Ein Rasseln füllt die große Halle im Tennisclub Puchheim an diesem Samstagnachmittag. Grund dafür sind die vielen Tennisbälle, die durch die Halle fliegen und über den Boden rollen. Es sind aber keine herkömmlichen Bälle, wie man sie vom Tennis kennt, sondern größere Schaumstoffbälle, die bei jeder Bewegung ein rasselndes Geräusch von sich geben. Sechs „Schnupperer“ sind da, beim ersten Tennistag für blinde und sehbehinderte junge Menschen des TC Puchheim in Kooperation mit der Jugendgruppe des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB). Obwohl das Alter der Teilnehmenden ursprünglich auf 35 Jahre begrenzt war, dürfen dann doch auch etwas ältere mitmachen.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde mit Trainerin Elke Happach und deren Unterstützerinnen machen sich die Teilnehmenden mit dem Equipment vertraut. Die Schläger werden zunächst betastet und auch die Bälle. Manche Teilnehmenden laufen am Arm der Trainerinnen das Feld ab, um ein Gespür für die Größe und Länge der Fläche zu bekommen. Als Orientierungshilfe werden beim Blindentennis die Linien mit fühlbarem Material abgeklebt – Happach nutzt dafür Klettbänder.
Zwei der Teilnehmenden sind vollblind und üben deshalb zunächst verstärkt am Boden. Mit den Trainerinnen, aber auch untereinander, rollen sie sich die Bälle mit den Schlägern zu, um durch das Rasseln per Gehör die Position der Bälle verorten zu können. Diejenigen mit einer Sehbehinderung, die den Ball teilweise optisch wahrnehmen können, spielen teilweise gegen die Wand und bald auch schon über das Netz. Es dauert nicht lange, bis die ersten weiteren Bälle fliegen. Da beim Tennisspielen auch Regeln beachtet werden müssen, zeigen die Trainerinnen die richtige Aufschlagtechnik.
Der TC Puchheim bietet unter dem Inklusions-Projekt „Tennis trotz“t“ Handicap“ seit letztem Jahr Blindentennis an. Happach, die das Projekt aufgestellt hat, berichtet von drei regelmäßig trainierenden vollblinden Spielern. Einige Trainer machten nun den Schein „Übungsleiter für Behindertensport“, sagt sie. Trainierende, die selbst Einschränkungen hätten, kämen zusätzlich bei Inklusionssportgruppen zum Einsatz. „Weil das die Hemmschwelle nimmt“, sagt Happach. Ihre Kollegin Alexandra Zanker, die selbst taub ist und eine Orthese trägt, trainiert regelmäßig Blinde und Menschen mit geistiger Behinderung.
An diesem Tag spielt sie selbst gegen zwei der Teilnehmenden. Kommunikation ist beim Blindentennis extrem wichtig. Deshalb ist das eine der ersten Lektionen beim Feldspiel. Jeder Aufschlag muss mit einem „Ready?“ angekündigt werden. Erst wenn der Gegenspieler oder die Gegenspielerin mit einem „Yes“ bejaht, darf der Aufschlag unter einem „Play!“ ausgeführt werden. Es dauert nicht lange, bis man von den ersten Teilnehmenden hört: „Ich schwitze schon.“
Zwischendrin gibt Happach Tipps zur Steuerung des Balls: Durch Drehung des Schlägers aus dem Handgelenk oder einer Körperdrehung lässt sich die Richtung des Balls steuern. Außerdem erklärt sie, wie man sich bei einem Double, zwei Spielende auf jeder Hälfte, zu koordinieren hat. Obwohl die meisten den Sport an diesem Tag zum ersten Mal testen, entsteht unter einigen schon bald ein flüssiges Spiel.
Lisa Rubin, Stadträtin und Organisatorin des Schnuppertages, macht selbst mit. Rubin sitzt auch in einem ehrenamtlichen Arbeitskreis des BBSB Jugend. Die 25-Jährige ist selbst vollblind und hat Blindentennis bereits im TC Puchheim ausprobiert. Sie fände es cool, heute selbst mitzumachen, man käme in Kontakt mit Gleichgesinnten und könne neue Leute kennenlernen, sagt sie. Dennoch bedauert sie, dass es generell zu wenig Angebote für blinde und sehbehinderte Menschen gäbe – nicht nur im Landkreis. „Es könnte mehr passieren, nicht nur im Sport.“
Eine Teilnehmerin ist extra aus der Nürnberger Gegend angereist – es sei von ihr aus das nächste Angebot gewesen, erklärt sie. Sie teste heute zum ersten Mal diesen Sport, würde aber wieder spielen, sagt sie. Schwierig sei es jedoch, den Ball erst zu hören und dann zu reagieren. Beim Spielen selbst sei die Kraft zwar da, aber diese zu dosieren fände sie ebenfalls schwierig. Sie sehe Blindentennis als gute Möglichkeit, mit einer Sehbehinderung Sport zu machen.
Aber auch ohne Sehbehinderung fällt es gar nicht so leicht, den Ball zu koordinieren – auch außerhalb des Feldspiels. Den Ball so auf die gegenüberstehende Person zu bringen, dass diese per Gehör den Ball verorten kann, ist gar nicht so leicht. Auch wenn man das Zuspiel nicht über den Schläger, sondern per Zuwurf ausführt. Genau einzuschätzen, wie man den Ball werfen muss, damit er in eine bestimmte Richtung geht, exakt zweimal aufkommt und dabei den richtigen Schwung hat, bevor er den Gegenüber erreicht, birgt so seine Schwierigkeiten, auch wenn die Entfernung nur wenige Meter beträgt. Dennoch ist bei einem Zuwurf die Genauigkeit besser, als beim Zuspiel mit dem Schläger.
Beim Blindentennis gilt dieselbe Zählweise wie beim herkömmlichen Tennis. Die aus Japan stammende Disziplin wurde 2016 in Deutschland eingeführt und richtet sich nach dem Sehvermögen der Spielenden. Der Deutsche Tennis Bund führt auf seiner Website die vier Klassen auf, in die die Spielenden je nach Sehfähigkeit eingeteilt werden. Ausschlaggebend ist dafür der sogenannte Log-Mar-Wert: je geringer der Wert, desto mehr Sehrest bleibt den Sportlerinnen und Sportlern. Vollblinde spielen mit einer Dunkelmaske, das Feld ist kleiner und das Netz niedriger. Außerdem sind, je nach Klasse, die Schläger kleiner und auch der Ball darf mehrmals vor dem eigenen Schlag aufspringen – bei vollblinden Spielenden bis zu dreimal.
Die Teilnehmenden haben an diesem Tag sichtlich Spaß. Gegen Ende der Veranstaltung spielen sie sogar ein Double untereinander. Damit das Projekt „Tennis trotz“t“ Handicap“ auch in Zukunft weiter angeboten werden kann, bräuchte es immer wieder Sponsoren, sagt Happach. Diese werden laut Website des TC Puchheim auch für behindertengerechte Umbaumaßnahmen gesucht.