Süddeutsche Zeitung

Puchheim:"Das hat meinen Horizont erweitert"

Der Puchheimer Rathausmitarbeiter Udo Schienemann über seine autofreie Zeit

interview Von Peter Bierl, Puchheim

Beim Stadtradeln gibt es einige wenige Teilnehmer, die in der Kategorie "Starradler" antreten. Sie verzichten drei Wochen lang auf das Auto und geben am Anfang die Schlüssel ab. Im Landkreis gab es in diesem Jahr fünf Star-Radler, Monika Keck aus Bruck, den Gröbenzeller Bürgermeister Martin Schäfer, seinen Puchheimer Amtskollegen Norbert Seidl sowie Britta Schneider, Trainerin im Fitnessstudio des FC Puchheim, und Udo Schiemann, Leiter des Tiefbaus im Puchheimer Rathaus. Von ihm wollte die SZ wissen, wie er ohne Auto ausgekommen ist.

SZ: Ist Ihnen der Verzicht auf das Auto schwergefallen?

Schiemann: Nein, es war erstaunlicherweise gar nicht schwierig, zumal ich ja in Puchheim wohne und arbeite. Außerdem hat mich die ganze Familie unterstützt, meine Frau ist auch die ganzen drei Wochen nicht mit dem Auto gefahren und hat auch keine Mitfahrgelegenheit genutzt. Wir haben das Fahrradfahren als gemeinsames Hobby für uns entdeckt.

Für die ganze Familie einkaufen, kann aber ohne Auto schweißtreibend sein?

Nein, das war kein Problem. Die Stadt hat ein Lasten-E-Bike angeschafft, das die Bürger ausleihen können. Das haben wir benutzt und das war eine tolle Erfahrung, auch wenn es manchmal mit Ladung etwas wacklig wurde. So bin ich nach Gröbenzell in den Getränkehandel gefahren, um eine Kiste Saft zu besorgen, oder habe meine Frau zur S-Bahn gefahren. Nicht nur wir, sondern auch Passanten waren begeistert.

Was war anders und schwieriger?

Es fehlt etwas die Spontanität, man muss sich organisieren und rechtzeitig planen.

Was war besonders nervig?

Ich hatte eine Woche Urlaub, wir sind mit der Bahn nach Amsterdam gefahren und haben die Räder mitgenommen. Es ist aufwendig, sich bei der Bahn zu informieren, weil man unterschiedliche Auskünfte bekommt, man muss rechtzeitig buchen und es kann trotzdem Ärger geben. Im meinem Fall war es so, dass der Schaffner das Rad aus dem Zug entfernen wollte. Ich hatte das Fahrrad auseinandergebaut und in einer Tasche verstaut, damit galt es als Gepäckstück, war aber zu groß. Ich habe ihm dann erklärt, dass ich bei der Aktion Stadtradeln mitmache und Starradler bin und zum Glück scheint das im Raum Köln auch populär zu sein, denn er kannte das und ließ mich samt Fahrrad weiterfahren.

Sie haben auf Ihrem Blog geschrieben, nach dem Stadtradeln ist vor dem Weiterradeln.

Ja, denn die Aktion hat meinen Horizont erweitert. Ich werde nicht mehr so leichtfertig ins Auto steigen, sondern mir bewusst machen, ob eine Fahrt wirklich notwendig ist und ich nicht aufs Rad steigen kann. Wir Deutschen sind zu sehr auf unser Auto fixiert, was sich leider im Fahrstil widerspiegelt. Die Fahrradstraße zum Germeringer See müsste von der Polizei kontrolliert werden, weil Autofahrer scheinbar nicht wissen, wie man sich richtig auf einer solchen für Fahrradfahrer ausgelegten Straße verhält. Viel zu schnell kommen die Pkws angedüst und gestikulieren mit den Armen, wenn man versucht, sie etwas zu bremsen. Das ist in den Niederlanden anders, habe ich im Urlaub gemerkt.

Inwiefern?

Dort sind Radwege und Straßen baulich getrennt. Die Berührungs- und damit Konfliktpunkte sind seltener. Man begegnet sich mal an einem Kreisverkehr und dort behandeln einen die Autofahrer rücksichtsvoll, weil sie wissen, dass sie gleich wieder die Straße für sich alleine haben.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2019
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