KulturKünstlerische Chancengleichheit

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Das Besondere an der Ausstellung ist, dass die Bilder keine Namen tragen und stattdessen nummeriert sind.
Das Besondere an der Ausstellung ist, dass die Bilder keine Namen tragen und stattdessen nummeriert sind. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Arbeiten von Newcomern und etablierten Künstlern ergänzen sich in der Ausstellung „am laufenden Band“ in Puchheim zu einem großen Ganzen. Die Besucher sollen sich dabei nicht auf die Namen und nur auf die Werke konzentrieren können.

Von Elisabeth Grossmann, Puchheim

„Am laufenden Band“ ist wie ein großes Kunstwerk, dass aus 52 Einzelnen besteht. Wie ein Miteinander, das sich aus Bestandteilen zusammensetzt, die unterschiedlicher nicht seinen könnten. Wie eine Gemeinschaft, deren Mitglieder gleichwertig und doch divers sind. Die Ausstellung „am laufenden Band“ symbolisiert Einheit und Zugehörigkeit und zeigt gleichzeitig, dass „gemeinsam“ nicht automatisch „gleich“ bedeutet. Die Werke etablierter Fotografen, Maler und Designer befinden sich in einem Raum mit denen engagierter Anfänger. Jedoch hängen sie nicht einfach nebeneinander. 52 Gemälde, Fotografien, Skulpturen, Kreationen und Zeichnungen sind übereinander, schräg und wild durcheinander gemischt angeordnet. So entsteht aus vielen Einzelwerken ein großes Ganzes. Jedoch ähnelt kein Kunstwerk seinem Nachbarn. Alle erdenklichen Farben, Techniken, Größen und Motive sind vertreten. Das liegt vor allem daran, dass der Kunst- und Kulturverein, welcher die Ausstellung in der Galerie des Puchheimer Kulturzentrums aus Anlass seines 45-jährigen Bestehens veranstaltet, den Künstlern bei der Auswahl ihrer Werke keine Grenzen gesetzt hat. 

Mit der Ausstellung feiert der Kulturverein sein 45-jähriges Bestehen.
Mit der Ausstellung feiert der Kulturverein sein 45-jähriges Bestehen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

So einiges ist bei „am laufenden Band“ anders als bei gewöhnlichen Ausstellungen. Nicht nur die ungewöhnliche Anordnung soll für Einheit sorgen. Um allen Gemälden die gleiche Chance zu geben, unvoreingenommen betrachtet zu werden, sind die Stücke nur nummeriert. Titel und Künstlerinformationen müssen die Besucher von einer ausgedruckten Liste ablesen. „Man soll erst einmal überlegen, ob einem das Bild gefällt und dann nachschauen, von wem es ist“, sagt Marta Zientkowska-Schulz. Die Vorstandsvorsitzende des Vereins ist der Meinung, dass jeder Mensch immer zuerst einen kurzen Blick auf den Künstlernamen wirft und dann davon abhängig mache, was er oder sie von dem Bild hält. Auch die Werke von unbekannten Hobbykünstlern sollen auf diese Weise wertgeschätzt werden.

Neben Fotografien und Gemälden sind auch Installationen und Skulpturen zu sehen.
Neben Fotografien und Gemälden sind auch Installationen und Skulpturen zu sehen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zu Beginn hatten die Anfänger viele Sorgen, sagt die Vorstandsvorsitzende. „Jetzt hängt mein Bild neben so einem Guten“ sei ein Satz, den sie oft zu hören bekommen habe. Letztendlich habe die Idee aber nicht nur zu mehr Zusammenhalt und Toleranz unter den Künstlern geführt, sondern auch das Niveau enorm angehoben. Corinna Eichberger-Renneisen stimmt dieser Beobachtung zu. Das Vorstandsmitglied sagt: „Die Künstler werden dadurch angespornt und entwickeln sich.“

Eine der renommierten Künstlerinnen ist Maria Weiss. Bei „am laufenden Band“ stellt die Münchnerin eine Bieracrylmalerei aus, die sie schon auf der „Red Dot Miami Art Fair 2023“ in den Vereinigten Staaten gezeigt hat. Das Werk mit der Nummer 36 zeigt den Eibsee und die darum liegende Landschaft in intensiven Blau- und Grüntönen. Das Wasser spiegelt sich, scheint sogar zu leuchten. Dieser Effekt entsteht durch die Mischung von Bier und Acrylfarben und wird noch stärker, wenn man die dabei liegende 3D-Brille aufsetzt. Die goldenen und Elemente auf der Wasseroberfläche stechen noch stärker hervor. Es wirkt als könnte man in das Bild hineinlaufen und ein erfrischendes, kühles Bad nehmen. Die Münchnerin nutzt diese Effekte um die Spiegelungen der Berge und des Wassers sichtbar zu machen. „Das ist das Phänomen der Dualität, dass mich sehr beeindruckt“, sagt Weiss, „und es lässt mich aus der Stadt in die Natur austreten.“ Der Künstlerin zufolge ist der Eibsee für sie wie ein Detox von der Großstadt. Setzt man die Brille auf, kann man diese Entgiftung schon fast spüren.

Nummer 24 zeigt das Porträt einer Frau, Nummer 25 das eines Mannes. Die Farben der Ölgemälde sind dunkel und gedeckt. Es ist unverkennbar, dass sie von der gleichen Künstlerin gefertigt wurden. Barabara Saatze sagt: „Das sind mein Mann und meine Mallehrerin“, sagt Saatze. Die Puchheimerin hat die Werke schon vor mehr als 20 Jahren gemalt. „Ich stelle sie jetzt hier aus, weil mir gesagt wurde, ich soll das mitbringen, das mir etwas bedeutet. Und die beiden Personen sind mir sehr wichtig.“

Verschiedene Porträts zeigen, wie unterschiedlich der Blick des Künstlers auf sein Gegenüber sein kann.
Verschiedene Porträts zeigen, wie unterschiedlich der Blick des Künstlers auf sein Gegenüber sein kann. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bild Nummer 16 ist eine Fotografie. Dicht aneinandergelegte Pfingstrosen in Rosa- und Pinktönen leuchten dem Betrachter entgegen. Die Besonderheit fällt erst auf, wenn man sich bewegt. Verändert der Betrachter seine Position, verändert sich auch das Bild. Zu sehen sind immer noch die großen Blüten, aber aus einer anderen Perspektive. Das Kunstwerk ist kein normales Foto, sondern eine Wechselfotografie der Fotografin Corinna Eichberger-Renneisen. Sie arrangierte die Blumen im Studio und lichtete sie aus unterschiedlichen Winkeln ab. Anschließend legte sie mehrere Bilder übereinander und ließ sie zu einem verschmelzen. „Ich wollte Dreidimensionalität in das Bild bringen“, so das Vorstandsmitglied. Das Bild fordert den Betrachter auf, sich zu bewegen und Eichberger-Renneisens Blicke auf die Rosen nachzuempfinden. Die Fotografin setzte Licht, Kontraste und Farben bewusst ein, um beim Betrachter Emotionen hervorzurufen und persönliche Eindrücke zu teilen. Sie wählte die Pfingstrosen als Motiv, weil sie sie an ihre Kindheit erinnern. „Die Blumen sind in meinem Gedächtnis hängengeblieben.“

Auf eine gewisse Art hat jeder Künstler seine Erfahrungen und wertvolle Erinnerungen in seinen Werken verpackt. Manche offensichtlich, manche verborgen. Man muss sich nur die Zeit nehmen und jedem Einzelnen die gleiche Chance geben, um sie zu entdecken.

Die Ausstellung „Am laufenden Band“ ist noch bis zum 20. Oktober im Puchheimer Kulturzentrum Puc zu sehen. Eintritt kostenlos.

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