Puchheim:Strategien gegen die Wohnungsnot

Puchheim: Große Runde: Die Zahl der Kandidaten, Experten und Moderatoren im Gemeindesaal von Sankt Josef übersteigt die Zahl der Zuhörer.

Große Runde: Die Zahl der Kandidaten, Experten und Moderatoren im Gemeindesaal von Sankt Josef übersteigt die Zahl der Zuhörer.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Vertreter von FDP und AfD plädieren bei einer Podiumsdiskussion für die Förderung des privaten Immobilieneigentums. Landtagskandidaten der anderen Parteien sehen das Heil eher im Geschosswohnungsbau

Von Karl-Wilhelm Götte

"Bis zu 200 Leute kommen heute zu einer Wohnungsbesichtigung in Puchheim", berichtet Laura Stieber, Geschäftsführerin der örtlichen Grundbesitzverwaltungsgesellschaft Harbeck und Stieber. Es ist dies Ausdruck der schwindelerregenden Realität am Wohnungsmarkt. Mieten teilweise weit jenseits der 15 Euro pro Quadratmeter oder 800 000 Euro für ein Reihenhaus: Darüber, dass das Thema Wohnungsnot und bezahlbarer Wohnraum bis hinein in die normal und gut verdienenden Gesellschaftsschichten in der Region München ein riesiges Problem ist, herrscht vor den Landtagswahlen auch bei den Direktkandidaten des Stimmkreises Fürstenfeldbruck-Ost Einigkeit. Deutlich wurde bei einer Veranstaltung in Puchheim, dass FDP und AfD in frappierender Übereinstimmung nicht für die Schaffung preiswerten Mietwohnraums plädieren, sondern das Eigenheim für alle anstreben.

Der Aufwand, den die Veranstalter vom katholischen Bildungszentrum Kardinal-Döpfer-Haus und Sankt Michaelisbund samt Mitveranstalter Brucker Forum an diesem Abend betreiben, ist enorm. Sieben Landtagskandidaten und drei Experten finden kaum Platz an den beiden Bistrotischen; zwei Moderatoren leiten das Gespräch der Veranstaltungsreihe "Das Kreuz vor der Wahl". Was die Politiker und Experten zu sagen haben, interessiert in Puchheim freilich kaum jemanden: lediglich neun Besucher sind in den Gemeindesaal von Sankt Josef gekommen. Dabei ist die Kontroverse zwischen den Eigenheim-Befürwortern und den Landtagskandidaten von SPD, Grünen und Linken, die eher staatliche Interventionen zur Schaffung bezahlbarer Mietwohnungen propagierten, durchaus aufschlussreich.

Auch der CSU-Kandidat Benjamin Miskowitsch aus Mammendorf befürwortet den Geschosswohnungsbau, "um junge Leute im Ort halten zu können." Miskowitsch, Favorit für das Direktmandat, legt sich fest: "Die Entwicklung muss weggehen von Reihenhäusern und Doppelhäusern." So sieht es auch der Gröbenzeller Landtagsabgeordnete Martin Runge (Grüne), der auf dem riesigen Gelände des Brucker Fliegerhorst, wo die militärische Nutzung in naher Zukunft ausläuft, möglichst wenig Gewerbe und dafür umso mehr preiswertes Wohnen haben möchte. Runge glaubt aber nicht an den freien Markt: "Mehr Wohnungen und Häuser haben zu höheren und nicht zu niedrigen Preisen geführt." Auch für den SPD-Kandidaten Peter Falk schafft der Markt keinen billigen Wohnraum. "In der Region München prosperiert das hochpreisige Segment", so Falk, der hofft, dass die Mietpreisbremse "geschärft wird" und weiterhin für eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft im Brucker Landkreis plädiert.

Hans Friedl (Freie Wähler), selbst Bauunternehmer, hadert mit der langsamen Bearbeitung seiner Bauanträge durch die Lokalbaukommission in München. Linke-Kandidat Jonathan Westermeier, der den Gemeindebau in Wien als Vorbild anführt, zitiert Artikel 106 der Bayerischen Verfassung: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Die Förderung des Bauens billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und Gemeinden." Westermeier nachdrücklich: "Es ist kriminell, dass nicht für jeden ein angemessener Wohnraum geschaffen wird."

Stadtrat Jean-Marie Leone (SPD), der am Expertentisch steht, beklagt die "extreme Gewinnmaximierung mit Wohnen in der Region München". Puchheims Wohnungsbaugesellschaft könne sich keine Grundstücke für 1600 Euro pro Quadratmeter leisten. Für den Starnberger Hochschullehrer Ingo Hahn (AfD), 47, der im Stimmkreis Fürstenfeldbruck-Ost kandidiert, ist die Sache einfach. Alle Familien, "die Kernzelle der Gesellschaft", so Hahn, sollen ein 100 000-Euro-Darlehen zu 0,5 Prozent Zinsen auf 30 Jahre erhalten, um Wohneigentum anzuschaffen. Der Eichenauer Ulrich Bode (FDP) plädiert ebenfalls fürs Prinzip "Eigentum für alle". Unterstützt werden AfD und FDP vom Münchner CSU-Landtagsabgeordneten Joachim Unterländer, der als Vorsitzender des katholischen Landeskomitees am Expertentisch steht und ebenfalls dem Wohneigentum das Wort redet.

Unterländer und Moderatorin Susanne Hornberger, Chefredakteurin der Münchner Kirchenzeitung, ernten Widerspruch, als sie arme Menschen, die sich Wohnraum nicht leisten können, als "sozial Schwache" bezeichnen. Falk widerspricht Unterländer vehement, als dieser "sozial Schwache" auch noch als "objektiven Begriff" und Synonym für Arme qualifiziert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: