigen machen alle traditionelle Quilts. Die mutigsten Stücke kommen von den 80-Jährigen. Denen ist scheißegal, was jemand denken könnte."

Ausstellung Ausstellung "Tradition bis Moderne XII - Quilts 2020 bis 2022", Kunsthaus Fürstenfeldbruck, bis 3. Juli, mittwochs bis sonntags von 13 bis 17 Uhr

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