Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Mittlerin zwischen den Kulturen

Weil ihr irakischer Uniabschluss in Deutschland nicht anerkannt wird, dolmetscht Aveen Khorschied nun für die 130 Iraker, die nach Puchheim gezogen sind - und freut sich über ihren Erfolg.

Peter Bierl

Seit einigen Wochen ist Aveen Khorschied als Dolmetscherin in Puchheim ständig im Einsatz. Sie begleitet die neuen Bewohner der Planie, die aus dem Irak stammen und arabisch oder kurdisch sprechen, zu Behörden oder zum Arzt, übersetzt bei Beratungen im Mehrgenerationenhaus "Zap" oder vermittelt im Fröbelkindergarten und in der Grundschule Süd zwischen Lehrern, Schülern und Eltern.

Im Rathaus ist man froh, eine kundige Übersetzerin gefunden zu haben. Der plötzliche Zuzug von rund 130 Irakern bedeutet für die Kommune eine große Herausforderung. Immerhin hat das Schulamt kurzfristig zwei neue Übergangsklassen für Kinder und Jugendliche eingerichtet. Die kleineren Geschwister sind im Fröbelkindergarten.

"Es ist schwer für die Leute, die Kultur ist ganz anders, die meisten sind Analphabeten", erzählt Khorschied. Die 38-Jährige und ihr Mann stammen ebenfalls aus dem Irak und leben seit 2001 in Puchheim. Beide haben sich im Fröbel-Kinderhaus engagiert, den schon länger arabisch sprechende Kinder aus dem Irak und Nordafrika besuchen. Ihr Mann Hoschmand Aurahmann gehörte dem Elternbeirat an.

Aveen Khorschied spricht fließend Kurdisch, Arabisch und Englisch, Deutsch noch etwas gebrochen. Sie ist in Bagdad geboren und aufgewachsen und hat dort Mathematik studiert, diesen Beruf aber nie ausgeübt. Ihr Abschluss würde in Deutschland nur anerkannt, wenn sie noch drei Semester studieren könnte. "Mit zwei kleinen Kindern geht das nicht", sagt sie.

Korschieds Kinder besuchen die erste und dritte Klasse an der Grundschule Süd, wo nun auch die Iraker unterrichtet werden. Bei den Flüchtlingen handelt es sich um Menschen aus dem Nordirak, christliche Araber und jesidische Kurden, Anhänger einer eigenständigen monotheistischen Religion. Die Familien stammen aus einer Region, überwiegend seien es wohl Arbeiter. Die meisten kennen sich schon und wohnen jetzt in Puchheim in einem Häuserblock zusammen, erzählt Korschied, die selbst keiner Religionsgemeinschaft angehört. "Die brauchen ein bisschen Zeit, um sich einzugewöhnen und Deutsch zu lernen." Vor allem für die Frauen seien Deutsch-Kurse wichtig.

Sie hat diese Erfahrung schon hinter sich. Nach dem Studium arbeitete Aveen Khorschied einige Zeit für die UN und eine britische Hilfsorganisation im Nordirak, ebenso ihr Mann, der in Bagdad und an der TU-München Informatik studiert hat. Wegen der unsicheren Lage im Irak ging das Paar im November 2000 nach Deutschland. "Für meinen Mann und mich war es nicht schwer, uns einzugewöhnen in Puchheim, weil wir durch die Arbeit für die Hilfsorganisationen schon Kontakt mit anderen Kulturen und Mentalitäten hatten. Wir haben nette deutsche Familien kennen gelernt, die es uns leichter gemacht haben. Wir fühlen uns in Puchheim wie zu hause", erzählt sie.

Unglücklich ist Aveen Khorsschied darüber, dass weder sie noch ihr Mann ihren erlernten Beruf ausüben kann. Deshalb ist sie richtig dankbar, dass sie als Dolmetscherin arbeiten kann. "Die Atmosphäre im Kinderhaus, in der Schule, im Zap und im Rathaus ist schön und ich kann etwas für die Leute und für Puchheim tun."

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Quelle:
SZ vom 16.04.2011/feko
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