Ursprünglich war es einmal ein Gewächshaus in einer Gärtnerei am Rand von Puchheim. Doch an diesem Sonntagnachmittag treffen sich dort sechs Dackel mit ihren Herrchen und Frauchen. Sie gehören alle zu einer Facebook-Gruppe, in der sich Dackelliebhaber aus München und Umgebung austauschen und zum Gassi gehen verabreden. Pandemiebedingt treffen sie sich an diesem Nachmittag nur in kleiner Runde, eine Stunde später kommt noch eine weitere Gruppe der Dackelfreunde. Sie alle, die Menschen wie die Tiere, sind zum ersten Mal in das umfunktionierte Gewächshaus gekommen, dessen Boden mit Rindenmulch bedeckt ist; an den Plastikplanen, die über das Rohrgestänge gespannt sind, zerrt gelegentlich geräuschvoll der Wind.
Die Hunde, fünf Kurz- und ein Langhaardackel überwiegend jüngeren Alters - die meisten wurden während der Pandemie angeschafft -, beschnüffeln sich und spielen miteinander, zunächst noch etwas zaghaft immer in Menschennähe. Es wirkt wie ein schon öfter geprobtes Begrüßungsritual. Derweil stehen die Menschen etwas unschlüssig umher, als würden sie noch austesten, wie sie sich in der neuen Halle am besten verhalten.
Barbara Pohl erzählt, dass sich die Dackelbesitzer normalerweise einmal in der Woche zum Spazierengehen in und um München treffen. Doch nun gibt es die neue Halle in Puchheim - ein Angebot, das die Besitzer der offenbar regenscheuen Jagdhunde einmal ausprobieren wollten. Wie Stefan Pokorny erläutert, der schon mit Dackeln aufgewachsen ist und sich selbst als "Papa von Betty" vorstellt, da man ja als Hundebesitzer die Namen von Gleichgesinnten selten kenne, wohl aber die der jeweiligen Vierbeiner, sind die auch Dachshunde genannten Tiere auf Eigenständigkeit gezüchtet; sie sollen bei der Jagd selbst entscheiden können.
In ihren heutigen Lebenssituationen, wo die Ursprungsbestimmung nur noch selten vonnöten ist, halten die eigenwilligen Dackel allenfalls Frauchen und Herrchen auf Trab - was die in Puchheim Anwesenden allerdings allesamt bewusst so gewählt haben. Pokorny erzählt - nicht ohne einen gewissen Stolz - dass seine Betty mit ihren kurzen Beinchen demonstrativ einen Bogen um jede Pfütze macht. Auch wenn wenige Meter dahinter der See beginnt, in den sie regelmäßig hineinspringt. "Das sind echte Alpha-Tiere", unterstreicht er. Und Pohl ergänzt: "Ich habe meiner Abby extra ein Planschbecken angeschafft. Aber sie geht nicht hinein." Pohl und ihr Mann leben in der Nähe von Freising, in Dietersheim. Zu den Treffen kommen sie regelmäßig, "damit sie jemanden zum Spielen hat, sich mal bewegt und ein paar Kontakte knüpft", erklärt Pohl. Für sie ist es der sechste Dackel in den letzten 50 Jahren.
"Entstanden ist die Idee für eine eigene Halle für Hunde im Grunde aus unserer eigenen Problematik heraus mit unserer Jagdhündin", berichtet die Betreiberin der Halle, Christa Köppl. Wenn der Jagdtrieb erwacht, ist das Tier nicht mehr abzurufen. Neben der Schwierigkeit, den Hund wiederzufinden, drohten unter anderem die Gefahr, dass er von einem Jäger erschossen oder auf die Straße läuft und überfahren wird, erläutert sie. Auf Facebook bietet sie das ehemalige Gewächshaus als "Spielraum für Menschen und Hunde" an, eine Stunde in der vor Wind und Wetter geschützten Halle kostet Einzelpersonen 25 Euro, kommt eine Gruppe wie an diesem Sonntagnachmittag sind es 35 Euro. "Durch meinen Beruf als Hundefriseurin habe ich erfahren, dass es viele Hunde mit ähnlichen Problemen gibt." Da die Gärtnerei ohnehin mangels Arbeitskräften nicht mehr voll genutzt werden kann, beschloss die Puchheimerin mit BWL-Studium und Berufserfahrung als Industriekauffrau, das Areal am Rauscherweg teilweise umzufunktionieren. Etwa ein halbes Jahr dauerte der Umbau, bei dem der Boden ausgetauscht und Wasserleitungen sowie ein Öltank entfernt werden mussten. Nun bedecken unbehandelte Holzschnitzel den Holzboden. Der sei für die Hunde gut verträglich und deren Hinterlassenschaften darauf leicht zu entsorgen, berichtet Christa Köppl.
Vergleichbares gibt es nach Köppls Wissen im Raum München nicht. Allenfalls die Hundespielwiese "Leinen los" im Osten der Landeshauptstadt. Dort können Hunde unter Aufsicht von Trainerinnen auf 3500 Quadratmetern eingezäunter Freifläche toben und soziale Kontakte pflegen. Mit ihrer Halle, deren Seitenwände sich komplett öffnen lassen, habe sie bewusst einen Ort schaffen wollen, an dem Hunde mit besonderen Bedürfnissen unabhängig von Wind, Wetter und der Tageszeit mit ihren Menschen toben und spielen oder auch trainieren können.
Den Dackelliebhabern ist es das Geld auf jeden Fall wert, auch wenn sie nach der ersten Viertelstunde hemmungslosen Tobens gerade nicht so recht wissen, was sie in der mollig warmen Halle anfangen sollen. Petra Lippl, Köppls Mutter, die die Dackelgruppe empfangen hat und nun betreut, holt eine blaue Röhre aus Stoff aus einer Ecke hervor und bietet sie den Hunden zum Spielen an. Neugierig nähern die sich dem flexiblen, blauen Etwas. Die beiden forschesten kommen ihm nah genug, um es zu beschnüffeln. Ein vorwitziger dunkler Dackel wagt sich schließlich, motiviert von den freundlichen Worten seines Frauchens, einmal durch das Innere der Röhre. Schon folgt ihm ein zweiter, bald ein dritter: der blaue Stofftunnel ist jetzt der Anziehungspunkt in der Halle für die jungen Vierbeiner.
Nach der Stunde sind sich die Dackelfreunde jedenfalls einig, wie Köppl berichtet: "Der Dackelclub war ganz begeistert und plant schon den nächsten Besuch."