Puchheim:Wiener Verhältnisse

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Die SPD wirbt auf ihrer Grundgesetzfeier für ihr Ziel "Wohnen ist Menschenrecht"

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Am 23. Mai wird die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland 70 Jahre alt. Die Brucker SPD-Kreistagsfraktion mit ihrem Vorsitzenden Peter Falk veranstaltete im Puchheimer Kulturzentrum (Puc) einen Festakt zu diesem Geburtstag, zu dem 150 Mitglieder und Besucher das Puc voll besetzten. Musikalisch umrahmt wurde der Abend durch das rein weibliche Streichquartett der Bayerischen Philharmonie. Die SPD konzentrierte sich dabei auf die Grundgesetzartikel 14 (Eigentum verpflichtet), 20 (Sozialstaatsgebot) und vor allem auf Artikel 15 des Grundgesetzes. Das hängt damit zusammen, dass die Partei im nächsten Kommunalwahlkampf das Thema "Wohnen ist Menschenrecht" im Landkreis setzen will. Dafür holte sich die SPD auch verbale Unterstützung aus Wien.

Christoph Maier, der SPD-Kandidat für die Landratswahl 2020, erinnerte daran, dass die Verfassung keine Wirtschaftsordnung vorschreibt und zitierte Artikel 15: "Grund und Boden . . . können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden." Für Maier steht fest: "Die Erwirtschaftung einer finanzkapitalistischen Rendite scheinen die Väter des Grundgesetzes nicht im Auge gehabt zu haben." Wenn Menschen auch im Landkreis 40 bis 50 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben müssten, gehe das zu Lasten von Gesundheit, Ernährung und Bildung. Maier bekannte sich ausdrücklich als "Freund der sozialen Marktwirtschaft", doch für den Bereich Wohnen konstatierte er ein "absolutes Marktversagen". Hier machte er "alles kleine Trumps" aus.

Zuvor hatte die eingeladene Wiener Aktivistin Karin Zauner dargestellt, wie durch staatliche und kommunale politische Intervention bezahlbares Wohnen durchgesetzt werden kann. 60 Prozent der Wiener wohnen und leben in einer Wohnung des kommunalen geförderten Wohnungsbaus mit Mieten von sechs bis acht Euro pro Quadratmeter. Der kommunale Wohnungsbau ist in der österreichischen Hauptstadt über hundert Jahre gewachsen. "Das ist ein großes Erbe, darauf sind wir sehr stolz", sagte dann auch Zauner, die Sprecherin einer europäischen Bürgerinitiative ist, die sich "Housing for all" nennt. Sie beklagte die weltweite Spekulation mit Grund und Boden. "Hedge Fonds, Banken oder Pensionsfonds kaufen im großen Stil ganze Stadtteile auf", kritisierte Zauner. Dem müsse man sich entgegenstellen. Wien würde jährlich 460 Millionen Euro in den Wohnungsbau investieren. Besonders von Deutschland forderte sie "Weg mit der Schuldenbremse." Die EU sei am Scheideweg. Zauner sicher: "Es muss sich etwas ändern in Europa, sonst wird Europa scheitern."

Verhältnisse wie in Wien würde sich auch Puchheims SPD-Bürgermeister Norbert Seidl wünschen. Puchheim hat eine eigene Wohnungsbaugesellschaft gegründet und hält immerhin über 200 Wohnungen in seinem Bestand. Die Stadt interveniere mit Vorkaufsrechten. Seidl ärgerte immer noch, dass der damalige CSU-Finanzminister Söder 2012 einer "Heuschrecke" 32 000 gemeinnützige Wohnungen des Freistaates, darunter auch welche in Puchheim, "hinterhergeworfen" hätte, "die man jetzt für den dreifachen Preis mühsam zurückkaufen muss". Man werde selbst weiterbauen in der Lochhauser Straße, Alpenstraße und anderswo. Dass man große Wohnungsbaugesellschaften enteignen will, so weit ging die SPD ausdrücklich nicht, auch wenn Maier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1967 zitierte, dass Grund und Boden nicht dem Spiel der freien Kräfte überlassen wollte, weil der "im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden" kann. So forderte Maier schließlich, dass der Gesetzgeber "gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften mit Wohnungen von privaten Investoren versorgen und den vorrangigen Zugang zu günstigen Grundstücken ermöglichen könnte".

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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