Puchheim:Mann entrümpelt

Der Tod in Venedig

So reduziert wie der Text ist auch die Bühne gestaltet. Maximilian Stresik schlüpft in die Rolle des Erzählers, Christoph Iacono begleitet ihn.

(Foto: Sabine Michalak/OH)

Das Bochumer Rattstr 5 Theater nimmt sich unter der Leitung von Hans Dreher "Der Tod in Venedig" vor

Von Zoe Englmaier, Puchheim

Es ist ein Wagnis, das aufgehen könnte. Dem wortgewaltigen Thomas Mann die opulenten Sätze in seiner Novelle "Der Tod in Venedig", so zurechtzusägen, dass sie das Publikum leicht und sofort versteht. Hans Dreher hat aus Manns Werk eine vereinfachte Theaterfassung gemacht, in dem er die komplizierten sprachlichen Konstruktionen und die vielen ausschmückenden Nebensätze ganz einfach strich. Ob dem Regisseur das gelungen ist, wird das Publikum am Samstag im Puchheimer beurteilen können, wenn es das Stück vom Bochumer "Rottstr 5 Theater" gesehen hat.

Thomas Mann beschäftigt sich in "Der Tod in Venedig" mit dem Konflikt zwischen menschlichen Gelüsten und gesellschaftlichen Werten. Eines Tages, so der Inhalt, beschließt der sonst so brave und selbstbeherrschte Gustav von Aschenbach, spontan zu verreisen. Er landet in Venedig und trifft in seinem Hotel auf den 14-jährigen Tadzio, den er als göttlich schön empfindet. Während der Protagonist stets nach der Nähe Tadzios sucht und seine einseitigen Gefühle und die damit verbundene Begierde stärker werden, breitet sich in Venedig eine tödliche Seuche aus. Die Behörden lassen die Bewohner in Unwissenheit, sodass sich Aschenbach an überreifen Erdbeeren infiziert.

Hans Dreher, 43, ist in Puchheim zur Schule gegangen. Damals las er Thomas Manns Novelle, die ihn faszinierte. Nach einigen Praktika im Münchner Residenztheater wechselte Dreher ins Bochumer Rottstr-5-Theater. "Was passiert wenn man Abgründe in sich selbst entdeckt", lautet die Kernfrage, die ihn an "Der Tod in Venedig" so gefesselt habe. Damit verweist er auf Aschenbach, der sich entgegen den Moralvorstellungen der Gesellschaft in einen minderjährigen Jungen verliebt. Anstatt sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen, gesteht er sich diese nicht ein. "Das ist ja gerade das Geniale an der Thematik: Wie sich Aschenbach selbst zerstört, spiegelt sich in Venedig wider, denn die Stadt zerstört sich selbst auch", sagt Dreher. So reißt die in der Novelle beschriebene unheimlich-schöne Stadt am und im Wasser den Protagonisten mit sich ins Verderben.

Aschenbach bleibt ungeachtet der sprachlichen Vereinfachung im Fokus des Theaterstückes. So werden der Protagonist und seine Persönlichkeitsveränderung intensiv betrachtet. Er habe zwar Adjektive und Nebensätze radikal entfernt, jedoch sei er inhaltlich der Novelle treu geblieben. "Ich musste es vereinfachen, sonst hat man als Zuschauer keine Chance, es zu verstehen. Ich habe auf die wesentlichen Aspekte der Geschichte gesetzt und die Essenz der Handlung beibehalten", erklärt Dreher seine Vorgehensweise. Die Fassung bleibt bewusst, wie die Novelle, in der dritten Person und ist als eine Nacherzählung konzipiert. "Hätte ich die vereinzelten Dialoge übernommen, müsste ich die großartigen Sätze von Thomas Mann verfälschen. Das wollte ich nicht." Trotzdem werde der Erzähler, Maximilian Stresik, auf der Bühne immer wieder Emotionen und Gefühle des Protagonisten darstellen, so der Regisseur. Christoph Iacono begleitet das Stück musikalisch und wird ab und zu als Dialogpartner mitspielen.

"Das Tolle an der Novelle ist, sie ist sehr diskret", so Dreher. Es gehe zwar um ein widriges, dunkles Gefühl, dass ein Mensch in sich entdecke und doch komme es nie zu körperlichen Begegnungen. Das alles spiele sich in Aschenbachs Kopf ab. So möchte das Stück darauf verweisen, "wenn man einen Abgrund in sich entdeckt, muss man sich dem stellen", meint Regisseur Hans Dreher.

Der Tod in Venedig, Samstag, 15. Dezember, um 20 Uhr, im Puc, Oskar-Maria-Graf-Straße 2, Eintritt: 19,70 Euro

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