Eigentlich wollte der Puchheimer Graffiti-Künstler Lando seinem Kumpel Chris Böhm nur einen Tisch in dessen Kneipe "Klenze 17" lackieren - als kleine Aufmunterung. "Er hat seinen Laden gerade erst renoviert und dann kamen der Lockdown und die Krise und es hat ihn zerlegt, auch psychisch. Also habe ich mir gesagt, er hat uns auch schon geholfen, also helfen wir jetzt ihm", erzählt Lando, der mit bürgerlichem Namen Melander Holzapfel heißt.
Während er also dabei war zu lackieren, fiel sein Blick auf die Bierdeckel und er erinnerte sich daran, dass beim monatlichen Graffiti-Stammtisch im Klenze 17 immer mal wieder der ein oder andere Bierdeckel angemalt worden ist. "Da habe ich mir gedacht, warum nicht professionell und sie für einen guten Zweck verkaufen. Also habe ich angefangen, die Idee zu spreaden, und es hat schnell über München hinaus Fahrt aufgenommen". Genauer gesagt haben 80 Künstler aus ganz Europa insgesamt 386 Bierdeckel für die Rettung des Klenze 17 gestaltet und an Lando geschickt. Mit der Verkauf haben Lando und sein Partner, der Emmeringer Fotograf und Filmemacher Michael Campos Viola, 5500 Euro für die Kneipe eingenommen.
Chris sei früher selbst Sprayer gewesen und die Kneipe schon immer sein großer Traum, erzählt Michael Campos Viola. "Wir Graffiti-Leute helfen uns alle gegenseitig. Es ist schwer zu beschreiben, was für ein Gefühl das ist, wenn es einem nicht nur finanziell schlecht geht. Er hat kurz vor dem Lockdown viel Geld aufgenommen und in den Laden gesteckt und plötzlich durfte er nicht mehr aufmachen. Da tut auch der mentale Support gut, zu sehen, dass man zusammensteht. Ich würde sagen, Chris ist eher ein Typ, der ein bisschen gröber ist, aber das hat ihn persönlich berührt", ergänzt Lando.
Verkauft haben Lando und Campos Viola die Deckel während des ersten Lockdowns über einen Onlineshop. Der Ansturm sei so groß gewesen, dass der Server zehn Minuten nach Eröffnung erst einmal in die Knie gegangen ist. Die ersten vier Wochen haben die Deckel 50 Euro gekostet, danach 25 Euro und zum Schluss je zehn Euro. "Es waren auch in der Szene bekannte Künstler dabei, für deren Werke man auch mal 1000 Euro bezahlt. Das haben die Leute auch gewusst und ihre Chance genutzt, so ein Kunstwerk für 50 Euro zu kriegen", sagt Lando.
Soziales Engagement ist den beiden Künstlern seit jeher ein großes Anliegen. Campos Viola etwa engagiert sich aktuell ehrenamtlich bei "Gauting live", einem Onlineprojekt, mit dem Künstler finanziell unterstützt werden. Lando ist Vorsitzender des Vereins zur Förderung urbaner Kunst, bei dem es nicht nur um die Kunst geht, sondern auch um die Einbeziehung und Unterstützung sozial Benachteiligter. "Wir sind da beide ähnlich gestrickt und haben uns auch so kennengelernt", sagt der Puchheimer. "Es ist einfach toll, Leute vor Freude weinen zu sehen, weil sie dank ein wenig kreativer Mühe ihre Stromrechnung bezahlen können. Das ist etwas, was einen tierisch bereichert."
Natürlich würden solche Projekte auch helfen, sich einen Namen zu machen, aber das sei ein positiver Nebeneffekt. Lando, der mit 13 Jahren angefangen hat zu sprayen und mit 15 das erste Mal von einem Jugendgericht zu Sozialstunden verurteilt worden ist, hat als Kind selbst erfahren, wie wichtig Unterstützung und Förderung sind. "Ich komme nicht aus den besten Kreisen und bin sozial schwach aufgewachsen. Uns hat damals eine Familie geholfen, in dem sie bei uns Gemüse eingekauft hat. Einfach aus sozialen Gründen. Das hat sich tief in mir verwurzelt und heute versuche ich, genau diese Einstellung weiterzugeben."