Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Tabuzonen für Krähen

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Der Puchheimer Stadtrat stimmt für ein interkommunales Konzept, wonach die Vögel in drei Gebieten ungestört bleiben

Von Peter Bierl, Puchheim

Bei der Bekämpfung der Saatkrähen will Puchheim mit den Nachbarkommunen kooperieren. Der Umweltausschuss hat am Dienstag mit großer Mehrheit für ein gemeinsames Konzept gestimmt, das vorsieht, die Tiere in drei sogenannten Tabubereichen in Puchheim, Olching und Gilching in Frieden zu lassen, aber aus allen anderen Gebieten zu vertreiben, etwa von den Rändern des Schopflachwäldchens sowie vom Friedhof.

Seit 2008 nisten Saatkrähen in Puchheim im Schopflachwäldchen, drei Jahre später begann die Stadt auf Druck der Anwohner damit, die Tiere zu vergrämen. Die Saatkrähen vermehrten sich jedoch weiter und bildeten Splitterkolonien, wovor Experten von Anfang an gewarnt hatten. So entstanden Kolonien in Bruck, Eichenau, Germering, Gernlinden und Gröbenzell sowie Gilching. Manche verschwanden von selbst wieder, andere blieben.

Seit Anfang diesen Jahres versuchen die betroffenen Kommunen, ihre Aktivitäten zu koordinieren, statt sich die Saatkrähen gegenseitig zuzutreiben. Im Juli kam es zu einem Saatkrähen-Gipfel der Bürgermeister aus Eichenau, Olching, Gröbenzell, Gilching und Puchheim, Maisach war durch den Umweltbeauftragten vertreten.

Das Resultat ist ein Konzept, das vorsieht, die Saatkrähen sowohl im Schopflachwäldchen in Puchheim als auch in dem Waldstück an der Amper in Olching bei der Speedwaybahn in Ruhe zu lassen, ebenso die Kolonie in Gilching. Abgesehen von diesen drei Tabubereichen, wie sie im Konzept genannt werden, dürfen die Krähen vertrieben überall werden. Die Vertreter von Eichenau und Puchheim erreichten bei der Feinabstimmung im August, dass die jeweiligen Friedhöfe nicht tabu sind.

Im Ausschuss wurde sowohl über das interkommunale Konzept debattiert als auch mögliche Varianten dazu. Der Vertreter der Naturschutzabteilung der Regierung sprach sich nachdrücklich für die Kooperation aus. Wenn die Städte und Gemeinden einzeln die Saatkrähen vertreiben, sei das Ergebnis lediglich ein teures "Pingpong". Der Aufwand sei hoch, der Ertrag gering. Allein die Stadt Puchheim gibt im Jahr etwa 30 000 Euro dafür aus. Er warb dafür, zu akzeptieren, dass sich die Saatkrähen zu einer "Stadtart" entwickelt haben und es derzeit im Landkreis keine stabilen Kolonien im Außenbereich gibt.

Die Tiere würden sich weniger vermehren, wenn sie nicht oder kaum von Menschen gestört werden. Denn in solchen Fällen kämen jüngere Tiere überhaupt zu Eiablage und Brut. Obendrein ende die Belastung für Anwohner nach einigen Wochen, sobald die geschlüpften Krähen flügge sind. In Puchheim waren zuletzt etwa 400 Brutpaare gesichtet worden.

Trotz dieser Erkenntnisse blieb der Vorschlag von Max Keil (UBP), die Vögel einfach mal zwei bis drei Jahre in Ruhe zu lassen, im Ausschuss völlig chancenlos. Auch Michaela von Hagen (FW), die wie der Umweltbeirat der Stadt dafür plädierte, für ein bis zwei Jahre wenigstens darauf zu verzichten, die Tiere aus Randbereichen und vom Friedhof zu vertreiben, stieß auf keine Resonanz.

Insbesondere Vertreter von CSU, Grünen und SPD machten deutlich, dass die Saatkrähen nicht ungestört bleiben dürfen, wegen des Lärms für die Anwohner und dem Vogelkot auf dem Friedhof. "Wir können die Leute nicht einfach alleinlassen mit dem Problem", sagte Lydia Winberger (Grüne). Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) und sein zweiter Stellvertreter Thomas Hofschuster (CSU) wählten die Metapher eines Karussells mit vollen und leeren Plätzen. Die Sitze von Olching und Puchheim würden den Saatkrähen eingeräumt, während jene von Maisach, Gröbenzell und Germering leer blieben. "Ich tue mir schwer damit, denn wenn sich dieser Zustand stabilisiert, dann haben wir die Vögel auf Dauer", sagte Hofschuster. Auch seine Parteifreundin, die Fraktionsvorsitzende Karin Kamleiter, monierte, dass Gröbenzell und Eichenau keine Tabubereiche einrichten müssten.

Seidl votierte zwar für die Vertreibung der Tiere aus Randgebieten und vom Friedhof, warnte aber davor, dass "mehr Vergrämung" auch "mehr Vögel" bedeuten würde. In Gilching würden die Tiere kaum von der Kommune behelligt und die Kolonie sei stabil geblieben. Monika Dufner vom Umweltamt berichtete, dass man immerhin Randbereiche und Friedhof freigehalten und die Splitterkolonie aufgelöst habe. Besonders effektiv sei der Einsatz von Greifvögeln, hingegen könnte sie auf Birdgards, die Saatkrähen durch ihre Schreie abstoßen verzichten. Das Entfernen der Eier ist heikel, weil die Vögel mitunter nachlegen.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2021
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