Puchheim:Hohe Kinderarmut

Sachsen bei Bildungsstudie erneut Klassenprimus

Seit Herbst 2018 bekommen Erstklässler bedürftiger Familien von der Stadt einen Schulranzen.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Laut Sozialamt ist die Quote doppelt so hoch wie im bayerischen Durchschnitt. Betroffen ist vor allem der Nachwuchs von Alleinerziehenden, Erwerbslosen, Geringverdienern und Großfamilien

Von Peter Bierl, Puchheim

Die Kinderarmut in Puchheim ist doppelt so hoch wie im bayerischen Durchschnitt. Das geht aus einem Bericht des Sozialamts der Stadt hervor. Über die Ursachen könne man nur spekulieren, sagt Verena Weyland, die für Integration, Senioren und Inklusion zuständig ist. Fest stehe der Zusammenhang mit der sozialen Lage der Familien, wenn Eltern erwerbslos oder alleinerziehend sind oder es sich um große Familien handelt. Die Kommune versucht zu helfen, etwa mit einem kostenlosen Schulfrühstück.

Die Zahlen, die Weyland im Sozialausschuss präsentierte, sind alarmierend. In Bayern sind 6,1 Prozent der Kinder von Armut betroffen, bundesweit sind es 13,3 Prozent. In Puchheim erhalten 16,1 Prozent der Kinder unter 15 Jahren und 9,4 Prozent der 15- bis 17-Jährigen Sozialhilfe. Im Landkreis liegen die Quoten bei 7,2 und 4,7 Prozent. Dazu kommt eine vermutlich hohe Dunkelziffer. So gelten in Bayern weitere 16,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen als armutsgefährdet. Wie groß diese Gruppe in Puchheim ist, kann Weyland nicht sagen. In diese Kategorie fallen alle Menschen, die zwar Sozialhilfe in Anspruch nehmen könnten, es aber aus verschiedenen Gründen nicht tun. Weyland verwies auf Untersuchungen, wonach 80 Prozent der Betroffenen gar nicht wissen, dass sie einen Anspruch auf Sozialhilfe haben oder dass sie zu dieser Gruppe gehören. Eine Maßnahme der Stadt Puchheim ist deshalb, in diversen Beratungsstellen mutmaßlich Betroffene aufzuklären.

Weyland mag über Gründe der hohen Kinderarmut nicht spekulieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich unter den Kindern und Jugendlichen viele Migranten und Flüchtlinge befinden. In dieser Gruppe finden sich viele Eltern, die erwerbslos sind oder im Niedriglohnsektor arbeiten. Auch die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld mit sechs Prozent und der Sozialhilfeempfänger mit mehr als sechs Prozent sind in Puchheim fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt des Landkreises. Diese Daten stammen aus dem Sozialbericht der Stadt und dem Sozialatlas 2018 des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt. Armut bedeutet in der Bundesrepublik, dass Menschen sich bei Essen und Trinken, Kleidung und Wohnen einschränken müssen. Sie ernähren sich schlechter, sind öfter krank und ihr Zugang zu Bildung und Kultur ist eingeschränkt. Das beeinträchtigt die Kinder in ihrem weiteren Leben. Deshalb ist Prävention so wichtig.

Weyland spricht von einem "Teufelskreis". Wenn Menschen geringe Qualifikationen haben, sind ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und damit ihr Einkommen schlechter. Ihren Kindern droht ebenfalls ein Leben in Armut. Weyland zitierte eine Untersuchung aus Schleswig-Holstein, die zeigt, dass es arme Kinder schon in der Schule schwerer haben. Demnach lagen die Ausgaben einer Familie für ein Schulkind 2016 im Schnitt bei knapp 1000 Euro. Die 20 Prozent der reichsten Eltern investierten sogar 2400 Euro in ihre Sprößlinge. Als Minimum gelten 415 Euro. Für Kinder mit Sozialhilfe stehen dagegen nur 150 Euro zur Verfügung.

Die Stadt Puchheim bemüht sich deshalb seit Jahren um eine gezielte Unterstützung. So gibt es an der Grundschule Süd seit 2011 an fünf Tagen in der Woche ein Schulfrühstück, für das die Eltern nur einen Euro in der Woche bezahlen müssen. Die Zahl der Teilnehmer schwankt zwischen 20 und 25 Kindern. Das Projekt wird vom Förderverein der Grundschule Süd getragen und vom Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband gefördert. Fünf Ehrenamtliche betreuen die Kinder.

Im Herbst 2018 startete außerdem das Projekt Schulranzen. Die Erstklässler bekommen einen Ranzen mit Material. Im vergangenen Jahr bekamen sechs Kinder von Flüchtlingen dieser Erstausstattung, so Weyland. Auf Antrag der SPD investiert die Stadt seit 2010 weitere 100 000 Euro in den Kindergärten, um zusätzliche Angebote im Bereich Naturwissenschaften, Technik, Musik, Sprache, Ernährung, Bewegung und Natur zu finanzieren. Außerdem gibt es das Projekt "Kikus", etwa im Kinderhaus am Fröbelweg. Dabei können Kindern, die mit einer anderen Muttersprache aufgewachsen sind, ihr Deutschkenntnisse verbessern. Der Schwerpunkt liegt nach Angaben von Weyland auf der Vermittlung der gesprochenen Sprache, was Kindern sowohl Kontakte als auch das Verfolgen des Unterrichts erleichtert.

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