125 Jahre Bahnhof Puchheim:Mit viel Dampf und Regen

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Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl zeigt sich als Hilfsheizer in der Dampflok der Jubiläumsfahrten. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zum Jubiläum gibt es Ausstellungen, historische Zugfahrten und ein eigenes Bier. Aber Regen und Kälte lassen keine rechte Feierlaune aufkommen.

Von Peter Bierl, Puchheim

„Es ist wie eine Zeitreise, so was kennen wir ja nicht mehr“, sagt die junge Frau im Abteil. Bei ihrer etwa älteren Nachbarin kommen hingegen Kindheitserinnerungen hoch. „Für mich ist es Nostalgie“, sagt die Eichenauerin. Ihr Mann bewundert die ausgefeilte Technik der alten Dampflokomotiven. „Da steckt viel Hirnschmalz und Handwerkskunst drin, aber irgendwann wurden die Loks ausgemustert, wie heute der Verbrennermotor“, sagt er.

Zur Feier von 125 Jahren Bahnhof Puchheim hat die Stadt am Samstag und Sonntag Fahrten mit einer Henschel-Lokomotive der Baureihe 001, Baujahr 1936, organisiert, die mit ihren Personenwaggons zwischen Pasing und Geltendorf pendelt. Auf etwa 780 Kilometern samt Hin- und Rückfahrt zum Heimatstandort im Eisenbahnmuseum in Nördlingen werden zehn Tonnen Steinkohle verbrannt, was etwa 13,4 Tonnen Kohlendioxid entspricht.

Zwischen Pasing und Geltendorf verkehren die Lok und die angehängten Personenwagen mit Halt in Puchheim. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Holger Riedel vom Organisationskomitee hat andere Sorgen, nämlich ob die Kohle bis zurück ins Depot überhaupt reicht. Infrastruktur gibt es unterwegs nicht mehr. Beinahe hätte die Puchheimer Feuerwehr Samstagfrüh den Wasserspeicher mit 34 Kubikmetern Wasser auffüllen müssen, aber dann fand sich noch ein geöffneter Hydrant im Augsburger Bahnhof. Im Gepäckwagen lagern noch Soda, um das Wasser zu entkalken, Schmieröle und Sand zum Bremsen.

Mehr als 400 Menschen sitzen in den Waggons, die von der Bundesbahn nach dem Krieg aus altem Bestand umgebaut wurden. Riedel freut sich, dass die Zugfahrten quasi ausgebucht sind. Es sind Familien mit Großeltern und Kindern, dazu viele technikbegeisterte Menschen, die sich beim Aufenthalt im Bahnhof Geltendorf am Bahnsteig vorn versammeln und den Lokführer ausfragen. Jörg Badmann ist gelernter Werkzeugmeister und hat 1989 als Heizer auf einer Dampflok angefangen, seit 1994 ist er Lokführer, erst ehrenamtlich, seit vier Jahren im Hauptberuf. Er legt mit seiner Lokomotive mit solchen Sonderfahrten bis zu 6000 Kilometer jedes Jahr zurück. Die Rauchschwaden und der Wasserdampf ziehen durch den Bahnhof, er muss die Lok umhängen, bevor es zurück nach Puchheim geht.

Die Raucher haben kein Abteil mehr

Die Waggons der zweiten Klasse bieten Sitzbänke, dazu Fenster, die sich noch öffnen lassen, Vorhänge, Gepäckablage, Müllbehälter und Toiletten. Deutlich luxuriöser ist die erste Klasse mit gepolsterten Sitzen mit Armlehnen und mehr Beinfreiheit. Die Ausstattung ist authentisch, bis auf die Raucherabteile, die der Postmoderne zum Opfer gefallen sind.

In Puchheim ist der Bahnhof so voll wie im Berufsverkehr, die nächsten Fahrgäste warten auf den historischen Zug. Auf dem Grünen Markt hingegen, wo das Fest steigen soll, wirken Marianne Schuon vom Verein d’Buachhamer und Mendy Frenkel von der Stadtverwaltung etwas verloren. An ihrem Stand gibt es Brezen und eigenes 125-Jahre-Festbier, aber es regnet und ist saukalt. Glühwein wäre vielleicht ein Publikumsmagnet gewesen. Die Kapelle aus der Partnerstadt Attnang-Puchheim hat sich verspätet, aber es ist ohnehin fast niemand auf dem Platz, um zuzuhören. Lediglich an einem Fahrsimulator der Bahn drängen sich ein paar Interessierte.

Die Dampflokomotive der Baureihe 001 ist 88 Jahre und gehört zum Fahrzeugbestand des Eisenbahnmuseums Nördlingen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Einige Besucher finden sich im katholischen Pfarrsaal nebenan. Dort wird eine Ausstellung zur Geschichte des Bahnhofs in Puchheim, des Zugverkehrs und seiner Bedeutung für die Entwicklung der Kommune gezeigt. In einem zweiten Raum ist eine Modelleisenbahn aufgebaut. Prunkstück ist ein Nachbau des alten Puchheimer Bahnhofs, den Karlheinz Scholz aus Germering gefertigt hat, im Maßstab 1:22,5. Das Material besteht aus weißen PVC-Platten, die er lackiert hat. Die Linien der Ziegelwände hat eine computergesteuerte Maschine ausgefräst, was allein 48 Stunden gedauert hat. Die Metallgeländer und die Unterkonstruktion des Vordaches hat Markus Blust gefertigt.

Weil keine Baupläne von dem Gebäude mehr existieren, musste sich Scholz mit alten Fotos behelfen und mit der Lupe die Ziegelreihen zählen. Zwischen 700 und 800 Stunden hat der Privatier seit Januar an dem Modell gearbeitet. Die älteren Besucher kennen noch das Original, das 1899 errichtet und 1971 abgerissen wurde. Seit 1873 fuhren Dampflokomotiven und ihre Waggons durch das Moor im Westen des Altdorfes. Erst 1896 erhielt Puchheim eine Haltestelle, die zwei Jahre später zur Station aufgewertet wurde. Nach dem Bau des Bahnhofsgebäudes 1899 wurde Puchheim zur vollen Station mit Frachtverkehr erhoben.

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