Süddeutsche Zeitung

Puchheim:Bedingt bezaubernd

Nur einer von drei Meistermagiern wird am Wochenende im Kulturzentrum seinem Namen gerecht: Ballonvirtuose Tobi von Deisner

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Spannung zu erzeugen, gehört zur Zauberkunst. Doch wenn das Eigentliche zu lange auf sich warten lässt, kann Vorspiel bisweilen auch etwas ermüden. Zwei der drei Meistermagier im sehr gut besuchten Puchheimer Kulturzentrum Puc, die Spektakuläres versprachen, enttäuschten die Erwartungen. "Wir wollen jetzt den Verblüffungsgrad höher schalten", kündigte Thomas Fraps nach dem Aufwärmen noch vollmundig an. Doch ein paar charmante Ballonkunstwerke, ein gigantischer Ballontrick - ansonsten musste man in der zweieinhalbstündigen Wundertüte lange nach den versprochenen Bonbons graben.

Fraps' angekündigte Verblüffung bestand darin, dass er einen Besucher auf der Bühne mit einem Hütchenspiel foppte und dass ein von zwei Besuchern signierter 20-Euro-Schein später in einer Zitrone wieder auftauchte. Letzteres war gelungen, aber der Favorit der Kinder und der meisten Erwachsenen im Saal war Tobi von Deisner, der Ballonvirtuose. Die Kinder kicherten und lachten laut um die Wette und hätten alle gerne den kunstvoll aus Ballons zusammengesetzten, lustigen kleinen Taucher, den von Deisner nach und nach entstehen ließ, nach Hause getragen. Der prämierte Ballonkünstler, der sich auch meisterhaft auf Stimmakrobatik versteht, unterhielt das Publikum bestens, animierte zum Mitmachen und gewann die Herzen der Besucher. Die eher unzeitgemäßen sexistischen Anspielungen verziehen ihm die Zuschauer. Er rettete den ansonsten leider ziemlich drögen Abend, bei dem besonders Meistermagier Ben Profane mit fragwürdigen Requisiten auffiel.

Fehl am Platz sind in einer Zeit des globalen Kriegselends und internationalem Terrorismus Witze über den Krieg in Syrien, genauso wie Schießgewehr-Spiele, die Profane im Programm hatte. Zumal sich der Kugel-mit-dem-Mund-Fang-Trick ohnehin schon überlebt hat. Profane, mit der samtigen Stimme eines Tantra-Gruppenleiters oder Hypnotiseurs ausgestattet, trat auch noch in einer Generalsuniform auf die Bühne. Was dieser martialische, aber gänzlich trickfreie Auftritt sollte, wollte sich dem Beobachter nicht so recht erschließen. Für große Heiterkeit sorgten dagegen die von Fraps unter dem Arm versteckten Plastikbecher, die akustisch die Assoziation von knackenden Knochen hervorrufen. Eine schöne Anregung für den nächsten Kindergeburtstag. Auch das Verschwindenlassen und Wiederauftauchen von Gegenständen sieht man immer wieder gern.

Doch zwischen den Tricks reihte sich zuviel Reden und Leerlauf aneinander. Und oft unterhielten weniger die Künstler das Publikum, sondern Mitspielende - ob Tobis Beifahrerin auf dem spektakulären Ballon-Motorrad mit Supereinsatz oder Robert, der Darsteller eines fast von selbigem überrollten Rehs mit Ballongeweih, das eher einer Schildkröte glich und "wohl nicht unter ADHS leidet", wie Tobi von Deisner trocken feststellte. Das "Bodyreading" oder auch Gedankenlesen oder -erraten, das Profane und Fraps betrieben, wirkte ermüdend, zumal die Mitspielenden ohne Mikro stimmlich chancenlos waren. Was eine Tasche voller Bücher mit angeblich lustigen Titeln acht Minuten lang in einer Zaubershow zu tun hat, wurde ebenso wenig klar. Auch wenn ein Bestseller wie "Bestellungen ans Universum" seit Jahren - trotz aller Bemühungen der eifrig Bestellenden oft eher einen Schnupfen hervorgebracht hat als das bestellte Liebesglück.

Zaubern will halt gelernt sein und je besser die Tricks, desto besser sollte auch die Präsentation sein. Das Publikum möchte nicht nur Zaubertricks sehen; es möchte verzaubert werden. Und so erntet der Gedankenleser, der einen Goldfisch, der seine Mitwirkung angeblich versagt, sanktioniert, indem er ihn scheinbar aufisst, ein eher betretenes "oh" vom Publikum. Verzaubert, amüsiert, bewundernd und begeistert dagegen klingt das "ah" und "oh" de Saales bei der letzten Nummer des Abends. Als Tobi von Deisner, bis zuletzt als Stimmungskanone in vollem Einsatz, in den Riesenballon schlüpft und dort nicht nur eine Spielkarte wiederfindet und nur noch lustig mit dem Kopf herausschaut, sondern Unsinn treibt - zauberhafter Unsinn.

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Quelle:
SZ vom 05.02.2019
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