Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Die Freiheit nutzen, um die Unfreiheit zu bekämpfen

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Der FDP-Kreisverband lädt Vertreter der Amnesty-International-Gruppe Fürstenfeldbruck ein und lässt sich deren unermüdliche Arbeit schildern

Von Fabiana Braunstorfer, Puchheim

Was können Menschen im Landkreis für die Einhaltung der Menschenrechte tun? Wie arbeiten Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International? Um Fragen wie diese drehte sich eine Diskussionsveranstaltung, zu der der Kreisverband der FDP neulich einlud. Etwa 20 Menschen fanden das Thema interessant und nahmen sich für den Abend in den Puchheimer Bürgerstuben Zeit.

Man wolle mal kein Wahlkampfthema, sagt Birgit Thomann, stellvertretende Vorsitzende des FDP Kreisverbandes. Lokal ist das Thema aber dennoch, weil es seit 1977 eine Amnesty-Gruppe im Landkreis gibt. Für die Gruppe berichtet Sabine Wagner-Rauh, die 1991 dazugekommen ist. Derzeit sind neun Frauen und zwei Männer aktiv dabei. Sie veranstalten Ausstellungen, Workshops und Infoabende - oft in Kooperation mit Kirchen, Ämtern und Schulen. Es gebe beispielsweise schon seit über zwanzig Jahren einen Bücherbasar, um Spenden zu sammeln. Die Ehrenamtlichen zeigen sich bei Veranstaltungen im Kreis, aber ihre Wirkung soll sich weltweit entfalten. Denn es gilt das Prinzip: "Keine Arbeit zu Themen im eigenen Land".

Man versuche mit einfachen Mitteln wie Unterschriftenlisten, Druck auf Politiker auszuüben, um sich für "gewaltlose politische Leute" einzusetzen. Da war der Fall Abbas Lisani, der in Iran für die Rechte der aserbaidschanischen Minderheit gekämpft hatt und verhaftet wurde. Gemeinsam mit anderen hat sich die Fürstenfeldbrucker Gruppe mit Briefen an das Auswärtige Amt gewandt. Mit Erfolg: Lisani kam laut Wagner-Rauh 2008 frei.

Auch für Ahmad Suleyman Musa Quatamesh setzten sich die Fürstenfeldbrucker Menschenrechtsaktivisten ein. Der Professor saß jahrelang ohne Vorwurf und Urteil in israelischer Untersuchungshaft. Er ist ebenfalls freigelassen worden.

Bereits seit vier Jahren betreuen die Fürstenfeldbrucker den Eritreer Dawit Isaak. Der Radio-Moderator mit schwedischer Staatsbürgerschaft protestierte für Meinungs- und Pressefreiheit und ist dafür schon seit acht Jahren inhaftiert. Wagner-Rauh vermutet, dass er nur dank internationalem Einsatz bisher nicht hingerichtet wurde.

"Die Länder an die Menschenrechte zu erinnern" - das ist laut Mark-Oliver Fischer die Aufgabe von Amnesty International. Fischer ist Sprecher der Münchener Gruppe gegen die Todesstrafe. Auch nun, in der Puchheimer Bürgerstuben, hält er sich an das Motto, als er die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Hosentaschenformat an alle Anwesenden verteilt.

Es gehe nicht mehr nur darum, politischen Gefangenen zu helfen. Insgesamt sei eine strukturelle Veränderung das Ziel. Seit 1977 verfolgt Amnesty International etwa das Ziel, die Todesstrafe weltweit abzuschaffen. Mit mehr als sieben Millionen Mitgliedern und 80 hauptamtlichen Researchern weltweit sei die Organisation in mehr als 150 Ländern aktiv. Amnesty International arbeite in vier Phasen: aufdecken, aufklären, handeln, verändern. Zunächst sammeln die Rechercheure Informationen zu der Lage in verschiedenen Ländern. Sie decken Menschenrechtsverletzungen auf und dokumentieren ihre Ergebnisse, beispielsweise im Amnesty Report. "Es ist meistens nicht schön, was man da liest", sagt Fischer. Genau darum müsse das Wissen geteilt werden. Um mithilfe von Briefen, Petitionen und Lobbyarbeit Einfluss zu nehmen, zählt die Menge der Stimmen. Statistisch gesehen gebe es in zwei Drittel der bearbeiteten Fälle konkrete Erfolge. Wagner-Rau weist darauf hin, dass "Erfolg" aber nicht Freilassung bedeutet. Es reiche schon, wenn sich Gefängnisbedingungen verbesserten oder sie Besuch empfangen dürften.

Sie sammle gemeinsam mit den anderen Aktivisten monatlich Briefe und E-Mails, die sich an Politiker richten. Auch Nicht-Mitglieder könnten mitmachen. "Wir leben in einem freien Land, aber andere nicht", sagt Wagner-Rauh. "Lasst uns unsere Freiheit nutzen, um zu helfen."

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Quelle:
SZ vom 13.11.2019
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