Kommunale FinanzierungPuchheim will Anteil an Milliardenerbe

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Wo jüngst der Finanzausschuss eine Haushaltssperre verhängt hat: Im Puchheimer Rathaus wird nach weiteren Einnahmequellen gesucht, die angezapft werden könnten.
Wo jüngst der Finanzausschuss eine Haushaltssperre verhängt hat: Im Puchheimer Rathaus wird nach weiteren Einnahmequellen gesucht, die angezapft werden könnten. (Foto: Leonhard Simon)

Während Städte und Gemeinden an allen Ecken und Enden sparen müssen, fällt ein warmer Geldregen aus dem Nachlass eines Unternehmers auf den Freistaat. Bürgermeister Norbert Seidl hat da eine Idee. Nun müsste nur noch der Finanzminister mitspielen.

Von Stefan Salger, Puchheim

Was man mit vier Milliarden doch so alles machen könnte: Krankenhäuser unterhalten, Schwimmbäder bauen, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, Kulturevents und die Kinderbetreuung finanzieren, den Sport fördern. Auch Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) würde da schon einiges einfallen. Natürlich nicht nur zum Nutzen seiner Stadt, sondern aller bayerischen Kommunen.

Als die Meldung durch die Medien geisterte, der Freistaat erhalte mehr als vier Milliarden Euro Erbschaftsteuer aus dem auf 15 Milliarden Euro geschätzten Nachlass des früheren Knorr-Bremse-Hauptaktionärs Heinz Hermann Thiele, nahm Puchheims Zweiter Bürgermeister Manfred Sengl (Grüne) dies zum Anlass, eine Beteiligung der Kommunen an diesem Geldsegen zu fordern.

Zumindest ein Viertel davon solle den klammen Städten und Gemeinden zufließen. Der Finanzausschuss votierte unter dem Eindruck der zuvor erlassenen Haushaltssperre, mit der 15 Prozent der Ausgaben eingespart werden sollen, einstimmig für eine Intervention beim Freistaat. Und so griff Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) in die Tastatur und schrieb einen Brief an Finanzminister Albert Füracker (CSU).

Darin skizziert er die Gründe, weshalb die Stadt nach einem Einbruch der Gewerbesteuern auf der Einnahmeseite tief in die roten Zahlen zu rutschen droht.  Denn gleichzeitig wachsen die Ausgaben. Es ist wie eine Schere: „Deutlich spürbare Personalkostensteigerungen im Arbeitsmarktumfeld Münchens, ungebremste Erhöhung der Kreisumlage und unvermeidbare zusätzliche Investitionsmittel für die Transformation der Energieversorgung, für die Digitalisierungsaufgaben in Schulen und Verwaltung, für die Daseinsvorsorge in den Bereichen Sicherheit und Katastrophenschutz und für die Bewältigung des Klimawandels.“

Der 2021 verstorbene Heinz Hermann Thiele war Hauptaktionär des Fahrzeugzulieferers Knorr-Bremse.
Der 2021 verstorbene Heinz Hermann Thiele war Hauptaktionär des Fahrzeugzulieferers Knorr-Bremse. (Foto: Knorr-Bremse)
Zweiter Bürgermeister Manfred Sengl (Grüne, rechts) hatte die Idee mit dem Brief. Bei Bürgermeister Norbert Seidl rannte er damit offene Türen ein.
Zweiter Bürgermeister Manfred Sengl (Grüne, rechts) hatte die Idee mit dem Brief. Bei Bürgermeister Norbert Seidl rannte er damit offene Türen ein. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Im Boot mit Puchheim sitzen viele bayerische Kommunen. „Die finanzielle Lage für Bayerns Städte und Gemeinden wird immer bedrohlicher“, warnt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU) unter Berufung auf den kommunalen Finanzreport 2025 der Bertelsmann Stiftung. Darin wird das Defizit der bayerischen Kommunen für das vergangene Jahr auf rekordverdächtige 5,3 Milliarden Euro beziffert. Und dann prasselt da offenbar ein warmer Geldregen auf den Freistaat hernieder. Seidl lässt sich das auf der Zunge zergehen: „Viertausend Millionen Euro.“ Eine unvorstellbare Summe.

Dabei ist Puchheim eigentlich keine arme Stadt, weshalb sie seit ungefähr 20 Jahren auch keine „Schlüsselzuweisungen“ mehr erhalten hat – mit denen der Freistaat Kommunen mit unterdurchschnittlichen Einnahmen aus der ärgsten Bredouille hilft. „Wir als Stadt Puchheim sind nicht das Armenhaus. Wir haben eine hohe Steuerkraft, aber wenn’s uns schon trifft, dann trifft’s andere noch mehr“, sagte Seidl, der dem Finanzausschuss des Städtetags angehört, jüngst dem Bayerischen Rundfunk.

Es gelte, die Kommunen als „Keimzellen der Demokratie“ zu sichern

Der BR fragte beim Finanzministerium nach. Zum konkreten Fall der Thiele-Erbschaft äußerte man sich dort nicht. Sinngemäß hieß es, der Freistaat verfüge durch den Anteil am Thiele-Nachlass zwar über mehr Geld. Einen Teil davon muss er aber über den Länderfinanzausgleich wieder an ärmere Bundesländer abgeben. Ergo: Erst muss die Jahresabrechnung des zuständigen Bundesfinanzministeriums vorliegen, dann kann man sich über alles Weitere unterhalten. Letztlich werden auch Städte und Gemeinden von dem Milliardenerbe profitieren. Die Bürgermeister freilich haben da so eine Vorahnung: dass bei ihnen nur noch ein dünnes Rinnsal vom großen Geldregen ankommt.

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SZ PlusKommentar von Stefan Salger

In Puchheim gäbe es durchaus Projekte, die sich jenseits des wachsenden Bereichs der Pflichtaufgaben finanzieren ließen mit einer Beteiligung an der Erbschaftsteuer aus dem Thiele-Vermögen: eine Trafo-Station fürs Volksfest, ein weiterer Kunstrasenplatz für den Sportverein. Letztlich gehe es aber um viel mehr als einzelne Wünsche: Die „Grundlast“ der Kommunen als „Keimzellen der Demokratie“ gelte es zu sichern. Dazu zählt Seidl die klassischen „freiwilligen Leistungen“: Sport, Kultur, Schwimmbäder, aber auch Soziales, das den Zusammenhalt in einer Kommune stärkt, etwa der Seniorennachmittag auf dem Volksfest.

Botschaft: Es muss mehr Geld in den Topf, aus dem sich Städte und Gemeinden finanzieren. Ob als Anteil an der Erbschaftsteuer oder als Kopfpauschale pro Einwohner. Letzteres würde allerdings dazu führen, dass auch vermögende Kommunen wie Grünwald profitieren, die es eigentlich nicht so dringend nötig haben. Eine Antwort auf seinen Brief hat Seidl noch nicht bekommen. Wohl aber bereits viel Zuspruch von Leidensgenossen in anderen Rathäusern.

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