Puchheim:Verzerrtes Gründungsbild

Eine Ausstellung in Puchheim erinnert an die Gründung des Freistaats Bayern und an das Aufkommen des Faschismus. Den eindrucksvollen Bildern von Guido Zingerl stehen aber Texte gegenüber, die nicht den Stand der Forschung wiedergeben

Von Peter Bierl, Puchheim

Klar dass die Gründung des Freistaates Bayern vor 100 Jahren von der Regierung nicht gefeiert wird und die Landesausstellung sich dem Märchenkönig widmet. Konservative und Sozialdemokraten wollten lieber den König behalten, den verklärten Millibauern mit seinen Plänen von der Annexion Belgiens. Bayern wurde Republik, weil Kurt Eisner, ein libertärer Sozialist, unterstützt von Arbeitern und Soldaten, am 7. November 1918 eine Friedenskundgebung nutzte, um die Wittelsbacher-Monarchie zu stürzen. Umso lobenswerter ist, dass die Stadt Puchheim an dieses Ereignis mit einer Ausstellung im Kulturzentrum erinnert, auch wenn die Darstellung der Hauptfigur missraten ist.

Puchheim: Guido Zingerl beschäftigt sich in seinen Werken intensiv mit dem Ersten Weltkrieg und der Zeit danach.

Guido Zingerl beschäftigt sich in seinen Werken intensiv mit dem Ersten Weltkrieg und der Zeit danach.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Ausstellung in der Galerie des Puc besteht vor allem aus alten Fotos und Texten. Im Mittelpunkt stehen Werke des Künstlers Guido Zingerl, die alleine einen Besuch wert sind. Zingerl hat sich immer wieder mit Weltkrieg und Novemberrevolution auseinandergesetzt. Zu sehen sind Tuschezeichnungen aus seinem Zyklus "Große Amperlandschaft" von 1995. Eines zeigt Gaffer, die sich am Anblick kriegsgefangener Franzosen und Russen im Lager Puchheim aufgeilen, das andere erinnert an die Misshandlung und Ermordung von 53 russischen Kriegsgefangenen durch Regierungstruppen im Mai 1919. Zu sehen ist seine Votivtafel mit dem Titel "Kurt Eisner und der Schwarze Block", ein expressionistisches, buntes und ausdrucksstarkes Bild aus Acryl, Blattgold und Blattsilber auf Holzspanplatte aus dem vergangenen Jahr, das die Kommune heuer gekauft hat. Es ist ein Werk aus fünf Bildern, angeordnet in Kreuzform und erinnert an das Wirken und die Ermordung Eisners. Die Darstellung jenes Mobs aus Klerikern, Konservativen, Kapitalisten und Nazis verweist auf die Täter. Die von ihnen geschürte antisemitische und antikommunistische Stimmung führte zu den Massakern an mehr als tausend Menschen im Frühjahr 1919 in München und bereitete dem Faschismus den Weg.

Puchheim: Die Schau im Puc erinnert an 100 Jahre Freistaat Bayern.

Die Schau im Puc erinnert an 100 Jahre Freistaat Bayern.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Vor diesem Hintergrund sind manche Ausstellungstexte ärgerlich. Die Hälfte widmet sich dem Leben in Puchheim während des Ersten Weltkriegs. Dabei ist kaum Neues zu finden, außer etwa dem zusammenhangslosen Hinweis auf einen SPD-Ortsverein, der sich 1946 formierte. Ein Foto von der Einweihung des Kriegerdenkmals im Altdorf 1921 hätte den Hinweis vertragen, dass dieses Monument noch steht und mit NS-kompatibler Inschrift: "Helden gefallen im Ringen/um Deutschlands Ehre und Sein/Nie wird verklingen/Heilig soll er uns sein."

Puchheim: Die Ausstellung "Permanente Demokratie" wird noch bis zum 4. Oktober im Puchheimer Kulturzentrum zu sehen sein.

Die Ausstellung "Permanente Demokratie" wird noch bis zum 4. Oktober im Puchheimer Kulturzentrum zu sehen sein.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Über Eisner heißt es, dieser sei Anhänger von Kant, nicht von Marx gewesen, habe eine "lebendig-tätige Demokratie" und Reformen gewollt, bloß keine revolutionäre Umwälzung, keine Vergesellschaftung der Betriebe. Das grenzt an Geschichtsklitterung. Eisner versuchte eine Synthese zwischen Kantscher Ethik und Marxscher Ökonomiekritik, schreibt dessen Biograf Bernhard Grau. Die Broschüre zur Ausstellung haben die Macher aus dem Stadtarchiv zwar aus Graus Werk kompiliert, aber solche Differenzierungen fehlen. Was Eisner bekämpfte, war ein Vulgärmaterialismus, dem sich die SPD verschrieben hatte und der als Marxismus ausgegeben wurde. Eisner wollte sehr wohl die Wirtschaft vergesellschaften, hielt das aber Ende 1918 isoliert in Bayern für verfrüht. Auf der ersten Sitzung des Sozialisierungsausschusses am 22. Januar 1919 plädierte er deshalb bloß für eine Verstaatlichung von Banken, Schwerindustrie und Elektrizitätswirtschaft.

Das eigentliche Thema wird ausgespart, dass Eisner gegen eine SPD kämpfte, die den deutschen Angriffs- und Eroberungskrieg seit Sommer 1914 mit Leib und Seele unterstützte und ab November 1918 dafür sorgte, dass sich der schwarze Mob, den Zingerl malte, ungeschoren neu formieren konnte. Die Regierungstruppen und Freikorps, die den Anfang der Weimarer Republik in Blut badeten, handelten im Auftrag einer SPD-Regierung, wie der Historiker Mark Jones in einer aktuellen Studie einmal mehr belegt hat.

Ausstellung "Permanente Demokratie", zu sehen bis zum 4. Oktober im Puchheimer Kulturzentrum

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