Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Die Torte zum Buch

Lesezeit: 2 min

Martin Schönleben bäckt live zur Lesung von Marie Lacrosse

Von Ariane Lindenbach, Puchheim

"Ich wollte es extra einfach machen für Sie", sagt Martin Schönleben mit süffisantem Unterton und schelmischem Seitenblick zu seiner Gastgeberin Nicola Bräunling. Die Puchheimer Buchhändlerin hat den "Kultbäcker", wie sie den ortsansässigen Konditor nennt, in ihr Geschäft eingeladen. Dort wird er in den nächsten eineinhalb Stunden, unterstützt von seiner offenbar untalentierten Gastgeberin, eine Torte backen. Das Rezept für die Mokkaprinzentorte, eine Abwandlung der Prinzregententorte, hat Schönleben für den zweiten Band der "Kaffeehaus"-Trilogie von Marie Lacrosse entwickelt. Darin spielt die Torte eine Rolle.

Die Autorin liest aus diesem zweiten Band "Falscher Glanz", während Schönleben und Bräunling backen. Genau genommen sind es Mokkaprinzessinnen-Törtchen, deren laut Roman "hauchdünne Böden" in Muffinförmchen gebacken werden. Und genau das ist es, was der Konditor der Buchhändlerin gerade erklärt.

Die beiden sind ein eingespieltes Team, das mit frotzelnden Bemerkungen an Gerhard Delling und Günter Netzer erinnert, die in der ARD über Fußball fachsimpelten. Eine Backshow mit einer Lesung zu verbinden, das haben Bräunling und Schönleben schon öfter getan, meist ging es dabei um Schönlebens Backbücher. In der Ankündigung heißt es, Bräunling und Schönleben hätten bewiesen, "dass die eine nicht backen kann, der andere jedoch ein guter Lehrer ist".

Pandemiebedingt findet die Veranstaltung online statt. Zum ersten Mal. Prompt gibt es Startschwierigkeiten: Wer sich über den veröffentlichten Link zu der virtuellen Lesung schalten will, sieht zwar auf dem Bildschirm Bräunlings Buchhandlung, wo neben einem verhüllten Pult auf einem Biertisch ein Nudelholz, diverse Backförmchen und andere Utensilien aufgebaut sind, dahinter Gastgeberin und Konditor. Soweit, so gut. Doch es fehlt in den ersten Minuten der Ton. Statt Bräunlings Stimme dröhnt lauter, mutmaßlich spanischer Rap durch den Lautsprecher. Vermutlich ein Troll, wie der Administrator im Chat schreibt. Auf seinen Vorschlag verlassen die 56 Teilnehmer den virtuellen Raum und nehmen zu dem Back-Lese-Spektakel den Weg über den Facebook-Account der Buchhandlung Bräunling.

"Ich seh' schon, es ist einfacher, wenn Sie reden und ich arbeite", grummelt Schönleben, nachdem seine Assistentin beim Eiertrennen ein kleines Malheur passiert ist, das er sogleich mit der besonders empfindlichen Schale der Eier in Bioqualität erklärt. Während der Konditor also im hinteren Bereich der Buchhandlung mit der Küchenmaschine Eischnee für den Biskuitteig herstellt, schaltet sich die Autorin in die Runde. Bräunling erklärt, dass der zweite Teil von Marie Lacrosses "Das Kaffeehaus" zu Zeiten der sogenannten Mayerling-Affäre spielt, und man in dem Roman viel über die Gepflogenheiten am Wiener Kaiserhof erfahre.

Lacrosse, die im echten Leben Marita Spang-Fitzek heißt, erzählt, dass ihr die Idee zum Buch in einem Kaffeehaus in Speyer gekommen sei. Und sie sei bei der Recherche - hilfreich waren zwei Bücher von Martina Winkelhofer über das Leben adliger Damen - derart fasziniert von der spannenden Materie gewesen, dass es nicht bei einem Band blieb, sondern sie sich schließlich zu einer Trilogie entschloss. Der letzte Teil, an dem sie zurzeit noch schreibt und der im Oktober erscheinen soll, wird Lacrosse zufolge etwas später spielen und die Wiener Boheme um Sigmund Freud in den Focus nehmen.

"Ich habe mir überlegt, wie eine möglichst komplizierte Torte aussehen könnte", beantwortet die Autorin Bräunlings Frage nach der Herkunft der Mokkaprinzentorte und outet sich dabei als unbegabte Kuchenbäckerin. Deshalb habe ein Fachmann hergemusst, der ein Rezept entwickeln konnte für die bis dahin nur in Lacrosses Fantasie und in den "Kaffeehaus"-Büchern existierende Torte: Martin Schönleben.

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Quelle:
SZ vom 03.05.2021
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