Puchheim:Unter der Laterne

Sextetto Viscerial

Aus Argentinien nach Puchheim: Das "Sextetto Viscerial" ist bekannt dafür, den Tango einen Tick schneller zu spielen als üblich.

(Foto: Günther Reger)

140 Besucher hören erst Tango und tanzen dann selbst

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Um kurz nach 22 Uhr änderte sich die Tango-Szenerie im großen Saal des Puchheimer Kulturzentrums (Puc) rasend schnell. Das "Sexteto Visceral" aus Buenos Aires wurde nach zwei Stunden Tangokonzert mit großem Beifall verabschiedet. Die 140 Besucher schoben die Bistrotische an die Ränder des Saales und im Nu entstand eine große Tanzfläche. Alfredo Foulkes übernahm als DJ und legte argentinische Tangomusik auf. Sofort füllte sich die Tanzfläche mit Tangopaaren für die "Milonga", den Tango-Tanzabend. Foulkes, Gastgeber des Abends, leitet seit 17 Jahren die Gröbenzeller Tangoschule "El Farolito". Die meisten Tangopaare im Puc kommen an diesem Abend aus seiner Tanzschule. Viele kamen erst nach zehn Uhr für zehn Euro Eintritt gezielt zum Tangotanzen.

"Farolito bedeutet Straßenlaterne", klärte Foulkes auf. Tango wie unter einer Straßenlaterne in einem schummrigen Ambiente bot auch das Puc an diesem Abend. Dort waren rote Sofas und Sessel aufgestellt worden. Die Getränkebar befand sich direkt im Saal. "Tango ist Leidenschaft für mich", bekannte sich eine Münchnerin zu ihrem Hobby. Seit fünf Jahren tanzt sie argentinischen Tango. "Lebensart ist es auch", ergänzte ihr Partner aus Eichenau. Eine Frau aus Lochhausen schwärmte von zweieinhalb Wochen Tango, die sie in Buenos Aires erlebte. Tagsüber besuchte sie Tanzschulen, nachts von zwölf Uhr an wurde dann bis frühmorgens in den vielen Tangolokalen der argentinischen Hauptstadt getanzt.

So ein Tangoaufenthalt in Buenos Aires erfordert gute Kondition, ebenso der Abend und die Nacht in Puchheim, wo auch bis 1.30 Uhr getanzt werden durfte. Macher der Veranstaltung ist neben Foulkes Frank Wunderer. Er hatte das Tangosextett "Visceral" aus Argentinien nach Puchheim gelockt. Visceral bedeutet auf Deutsch "ungestüm". "Diese Profis spielen den Tango einen Tick frecher als die tradierten Orchester", erläuterte Wunderer. Sie würden die Extreme ausloten. "Das Tempo ist schärfer und die Musik bekommt dadurch eine enorme Frische." Der vorletzte Ton werde häufig so laut gespielt, dass der letzte gar nicht mehr zu hören ist und quasi wegfliege. Dadurch bekomme die Musik größere Spannung, so Wunderer. Der kontrastreiche Wechsel von acht Takten laut und dann wieder leise trage die Musik.

Natürlich sticht das geradezu klagend klingende Bandoneón, ein kleines Akkordeon ohne Knöpfe, das fast jedes Stück einleitet, als das typische Tangoinstrument bei der argentinischen Tangoband hervor. Doch alle Musikstücke sind so perfekt arrangiert, dass alle klassischen Tangoinstrumente Piano, Kontrabass, Gitarre, Cello und vor allem die Geige virtuos miteinander kommunizieren. Einige Male vervollkommnet Sänger Hernán Fernández den musikalischen Genuss.

"Die Vielfalt ihrer Musik fasziniert mich", meinte Wunderer noch, ehe er selbst sein Tango-Orchester "Improvis-Tango" auf der Bühne dirigierte. Frank Wunderer, 52, ist als Leiter des Streichorchesters "Bluestrings" und Tassilo-Preisträger der SZ von 2016 bekannt. Diesmal hat er zehn Musikerinnen und Musiker zusammengebracht. Vier Geigen und zwei Celli geben dem Orchester noch eine größere Wucht. "Diese Besetzung ist untypisch", so Wunderer, "funktioniert aber gut." Wohl wahr: Kaum legte "Improvis-Tango" los, strömten die Tänzerinnen und Tänzer wieder aufs Parkett. "Sexteto Visceral" sorgte dann für den ungestümen feurigen Abschluss.

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