Puchheim:Streit um Greensill-Debakel

Lesezeit: 2 min

Unabhängige Institution: Der Stadtrat von Puchheim hat die Landesanwaltschaft eingeschaltet. (Foto: Jakob Berr)

Der Bürgermeister sieht sich als entlastet, andere sehen "Anhaltspunkte" für Fehler, die zum Verlust von zwei Millionen Euro geführt haben.

Von Peter Bierl, Puchheim

In Puchheim wird weiter gestritten, wer für das Greensill-Debakel verantwortlich ist. Die Bankpleite im Frühjahr 2021 hat die Kommune zwei Millionen Euro gekostet. Der Stadtrat ist gespalten, die Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Bürgermeister und Kämmerer wurden nicht einstimmig beschlossen. Jetzt sollen die Kommunalaufsicht im Landratsamt sowie die Landesanwaltschaft entscheiden.

Grundlage für die Debatte und die Beschlüsse in einer nichtöffentliche Sondersitzung, die fünf Stunden dauerte, waren Gutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes (BKPV) und einer Anwaltskanzlei, die allerdings unterschiedlich interpretiert werden. Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) betrachtet sich als entlastet. "Es liegt keine Pflichtverletzung von mir vor, was die Schwere der Vorwürfe betrifft", sagt Seidl. Auch in Bezug auf den Kämmerer sieht der Bürgermeister "jede Menge entlastender Aspekte". Widerspruch kommt von CSU und FDP.

Dominik Schneider (CSU) zitiert aus dem Beschluss des Stadtrates, demnach lägen "zureichende Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen des ersten Bürgermeisters vor", deshalb empfehle das Gremium die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Sollte die Kommunalaufsicht zu einer ähnlichen Bewertung gelangen, würde sie bei der Landesanwaltschaft ein Verfahren beantragen. Der Umweg ist notwendig, weil ein Bürgermeister als direkt gewählter Amtsträger eine Art Immunität genießt. Bei Kämmerer Harald Heitmeier hat der Stadtrat gleich direkt die Landesanwaltschaft angerufen.

Verweis auf Entscheidungskette

Schneider verweist auf die Entscheidungskette, die von der Kassenverwaltung über den Kämmerer zum Bürgermeister führt, der die politische und rechtliche Verantwortung trage. Finanzreferent Martin Koch (FDP) betont zwar, er wolle als Nichtjurist keine Bewertung abgeben. Auch er sieht jedoch "Anhaltspunkte" dafür, dass Bürgermeister und Kämmerer "einen Fehler gemacht haben könnten". Die Bewertung im Stadtrat sei zwar "nicht einheitlich, aber mehrheitlich" ausgefallen.

Ähnlich argumentiert die CSU-Fraktionsvorsitzende Karin Kamleiter: eine Pflichtverletzung stünde zumindest im Raum. Sie verweist darauf, dass die Anwaltskanzlei die disziplinarrechtliche Vorgehensweise empfohlen habe. Sie berichtet, dass auch die Abmahnung eines Mitarbeiters in der Kassenverwaltung aufrechterhalten geblieben sei. Der Vorwurf steht im Raum, die Verlängerung der Anlage bei Greensill sei nicht korrekt abgesprochen worden.

Umstrittene Richtlinie

Umstritten ist auch die Richtlinie, auf deren Grundlage die Geldanlage vorgenommen wurde. Während der Bürgermeister sich durch die Gutachten darin bestätigt sieht, dass die Richtlinie inkonsistent gewesen sei, beharren Koch und Kamleiter darauf, dass diese korrekt war. Die Anwaltskanzlei habe "klar festgestellt", dass die Richtlinie den Grundsatz "Sicherheit vor Ertrag" sowie ein Rating enthalte.

Schneider spricht von "politischen Nebelkerzen". Zwar könne man jede Richtlinie verbessern, aber das habe nichts mit Greensill zu tun. "Die Richtlinie ist von der Verwaltung erarbeitet und vom Kämmerer dem Stadtrat vorgelegt worden." Wären Bürgermeister und Kämmerer den Vorgaben gefolgt, "hätte man das Geld nicht bei einer Privatbank anlegen dürfen", sagt er.

Seidl verweist darauf, dass der Stadtrat die Richtlinie inzwischen außer Kraft gesetzt hat. Er habe auch dafür gestimmt, weil sich die Regelung nicht bewährt habe, wie der Fall Greensill zeige, sagt Finanzreferent Koch dazu. Dennoch meint der FDP-Stadtrat: "Die Richtlinie war gut, aber man hat sich nicht zu 100 Prozent daran gehalten. Es war ein Verstoß."

Zufrieden scheinen alle, dass mit Kommunalaufsicht und Landesanwaltschaft nun zwei unabhängige Institutionen entscheiden. "Ich bin froh, dass der Beschluss so gefasst wurde", sagt Schneider. Ähnlich hatten sich die stellvertretenden Bürgermeister Manfred Sengl (Grüne) und Thomas Hofschuster (CSU) geäußert.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: