Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Besser als erwartet

Georg Hubers Halle ist nach der Ernte nur halb voll. Zufrieden ist er dennoch

Von Ingrid Hügenell

Die große Halle ist halb leer. Dabei ist die Ernte jetzt, Mitte Oktober, eingebracht. "Normalerweise ist alles gerammelt voll", sagt Georg Huber nachdenklich. "Langt das übers Jahr? Wir müssen ja leben davon." Der Puchheimer Landwirt, den die Süddeutsche Zeitung ein Jahr lang begleitet, muss sich an den Anblick erst gewöhnen. Die relative Leere hat zwei Gründe: Huber hat auf ökologischen Landbau umgestellt, da sind die Erträge nicht so hoch. Es ist seine erste nicht konventionelle Ernte. Und dann hat das Hagelunwetter vom Pfingstmontag große Teile der Pflanzen auf den Äckern zerstört. Die Erzeugerpreise für Getreide sind in diesem Jahr allerdings so niedrig, dass sich der Hagelschlag beinahe als Glücksfall darstellt. Denn aus der Hagelversicherung bekommt Huber vermutlich mehr Geld ausgezahlt, als er durch den Verkauf des Triticales, einer Kreuzung aus Weizen und Roggen, erlösen könnte.

Überraschend gute Nachrichten gibt es dagegen von der Sojaernte: "Der Ertrag ist mehr als zufriedenstellend." Danach sah es im Juni nach dem Hagel gar nicht aus. Von vielen Sojapflanzen waren nur nackte Stengel übrig, dazwischen wucherte das Unkraut. Doch wider Erwarten und gegen jede Lehrmeinung erholten sich recht viele Pflanzen und bildeten Schoten aus, in denen die begehrten Bohnen reiften. Soja ist ein wichtiger Eiweißlieferant. Huber kann auf beiden Schlägen bei gutem Wetter dreschen. Auf einem der beiden Felder sind allerdings nicht alle Bohnen reif geworden. Um sie lagern zu können, muss Huber sie zu Franz Heimrath, 56, nach Biburg (Gemeinde Alling) bringen.

Dort laufen im Oktober Tag und Nacht die Trocknungsanlagen, sieben Tage die Woche, vier Wochen lang. Es riecht nach Popcorn, denn vor allem wird Körnermais getrocknet. In riesigen Hallen liegen Berge der gelben Körner, Hubers Sojabohnen hat Heimrath dazwischen geschoben. Der Landwirt und Lohnunternehmer hat extra eine kleinere Anlage angeworfen, die frisch gereinigt war. Sonst hätte Huber seine Bio-Ware dort gar nicht trocknen lassen dürfen, wo sonst konventionelle Ware durchläuft. So bekam er eine Ausnahmegenehmigung seines Naturland-Verbands. Denn ohne Trocknung wären die Bohnen verdorben, sagt Huber.

Die drei Trockner stehen nebeneinander, sie sind jeweils fünf Meter hoch, acht Meter lang und 2,5 Meter breit. 24 Tonnen Mais passen auf einmal hinein, der Trockenvorgang dauert etwa sechseinhalb Stunden. Große Heizöl-Aggregate mit je 900 Kilowatt Leistung, die einen Höllenlärm machen, erzeugen heiße Luft. Sie wird durch den Mais geblasen. Die Körner werden in den Anlagen ständig bewegt, damit sie nicht zu heiß werden. Etwa 4000 Tonnen Körnermais werden dort pro Jahr getrocknet. Heimrath ist fast die ganze Zeit dabei, 20 Stunden am Tag. Zwischendurch schläft er kurz in einem Zimmer mit typischer Bauernstuben-Einrichtung in einem Gebäude direkt auf dem Hof.

Die trockenen Körner werden zu Futter für Rinder, Hühner oder auch Hunde weiterverarbeitet. Frische, feuchte Maiskörner verderben schon nach einem Tag, getrocknete halten sich mindestens zwei Jahre. Mit etwa 35 Prozent Feuchtigkeit kommt der Mais in die Anlage, maximal 14 darf er haben, wenn er haltbar sein soll. Manche Bauern lassen ihren Mais nur trocknen und verkaufen ihn anschließend selbst. Andere verkaufen den frischen Mais an Heimrath, der ihn trocknet, selbst vermarktet und hofft, daraus einen Gewinn zu ziehen. Doch ebenso wie die Preise für Getreide sind auch die für Mais heuer im Keller.

Es ist schon dunkel und der Vollmond steht groß hinter den Bäumen, als Huber zwei mit trockenen Sojabohnen voll beladene Anhänger an seinen 150-PS-Schlepper koppelt. Das zulässige Gesamtgewicht, 40 Tonnen, hat er wohl knapp erreicht, maximal 40 Stundenkilometer darf er fahren. Wie auf dem Hinweg über die kleinen Nebenstraßen zu gondeln, ist jetzt nicht drin - Huber könnte mit dem Zug nicht ausweichen, und es käme auch niemand an ihm vorbei. Er muss also bei Wagelsried auf die Bundesstraße. Es sind zwar nur knapp sechs Kilometer nach Puchheim-Ort, aber Huber ist sich wohl bewusst, wie sehr es die anderen Autofahrer ärgert, dass sie hinter seinem Gespann herzuckeln müssen. Immerhin ist abends nicht mehr so viel Verkehr. In den Ortschaften fährt der Landwirt extrem umsichtig und defensiv, um ja niemanden zu gefährden. Viele Verkehrsteilnehmer unterschätzten das schwere Gespann, sagt er. Wenigstens sind um diese Uhrzeit keine Kinder mehr unterwegs.

Mit Blick auf die überraschend gute Sojaernte relativiert sich für Huber die Sorge wegen der nicht so vollen Halle. Denn Bohnen gerade aus heimischem Öko-Anbau sind begehrt. Auch wenn Huber sie nur als Viehfutter verkaufen kann, solange er sich in der Umstellung befindet, bekommt er dafür einen guten Preis. "Das muss man sich vor Augen führen, dass das, was in den beiden Hängern drin ist, ungefähr 12 000 Euro wert ist", sagt er. Der Preis wird erst festgelegt, wenn Naturland die Bohnen im Labor untersucht hat. Von jedem Hänger nimmt Huber Fünf-Kilo-Proben, die er in verplombten Säcken an die Naturland-Marktgesellschaft schickt. Ausschlaggebend für den Preis ist der Eiweißgehalt.

Was er verkauft hat, lässt Huber meist von einer Spedition abholen. Die Lastwagen werden leer auf dem Hof gewogen. Huber kontrolliert, ob die Ladefläche sauber ist und prüft Ladepapiere und Reinigungsprotokolle. Er ist dafür verantwortlich, dass Getreide oder Soja ordentlich verladen werden. Dann zieht er eine Rückstellprobe. Am Zielort der Ware, einem Futtermittelwerk, einer Mühle oder Mälzerei, wird erneut eine Probe genommen. "Damit man nachvollziehen kann, woher Verunreinigungen in der Semmel oder im Futter kommen", erklärt er. Nach der Sojaernte pflügt Huber die beiden Äcker. Er zieh die Bodenbearbeitung ohne Pflug vor. Doch er muss das viele Unkraut loswerden, das nach dem Hagel gewachsen ist. Als Bio-Landwirt darf er kein Herbizid verwenden. Da hilft nur, die unerwünschten Pflanzen mit dem Pflug tief einzugraben.

Das ist arbeitsaufwendig und belastet den Boden, vor allem die vielen Lebewesen darin, vom Regenwurm bis zum Bakterium. Sie wirken am Aufbau von Humus und der Fruchtbarkeit des Bodens mit. Huber fährt mit nur 7,5 Stundenkilometern und extrem wenig Luft in den Reifen. So wird der Acker weniger verdichtet, Verbrauch und Verschleiß der Maschinen sind geringer. Dann sät er Wintertriticale. Lieber wäre ihm, er könnte erneut Soja säen. Aber die Hülsenfrucht mag sich selber nicht, man kann sie nicht zweimal hintereinander auf dem selben Acker anbauen.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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