Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Petition für barrierefreien Umbau

Halbzeitbilanz der Unterschriftensammlung: Mehr als 2200 Bürger fordern von der bayerischen Staatsregierung, den Puchheimer Bahnhof endlich behindertengerecht zu gestalten

Von Peter Bierl, Puchheim

Der Unmut über die bayerische Staatsregierung ist groß in Puchheim, weil der barrierefreie Umbau des Bahnhofs seit Jahren versprochen, aber immer wieder verschoben wird. "Es ist ein Skandal und eine Respektlosigkeit gegenüber Beteiligten und Betroffenen", schimpfte Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) auf einer Pressekonferenz. Der Behinderten- und der Seniorenbeirat sowie Vertreter der Parteien zogen Halbzeitbilanz einer Unterschriftensammlung. Mehr als 2200 Bürger fordern, dass die neuen Pläne sofort präsentiert und zügig verwirklicht werden.

Anlass für die Aktion war, dass das Verkehrsministerium im Mai der Kommune mitgeteilt hat, dass die Untersuchung über verschiedene Varianten des Umbaus erst im zweiten Halbjahr 2021 vorgelegt werde. Man wolle abwarten, wie die Machbarkeitsstudie zum drei- oder viergleisigen Ausbau der S 4 ausfällt. "Ein Gutachten jagt das nächste", kommentierte der Bürgermeister. Er forderte das Verkehrsministerium auf, endlich Verantwortung zu übernehmen und jetzt für eine menschenwürdige Mobilität zu sorgen.

2014 hatte das Ministerium dem Stadtrat mehrere Varianten vorgelegt, das Gremium votierte in Übereinstimmung mit den Beiräten für einen neuen Außenbahnsteig auf der Nordseite und den Umbau der Plattform auf der Südseite. Der Vorzug dieser Lösung besteht darin, dass Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollatoren, Kinderwagen oder schwerem Gepäck über kurze, flache Rampen auf die Bahnsteige gelangen. Aber die Oberste Baubehörde lehnte ab und favorisierte einen schmalen Fußgängertunnel unter den Gleisen mit Aufzug zum bestehenden Mittelbahnsteig.

In der Folge gab es Debatten zwischen den Beiräten und einem Stadtrat, dessen Mehrheit klein beigeben wollte. Der Seniorenbeirat warnte vor defekten Aufzügen und etwa 100 Meter langen Rampen in die Unterführung, wie dessen Vorsitzender Karl-Heinz Türkner wiederholte. Im Herbst 2018 protestierten elf Beiräte und Sozialverbände aus dem Landkreis, weil die Bahn nicht in der Lage war, kaputte Aufzüge in Gröbenzell, Olching, Gernlinden sowie Lochhausen zeitnah zu reparieren.

Schließlich gab das Ministerium nach und sagte zu, die Möglichkeiten erneut zu prüfen. Allerdings teilte der Leiter der Projektgruppe Bahnausbau München mit, der barrierefreie Umbau werde sich auf unbestimmte Zeit verschieben. Ursprünglich hatte es geheißen, auch mit Außenbahnsteig könnte der Umbau bis 2022 fertig werden. Überlagert wurde der Konflikt von der Frage des drei- oder viergleisigen Ausbaus der Bahnlinie, die Machbarkeitsstudie, die zum Jahresende vorliegen soll, dient als Argument für eine weitere Verschiebung. Der Vorsitzende des Behindertenbeirates rügte bei der Pressekonferenz ein "Manöver", um das Projekt zu verzögern. "Es muss lediglich ein Bahnsteig gebaut werden", betonte Richard Ullmann.

Zweiter Bürgermeister Thomas Hofschuster (CSU) mochte seinen Parteifreunden in München keinen Skandal anlasten. Er verwies jedoch auf die Behauptung des Ministeriums, der dreigleisige Ausbau der S 4, der längst geplant wird, solle "aufwärtskompatibel" für ein viertes Gleis ausfallen. Dann bestehe kein Grund für weiteres Abwarten beim barrierefreien Umbau.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2020
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