Wenn ein Katholik früher in einem Dorf in Oberbayern starb, gab es klar festgelegte Rituale, um den Verblichenen zu ehren und seine Seele zu begleiten. Am Abend des Todestages wurde ein erster Rosenkranz gebetet und in den beiden Folgetagen ebenfalls. In der Kirche wurde das Requiem gespielt und gesungen. Der Tote war daheim im Sarg aufgebahrt, der Sargdeckel stand offen und man verabschiedete sich dort von dem Verstorbenen. Sobald der Pfarrer kam, wurde der Deckel zugemacht und verschraubt und der Sarg mit einem Karren zum Friedhof in die Aussegnungshalle gebracht.
Der Sarg stand nie in der Kirche, außer es handelte sich um Dorfhonoratioren wie Pfarrer und Lehrer, nur die waren in der Kirche aufgebahrt. Es gab keine Bilder des Toten in der Kirche – auch die kleinen Sterbebilder gab es früher nicht. Drei Tage nach dem Tod war Beerdigung oder ausnahmsweise nach zwei Tagen, wenn es sehr heiß war. Wenn der Verstorbene über einen Sonntag unbeerdigt blieb, galt das als Zeichen dafür, dass bald wieder jemand stirbt. „Der holt bald jemanden nach“, hieß es im Dorf.
Regeln und Rituale ändern sich im Lauf der Jahrhunderte und variierten immer schon von Ort zu Ort. Feste Abläufe verlieren sich infolge von Säkularisierung und Urbanisierung. Heute erledigen Bestattungsunternehmen einen Auftrag, der Vorgang sei „eng getaktet“ und die Menschen selbst gestalten das Begräbnis immer individueller, sagte Beate Reimann, Pastoralreferentin aus Fürstenfeldbruck. Zusammen mit dem Imam Muhammad Mansour aus Puchheim und Igor Swiderski, Leiter der jüdisch-messianischen Gemeinde Ets-Haim, berichtete sie auf einer Veranstaltung des Puchheimer Podiums am Dienstag im evangelischen Gemeindehaus über die Begräbnisrituale ihrer jeweiligen Religionen.
Anlass für die Veranstaltung der ökumenischen Bildungseinrichtung war die inzwischen dreizehnte Ausstellung zum Thema Begräbniskultur, die der frühere Stadtrat Wolfgang Wuschig alljährlich kuratiert. Angefangen hat er mit einer Exposition über Traueranzeigen, im vergangenen Jahr ging es um den Tod und das Sterben in der Malerei, zusammen mit dem Kulturverein, und heuer wollte Wuschig unter dem Motto „Sterben, Tod und Bestattung“ angesichts von Antisemitismus und Rassismus einen Beitrag zum interreligiösen Dialog leisten.
Interessant, wenngleich aufgrund der gemeinsamen historischen Wurzeln naheliegend, sind die Gemeinsamkeiten. Judentum, Christentum und Islam begreifen den Körper als das Gefäß der Seele, das von Gott aus Erde geschaffen wieder zu Erde wird. Entsprechende Zitate finden sich in den Schriften aller drei Religionen. Die Seele tritt ihre letzte Reise zu Gott an und wird dabei von den Gläubigen, von Verwandten, Freunden und Nachbarn unterstützt. Die Rituale können den Hinterbliebenen zugleich Trost spenden, bei der Trauerarbeit helfen, wie man heute sagen würde.
Mansour berichtete, dass Muslime gehalten sind, sich seelisch und körperlich auf den Tod und die Begegnung mit Allah vorzubereiten. Dazu gehört, Reue zu zeigen und ein Testament aufzusetzen. Wer Schulden hinterlässt, ohne deren Rückzahlung zu regeln, der komme nicht ins Paradies. Die Gläubigen sind aufgefordert, Sterbende zu besuchen und ein Gebet zu sprechen. Dem Toten werden die Augen geschlossen, nachdem die Seele durch sie den Körper verlassen hat. Der guten Seele stehe die Pforte zum Paradies offen, die schlechte fange an zu stinken und erblicke den Raum in der Hölle, der sie erwartet.
Sowohl im Islam als auch im Judentum wird die Leiche gewaschen, erst die rechte, dann die linke Seite. „Es geht im Judentum vor allem darum, den Toten zu ehren“, erklärte Swiderski. Reimann berichtete vom Sakrament der Krankensalbung, das allerdings ans Ende des Lebens geschoben zur letzten Ölung wurde. Dazu gibt es das Viaticum, die Sterbekommunion als eine spirituelle Wegzehrung und schließlich als neuere Sitte der Sterbesegen, bei dem Weihwasser auf Stirn, Brust und Hände gesprenkelt werde.
Beim Begräbnis sprechen die Gläubigen Bittgebete, auf dass die Seele, die von zwei Engeln befragt werde, die richtigen Antworten gebe, berichtete der Imam. Das Grab eines Muslims ist schlicht gehalten, eigentlich reicht ein Erdhaufen als Markierung, weitere Insignien seien unterschiedlichen kulturellen Traditionen geschuldet oder moderne Erscheinungen, wie Fotos des Verblichenen. Die jüdische Sitte sieht einen Gedenkdienst vor, dann einen Gang der Trauergemeinde zum Grab, der siebenmal gestoppt wird, um Psalmen vorzutragen, an der letzten Ruhestätte werden Gebete gesprochen, Erde auf den Sarg geworfen, das Kaddisch gesprochen und die Hände gewaschen, erzählte Swiderski.
Mansour und Swiderski betonten, wie wichtig gläubigen Muslimen und Juden ist, dass der Leichnam innerhalb kürzester Zeit und nur in ein weißes Gewand gehüllt, beerdigt wird. Der Sarg stellt ein Zugeständnis an hiesige Gepflogenheiten dar, denn der Leib soll der Erde so nah sein wie möglich. Dass Gräber irgendwann aufgelassen werden, ist eigentlich ein Sakrileg. Muslime und Juden bevorzugen deshalb eigene Friedhöfe, die auf Dauer angelegt sind. Ein Zuhörer ergänzte, dass es bei den orthodoxen Christen Usus sei, die Gebeine nach einigen Jahren auszugraben, zu waschen und in einem Beinhaus zu bestatten.
Ein Unding ist die Verbrennung von Leichen sowohl im Judentum wie im Islam; sie war lange Zeit auch im Christentum verpönt, den Katholiken bis 1963 untersagt. Die Feuerbestattung kam im 19. Jahrhundert auf, sie war deutlich günstiger und vor allem ein Bekenntnis, dass man nicht an eine Auferstehung der Toten glaubte. Freimaurer, Freidenker und Sozialisten förderten deshalb die Feuerbestattung und warben dafür.
Aber alles ändert sich. In Deutschland lassen sich immer mehr Menschen einäschern. Siderski berichtet von einem gläubigen Juden in München, der nach jüdischem Ritus beerdigt werden wollte, aber verbrannt und auf einem christlichen Friedhof. Die Pastoralreferentin Reimann berichtete, dass etwa die Musik bei Beerdigungen immer „bunter“ werde. Einmal hätte sich jemand den Song „Komm großer schwarzer Vogel“ von Ludwig Hirsch gewünscht. Wenig anfangen kann die Katholikin mit Formen der Bestattung, bei denen etwa ein Teil der Asche zum Diamanten gepresst wird. Die wichtigste Regel bei der Gestaltung einer Beerdigung jedoch laute, in dieser emotionalen Ausnahmesituation „miteinander auf einem guten Weg zu sein“, betonte sie.