Puchheim:Handsame Doppelgänger

Puchheim: Puppenbauer und -spieler Joe Heinrich auf der Galerie im Puc.

Puppenbauer und -spieler Joe Heinrich auf der Galerie im Puc.

(Foto: Leonhard Simon)

Wie der Puppenspieler Joe Heinrich seine Figuren entwickelt, baut und bewegt, ist im Kulturzentrum Puc in der Ausstellung Querköpfe und Klappmaulhelden zu sehen.

Von Peter Bierl, Puchheim

Udo Lindenberg hängt lässig an einer Wand, ein fast lebensgroßer Marcel Reich-Ranicki im Engelskostüm sitzt bequem in einem Sessel. Beide gehören zu den Querköpfen und Klappmaulhelden, die derzeit das Puchheimer Kulturzentrum Puc bevölkern. Es sind Figuren des Puppenbauers und -spielers Joe Heinrich aus Landsberg, die in einer Werkschau präsentiert werden. Heinrich selbst gab dem Publikum bei der Vernissage am Sonntagabend einen Einblick in sein Können. Bekannt wurde Heinrich vor allem durch die Auftritte seine Markus-Söder-Puppe in der Sendung "Quer" des Bayerischen Rundfunks.

Zuerst hatte Heinrich Kommunikationsdesign studiert, ging dann bei einem Bildhauer in die Lehre und lernte an der Kunstakademie das Zeichnen mit der freien Hand, das er als Schlüsselqualifikation für den Puppenbau bezeichnete. Davon zeugen die Entwürfe, die in der Ausstellung zu sehen sind, dazu verschiedene Mund-Formen sowie Prototypen, Fotos und Videos, die den Weg von der Idee über die ersten Skizzen bis zur kompletten Puppe, der weit und aufwändig ist, nachvollziehbar machen. Denn jede Figur muss zweierlei vereinen, die organische Form und dreidimensionale Tiefe eines Wesens und im Inneren verborgen eine Mechanik, damit der Spieler das Kunstwerk auf der Bühne zum Leben erwecken kann, möglichst ohne dass Arme und Hände erlahmen.

Puchheim: Puppen gibt es in allen Variationen zu sehen. Sie sind oft Politikern und Promis nachempfunden. Dazwischen findet sich aber auch dieser Totenkopf.

Puppen gibt es in allen Variationen zu sehen. Sie sind oft Politikern und Promis nachempfunden. Dazwischen findet sich aber auch dieser Totenkopf.

(Foto: Leonhard Simon)

Anfangs verwendete Heinrich Latex für die Puppen, das Material hat allerdings den Nachteil, dass es irgendwann brüchig wird. Pappmaché sei eindeutig besser, weil es einfach ist, leicht zu verarbeiten und formbar, aber ausgetrocknet "schlagzäh" wird, wie Heinrich erklärte. Man könne jeden Korpus mit dem Bohrer bearbeiten oder Schrauben hineindrehen. Und die Farbe hält. Auch die Ausstattung stammt von Heinrich, die Außenhaut seiner Figuren fertigt er selber an, etwa aus Fleece, das er mit Nadel und Faden verarbeitet.

Ein Puppenbauer muss die Fertigkeiten eines Zeichners, Bildhauers, Schneiders und Feinmechanikers, also Kunst und Handwerk, vereinen. Auf der Galerie in Puchheim gewähren einige Puppen dank geöffneter Rückenpartie Einblick in ihr Innenleben und die komplizierte Mechanik.

Das Spiel selbst will erlernt sein, die Koordination der Bewegungen, dazu das Sprechen oder die Synchronisierung, wenn die Stimmen von anderen dazu kommen, wie bei den Söder- und Ilse-Aigner-Puppen im Fernsehen. Heinrich erläuterte dem Publikum die verschiedene Formen des Spiels, die Marionette im Unterschied zur Handpuppe, oder die japanische Tradition, das Bunraku, in der mehrere Personen eine Figur bewegen müssen.

Der Künstler warb dafür, überkommene Formen weiterzuentwickeln. Die Gretl als hausbackenes Mädchen sei out und müsse durch die selbstbewusste junge Frau ersetzt werden. Im Märchen sollten zeitgenössische Figuren der Popkultur auftreten, etwa Darth Vader aus der Star-Wars-Serie. Das in Deutschland verschwundene Format der Hans-Wurstiade, aus der das Kasperltheater hervorging, habe sich in England als Judy and Punch erhalten, mit Themen für Erwachsene, und sollte hierzulande wieder aufgenommen werden.

Die Werkschau sowie die Einführung von Heinrich sind ein starkes Plädoyer für das Puppenspiel. Er verbindet sie mit Politkabarett. Bei der Vernissage am Sonntag gab Heinrich das kurze Stück "Die Januar-Revolution oder wie die Ampel Bayern erobert" zum Besten, assistiert von Bürgermeister Norbert Seidl (SPD), der sein puppenförmiges Abbild selbst spielen durfte. Gestritten wurde in dem Einakter über die Ampel, wobei Markus Söder sich angesichts eines Hubert Aiwanger im SUV, der ohne Rücksicht auf Verluste über die Bühne brettert, am Ende davon überzeugen lässt, dass eine Ampel sinnvoll sein kann - wenigstens zur Regulierung des Verkehrs.

Die Ausstellung Querköpfe und Klappmaulhelden in der Galerie des Puc ist bis Sonntag, 26. Februar, zu sehen, geöffnet am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 8 bis 12 Uhr, am Dienstag von 14 bis 16 Uhr und am Donnerstag von 14 bis 18 Uhr.

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