Übung:Rettung aus dem siebten Stock

Puchheims Feuerwehr übt schwierigen Einsatz: Feuer in einem Hochhaus der Planie. Der Hintergrund dafür: Immer wieder brennt es in dem Viertel

Von Peter Bierl, Puchheim

"Mayday, mayday", schallt es aus dem Sprechgerät, das der Einsatzleiter um den Hals gehängt hat. Ein Feuerwehrmann ist in der Wohnung im siebten Stock zusammengebrochen, er hat sich anscheinend eine Rauchvergiftung geholt, als er den Brand löschen wollte. Ein Rettungstrupp muss ihn bergen. Seine Kameraden haben unterdessen einen bewusstlosen Bewohner auf eine Bahre geschnallt und hieven diesen über den Balkon auf den Korb der Drehleiter. Wenige Sekunden später wird der Verunglückte unten am Boden von einem anderen Trupp übernommen, der die Bahre in ein Rettungszelt trägt. Passiert ist beiden Opfern nichts, denn es handelte sich um Puppen. Die Bergung aus luftiger Höhe und durchs Treppenhaus waren Teil einer Übung der Puchheimer Feuerwehr am Montagabend in der Planie. Erstmals konnten die beiden Wehren der Stadt einen solchen Einsatz in einem der Hochhäuser des Viertels ausprobieren.

Das Szenario für die Übung sieht vor, dass jemand gegen 19.15 Uhr einen Notruf bei der Feuerwehr absetzt, wonach in dem Hochhaus eine hilflose Person in einer Wohnung festsitzt, von Brand ist noch keine Rede, erklärt Alexander Sabaraj, der Pressesprecher der Feuerwehr von Puchheim-Bahnhof, der als Übungsleiter fungiert. Nur er weiß in diesem Moment, welche Aufgaben die Übung beinhalten wird. Insgesamt sind 16 Angehörige der Feuerwehr, die Hälfte von der Jugendfeuerwehr, und drei Puppen als "Opfer" im Einsatz. Vier warten eingeschlossen in der Wohnung, die anderen sollen Panik simulieren und durch das Treppenhaus nach unten flüchten.

Knapp fünf Minuten später treffen die ersten Fahrzeuge ein, um die Lage zu checken. Einsatzleiter Boris Grabmeier fragt die Gaffer vor dem Haus, ob jemand von ihnen die Meldung abgesetzt hat. Dann eilt er auf die Rückseite des Hauses, sucht die Fassade mit der Taschenlampe ab und entdeckt, dass sich mehrere Personen auf einem Balkon in der oberen Etage versammelt haben. Er will wissen, was los ist. Erst jetzt erfährt der Einsatzleiter, dass es dort brennt. "Keine Panik, wir holen euch runter", ruft Grabmeier ihnen zu. Er fordert Verstärkung an, vor dem Haus beginnt die Feuerwehr Schläuche auszurollen, ein Trupp zieht Atemschutzmasken auf und macht sich bereit, um den Brand zu löschen. Von der Vorderseite kann der Brand nicht direkt bekämpft werden, weil sich die Wohnung auf der Rückseite befindet.

Überraschend ist die geringe Zahl an Neugierigen. Die Mitarbeiter des Stadtteilzentrums Planie hatten vorher Zettel in mehreren Sprachen an die Anwohner verteilt, damit der Einsatz keine Panik auslöst. Etliche Bewohner kommen von der Arbeit oder vom Einkaufen zurück, ohne die Feuerwehr groß zu beachten. Ein paar Passanten bleiben stehen, Kinder schauen aus den Fenstern. Die meisten Nachbarn bleiben ungerührt. Ein Mann öffnet seine Tür, schüttelt den Fußabstreifer und legt ihn wieder ordentlich ab, während sich daneben die Feuerwehr um ein "verletztes" Kind kümmert, das am Boden liegt. Eine Frau betätigt mehrfach den Aufzugsknopf, während hinter ihr ein Trupp die Treppen hinauf eilt.

Oben angekommen, machen die Feuerwehrleute Anstalten, die Tür aufzubrechen und bringen einen Splitterschutz an, als jemand von den Insassen öffnet. Draußen ist unterdessen das Fahrzeug mit der Drehleiter auf der Rückseite des Hauses vorgefahren. Das große und schwere Fahrzeug muss nun mithilfe von Stützen auf dem Boden gesichert werden, damit es nicht umfällt. Dann steigt ein Mann in den Korb, während sein Kamerad die Leiter ausfährt und den Balkon anvisiert, was nicht so einfach ist, zumal sich der Korb nicht am Geländer verfangen darf. "Wirklich pressieren darf es nicht", kommentiert ein Zuschauer unten skeptisch. Es kommt einem tatsächlich wie eine Ewigkeit vor, bis die ersten zwei Opfer sicher am Boden stehen. Insgesamt sind seit dem Alarm etwa 20 Minuten vergangen.

Die Geretteten werden sofort betreut und ins Rettungszelt gebracht, wo leider an diesem eiskalten Dezemberabend keine Heißgetränke zur Verfügung stehen. Währenddessen fährt der Mann im Drehleiterkorb wieder nach oben, um die letzten beiden Bewohner zu holen. Danach wird die Nebelmaschine ordentlich aufgedreht. Dichte graue Schwaden ziehen aus der Wohnung über den Balkon nach oben über das Dach und in den dunklen Abendhimmel. Jetzt muss noch die Puppe auf der Bahre mit der Drehleiter geborgen werden.

Große Feuerwehrübung Freiwillige Feuerwehr in Puchheim

Innerhalb des Hochhauses muss die Feuerwehr die Gefahrenherde lokalisieren.

(Foto: Matthias Döring)

Vor dem Haus tritt zum dritten Mal die Gruppe mit Atemschutzmasken in Aktion. Nachdem sie beim zweiten Einsatz diverse Bewohner evakuiert hatten, sollen sie nun die Kameraden-Puppe mit der Rauchvergiftung holen. Um 20.07 Uhr erklärt der Einsatzleiter das Manöver für beendet. Grabmeier ist zufrieden, sowohl mit dem Ablauf wie mit der Dauer. Nicht einmal eine Stunde haben die 50 Männer und Frauen gebraucht, seit der Notruf einging, um die akute Gefahr zu beseitigen. Bei einem echten Brand würde der Einsatz noch etwa eineinhalb Stunden dauern. Die Feuerwehr würde alles penibel nach versteckten Glutherden absuchen

Es war die erste Übung dieser Art für die Feuerwehren von Puchheim-Bahnhof und Puchheim-Ort im Hochhausviertel-Planie. Sie wurde dank der Kooperation der Immobilienfirma Vonovia möglich. Dem Unternehmen gehören rund 200 Wohnungen in der Planie, sie hat eine leerstehende Wohnung im siebten Stock in der Kennedystraße zur Verfügung gestellt. In Olching gab es solche Tests schon, berichtet Kreisbrandrat Franz Sandrock, der die Puchheimer beobachtet. Im Ernstfall würden die Wehren aus Bruck, Eichenau und Germering helfen.

Ein solcher Test ist kein Luxus, denn in den vergangenen Jahren brannte es mehrfach in der Planie. Am Silvestertag 2018 kam dabei sogar ein kleines Mädchen ums Leben. Es gab mindestens zwei Brandstiftungen im September 2018 und im Februar 2019, bei denen Kinderwägen in den Treppenhäusern und Kellern angezündet worden waren. Die Nachforschungen der Kriminalpolizei führten zu keinem Ergebnis, man habe keinen Tatverdächtigen aufgespürt, sagte der Pressesprecher des Präsidiums Oberbayern Nord. Immerhin habe es keine weiteren Vorfälle in der Planie gegeben. Die Ermittlungen im Fall des getöteten Kindes würden noch andauern.

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