Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Unrühmlicher Spitzenplatz

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Die Deutschen verbrauchen mehr als 240 Kilogramm Papier pro Kopf und Jahr. Mitglieder der Klimawache lenken den Blick auf die Werbungs- und Verpackungsflut und plädieren für einen effizienteren Einsatz

Von Amelie Sittenauer, Puchheim

"Diese Papierflut. Die Werbung, all die Verpackungen. Es kann so nicht weiter gehen, da muss endlich etwas gemacht werden!" Das sagt Marlies Lexow. Mit einer Klimawache am Puchheimer Bahnhof wollten Lexow und etwa 20 weitere Personen am Freitagabend auf die Papierverschwendung in Deutschland aufmerksam machen. Es ist bereits dunkel und der Weihnachtsbaum leuchtet durch den Novembernebel. Neben Lexow werden Schilder in die Höhe gehalten. Darauf stehen Slogans wie "Schenken mit Herz, Verpacken mit Verstand", "Papier: nur recycelt!" oder "Klimafreundlich schenken". Sie packe ihre Weihnachtsgeschenke immer in alte Kopfkissenbezüge, erzählt Lexow. Für jedes der Kinder, und jetzt auch der Enkelkinder, stickt sie dann den Namen drauf. So sei es nicht nur umweltschonend, sondern auch viel persönlicher.

Organisiert wird die Klimawache von der Klimaorganisation "Puchheim for Future". Am letzten Freitag eines jeden Monats sollen damit Politik und Bürger zu mehr Umweltschutz motiviert werden. Um Reisen, Heizen oder Mobilität ging es zum Beispiel schon. "Klar, die großen Klimaklopse liegen woanders vergraben", meint Organisator Michael Dippold mit Blick aufs Umweltthema Papier, "aber insbesondere vor Weihnachten ist das Thema Papierverbrauch eines, bei dem wirklich jeder und jede aktiv werden kann". Denn Deutschland ist weltweit Spitzenreiter beim Papierverbrauch. Der liegt so hoch wie jener von Afrika und Südamerika zusammengenommen. Jeder Deutsche verbraucht jährlich 241 Kilogramm. "Klimaschutz ist ein unpopuläres Thema, weil es alle trifft", sagt Dippold. "Puchheim for Future" wolle dennoch sowohl die politische Seite ansprechen, damit die Rahmenbedingungen geschaffen werden, als auch Bürgerinnen und Bürger in Puchheim. Die Kommunen seien in diesem Prozess ganz besonders wichtig, weil sie nah dran sind an der Basis: "Wenn die Kommunen beim Klimaschutz nicht zu Potte kommen, helfen auch keine bundesweiten Aktionen".

Auch Horst Kühnle möchte seine Unterstützung vor Ort kundtun. Er ist Mitglied beim Puchheimer Verein "Campo Limpo - Solidarität mit Brasilien" und weiß aus erster Hand, was die Versäumnisse bei der Klimapolitik in anderen Regionen der Welt zur Folge haben: "Das führt zu einer Abholzung des Küstenregenwaldes im Amazonas." Er versucht Papier zu sparen, indem er Blätter immer beidseitig bedruckt - und falls es irgendwo leere Rückseiten gibt, diese als Schmierblätter verwendet. Vor allem der Onlinehandel sei ein großes Problem, meint Kühle, weil er riesige Mengen Packpapier und Kartonagen mit sich bringe.

Hans Knürr, Wirtschaftsreferent und Grünen-Stadtrat, empfiehlt "ökologisch ökonomisch" zu handeln. Er ist zur Puchheimer Klimawache gekommen, weil er glaubt, dass besonders im Handel Papier durch nachhaltige Verpackung eingespart werden könnte. Bei den Demonstranten und Demonstrantinnen ist die Meinung einhellig: sie wollen nicht nur nachhaltig schenken, sondern ihre Weihnachtseinkäufe generell reduzieren. Man könne ja Wichteln, meint jemand, dann brauche es pro Person nur ein Geschenk. Das reiche auch.

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Quelle:
SZ vom 01.12.2020
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