Puchheim:Kopfweh und andere Katastrophen

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Ziemlich realistisch sieht diese Kopfplatzwunde aus, die die Schülersanitäterin beim Übungstag in Puchheim behandelt. (Foto: Johannes Simon)

An der Realschule Puchheim üben Schüler aus ganz Bayern den Sanitätsdienst und lernen von Profis

Von Valentina Finger, Puchheim

Erst qualmt es nur im Hof der Realschule Puchheim, dann folgt eine Stichflamme. Es brennt, aber zu beunruhigen scheint das niemanden. Statt wegzulaufen sammeln sich alle um das Geschehen, das sich zwischen Rettungswagen und Feuerwehrautos abspielt. Dreiste Schaulustige sind die Jugendlichen allerdings nicht. Im Gegenteil: Die rund 250 Schülerinnen und Schüler aus ganz Bayern, die am Samstag zum Praxistag Schulsanitätsdienst zusammen gekommen sind, wollen nicht gaffen, sondern von den Profis lernen, wie man Anderen in brenzligen Situationen am besten hilft.

Seit 2012 wird der Praxistag jährlich von den großen Hilfsorganisationen in Bayern organisiert: vom Arbeiter-Samariter-Bund, em Bayerischen Roten Kreuz, von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, der Johanniter-Unfall-Hilfe und vom Malteser Hilfsdienst. Mit Puchheim als Veranstaltungsort fand er zum ersten Mal in Oberbayern. Zu verdanken ist das dem Engagement von Marc Andrée. Der Lehrer für Sport, Englisch und IT betreut an der Realschule nicht nur seit zwölf Jahren die "Schulsanis", sondern als Ausbilder auch Sanitäter jenseits des Schulalltags.

Aktuell machen 15 Puchheimer Realschüler beim Sanitätsdienst mit. Acht von ihnen waren am Praxistag dabei. Sie sind zwischen zwölf und 15 Jahre alt und teilweise schon rund zwei Jahre als Sanis aktiv. Einen eigentlich freien Samstag für die Fortbildung zu nutzen, finden die Nachwuchssanitäter nicht schlimm. "Es ist ja für eine guten Zweck und man lernt Sachen, die man vorher nicht wusste", sagt Justin Rodewald. Er und sein Mitschüler Markus Oberkofler wollen nach der Schule als Sanitäter zur Bundeswehr gehen. Eine Laufbahn als Rettungsdienstler könnte sich auch Moritz Leister vorstellen. Inspiriert wurden einige von ihnen durch Familienmitglieder: Samuel Pichels Schwester war ebenfalls Schulsanitäterin, der Vater von Max Kölsch ist Notarzt.

Wie oft Marc Andrée und seine Helfer in Puchheim ausrücken müssen, hängt von den Umständen ab. "Im Sommer gibt es mehr Pausenhofunfälle, in der Turnsaison mehr Sportverletzungen und wenn viele Schulaufgaben anstehen, klagen viele über Kopfschmerzen", sagt Andrée. Wirklich ernste Fälle müsse man an der Schule nur selten betreuen. Zu 90 Prozent gehe es um Bagatellen, wie Übelkeit oder Schürfwunden. Aber auch Knochenbrüche, allergische Reaktionen oder hyperventilierende Schüler seien dabei. Zum Teil werden die Sanitäter zwei Mal am Tag gerufen. Dass anschließend der Rettungsdienst vor der Schule vorfahren muss, passiere etwa alle zwei Wochen.

Mit Beschwerden aller Art umzugehen, das lernen die Schulsanitäter am Praxistag in den rund 20 Workshops. Darunter sind solche zum Verhalten im Katastrophenfall, zu Reanimation oder Drogenunfällen. Die einen üben den korrekten Einsatz eines Defibrillators, die anderen lernen, dass man mit einem Standard-Feuerlöscher nur zwölf Sekunden lang löschen kann. Wie man typische Schulverletzungen diagnostiziert, bringt Christian Geier den Teilnehmern seines Kurses spielerisch bei. Aus seinem Nagelbett klafft Blut, ein Schüler ist kreidebleich, ein anderer hat eine Platzwunde am Kopf. Doch was schmerzhaft aussieht, ist nur Farbe, Hautwachs und sogar Glanzgel als Schweiß aus der Dose. "Früher haben wir Zettel an die entsprechenden Stellen geklebt. Doch so werden die Übungen realistischer", sagt Geier.

Im Ernstfall zu wissen, was zu tun ist, gibt den Puchheimer Schulsanitätern ein gutes Gefühl. Raphaela Moser, die neben Sara Jokic neu im Team und eines der wenigen Mädchen bei den Schulsanis ist, kennt auch das Gegenteil. Vor zwei Jahren war sie in ein Busunglück verwickelt, bei dem sie selbst zum Glück nicht verletzt wurde. "Ich hätte den anderen so gerne geholfen, aber ich wusste nicht, wie", sagt Raphaela. Wie Sara hat auch sie deshalb den Wunsch, später Medizin zu studieren und Ärztin zu werden. Allein stehen die Puchheimer Realschüler mit ihren Zielen nicht da: Viele Schulsanitäter schlagen nach dem Abschluss die eine oder andere medizinische Laufbahn ein.

© SZ vom 27.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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