Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Der Sensenmann lässt grüßen

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Im Gemeindezentrum ist noch bis zum Sonntag Wolfgang Wuschigs Sammlung "Tod und Sterben in Cartoons" zu sehen. Auf humorvolle Weise wird dabei ins Gedächtnis gerufen, was unweigerlich auf jedes Leben folgt

Von Franziska Schmitt, Puchheim

Überzeichnete menschliche Gestalten, schwarze Umrandung, farbige Flächen, Sprechblasen - Karikaturen und Bildgeschichten finden sich in Wolfgang Wuschigs Sammlung "Tod und Sterben in Cartoons". Die eine Figur hat eine übertrieben große Nase, der anderen stehen die Haare zu Berge. Und der Tod, um den es im Kern geht, steckt meist zwischen den Zeilen. Manchmal tritt er aber auch in Gestalt des Sensenmanns im braunen Kapuzenumhang auf.

Während Museen schließen mussten, sind die Kirchen bekanntlich noch offen. Ein Glück für Wuschig, der einen Teil seiner Sammlung noch bis einschließlich Sonntag in der evangelisch lutherischen Auferstehungskirche zur Schau stellt. Eine glückliche Fügung auch für Menschen, die sich in diesen Tagen nach ein bisschen Kultur sehnen. In zahlreichen Bildern werden auf humorvolle Weise all die kleinen und großen Dinge im Leben dargestellt, die in Zusammenhang mit der menschlichen Vergänglichkeit stehen. Die scharfe Grenze von Leben und Tod wird durch zahlreiche Facetten aufgebrochen. Der Betrachter wird zum Nachdenken angeregt.

Zunächst wird er behutsam an das Thema herangeführt: Im Vorraum des Gemeindezentrums, zur Linken, wird die Geschichte von "Ente, Tod und Tulpe"erzählt. Sie ruft erste Überzeugungen und Vorurteile über den Tod ins Bewusstsein.

Ente ist überrascht, als sie den "Tod" hinter sich bemerkt. Der Tod, das ist ein Menschlein, im beige-schwarz karierten Gewand und in dunkelbraunen Schühchen. Soweit könnte man ihn seiner Erscheinung nach auch für ein dürres Großmütterchen halten, säße da nicht der nackte, knochige Schädel statt ein Kopfes auf dem Rumpf.

Auf die Frage, warum er hier sei, antwortet Tod, er sei da, falls Ente etwas zustoße. Für ihn ist es das Leben, das den Tod nach sich zieht. Es ist das Leben, das allzugern Krankheiten und Unfälle heraufbeschwört. In Folge verbringen Ente und Tod mehrere Tage miteinander. Gemeinsam thematisieren sie Vorstellungen rund um die Sterblichkeit: Was passiert nach dem Tod? Gibt es Entenengel und schmoren Entenbraten in der Hölle?

In Gedanken an ihr eigenes Ableben macht die Ente sich Sorgen um den Teich, der dann ohne Ente wäre. In seiner Erwiderung zeigt sich Tod als Pragmatiker: "Wenn du tot bist, ist auch der Teich weg - zumindest für dich." Während sie gemeinsam das Wesen von Leben und Tod erforschen, werden die beiden Freunde. Umso mehr betrübt es Tod, als Ente stirbt - "aber so ist das Leben." Mit einer Tulpe auf der Brust lässt er sie zu Wasser und ihre letzte Reise flussabwärts antreten. Doch wie auch Ente, verliert auch der Betrachter bald die Angst vor Tod. Es ist eine Geschichte, die sich auch an die Kleinsten unter uns richtet, denn die liebliche Gestaltung von Illustrator Wolf Ehrl- bruch nimmt dem Tod auch den letzten Schrecken.

Auf der rechten Seite des Vorraums stößt der Betrachter auf erste Cartoons und Karikaturen. Postkarten, einzelne Buchseiten und Ausdrucke hängen eingerahmt an der Wand. Greser und Lenz thematisieren das Sterben in Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung. So ruft der Google-Herzschrittmacher ganz automatisch die Bestatter auf den Plan. Passwörter werden dem Verstorbenen mit ins Grab gelegt. Auch gesellschaftliche Defizite wie Altersarmut werden an dieser Stelle von Cartoonist Mario Lars thematisiert. Ein Tisch mit Büchern zum Thema "Tod und Sterben in Cartoons" lädt zum Schmökern ein. Alles aus Wuschigs Sammlung. Manche Exemplare entstammen noch den Anfängen seiner Sammelleidenschaft zur Sepulkralkultur, wie die Ausgabe "Auf Leben und Tod" und "Der Tod in der Karikatur".

Die nächste Tür führt in den Hauptraum der kleinen Kirche. An neun Flügeltüren gibt es weitere Zeichnungen. So sieht der Betrachter sich immer wieder teils skurrilen Szenarien gegenüber. Eine dieser Szenen spielt in einem Büro. Der Mann hinter dem Schreibtisch fragt eine jüngere Person vor sich: "Wo sehen sie sich in fünf Jahren?" Im Hintergrund schaut der Sensenmann zur Tür hinein. Auf einem anderen Cartoon von Michael Holtschulte wirft der Tod in Gestalt eines Bibliothekars die Frage auf, ob das ausgewählte Buch nicht zu dick sei. Es sind Szenen, die die Allgegenwart des Todes verdeutlichen. Vielleicht wartet er schon an der nächsten Straßenecke. Die Zeit reicht in diesem Fall nicht aus, um ein zu dickes Buch zu lesen.

Ob das jedoch den Blick in eine Zukunft trüben sollte? Aus der Sicht von Thomas Plaßmann und Katharina Greve vielleicht schon. Sie haben sich nämlich die Ausrottung von Mensch und Natur zum Thema gemacht. Auf einem Bild wird der letzte Baum gefällt, da man einen Sarg aus Plastik nicht haben möchte. An anderer Stelle werden Plastiktüten und Coffee-to-go-Becher als menschliche Hinterlassenschaften in Frage gestellt.

Die ausgewählten Cartoons und Karikaturen regen an zu einer Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema - an der nächsten Tür könnte schon der nächste Lacher warten.

"Tod und Sterben in Cartoons", noch bis Sonntag, 22. November, im Gemeindezentrum, Allingerstraße 24. Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag 9 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2020
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