Naturschutz„Bäume gefällt, Fläche gewalzt, Amphibien tot“

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Das ehemalige Baumschulgelände in Puchheim war laut Bund Naturschutz ein wichtiges Überwinterungsgebiet für Kröten, Molche, Grasfrösche und Laubfrösche. Es liegt direkt an einer Straße, die nachts gesperrt ist, um wandernde Kröten zu schützen
Das ehemalige Baumschulgelände in Puchheim war laut Bund Naturschutz ein wichtiges Überwinterungsgebiet für Kröten, Molche, Grasfrösche und Laubfrösche. Es liegt direkt an einer Straße, die nachts gesperrt ist, um wandernde Kröten zu schützen (Foto: Anke Simon/BN)

Kurz vor Ende der Amphibienwanderung wird ein früheres Baumschulgelände plattgemacht. Die Stadt erfährt zu spät davon, um noch eingreifen zu können.

Von Ingrid Hügenell, Puchheim

In Puchheim, zwischen Waldstraße und Olchinger Straße, ist Mitte März ein früheres Baumschul-Gelände gerodet und plattgewalzt worden. Der örtliche Bund Naturschutz nimmt an, dass dabei hunderte Amphibien getötet wurden. „Bäume gefällt, Fläche gewalzt, Amphibien tot“, sagt Anke Simon vom Puchheimer Bund Naturschutz. „Der Todesstoß für alle dort überwinternden Kröten, Molche, Grasfrösche und Laubfrösche.“ Simon hat mit weiteren Helfern Abend für Abend dort die Tiere eingesammelt und zu ihrem Laichgewässer, dem Mondscheinweiher, getragen. „Die Firma ist da mit dem Raupenfahrzeug kreuz und quer hin- und hergefahren, hat alles plattgemacht und die Tiere totgefahren“, sagt Eugenie Scherb, die Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz. „Das ist sehr traurig.“

Anke Simon fragt sich, warum die Arbeiten ausgerechnet während der Amphibienwanderzeit vorgenommen werden mussten. Das kann Monika Dufner vom Umweltamt der Stadt Puchheim aufklären. „Es war schrecklich“, sagt auch sie. Das Grundstück sei in Privatbesitz und verpachtet. Zum 1. April habe es einen Pächterwechsel gegeben, und der neue Pächter habe einen Anspruch auf Wiederherstellung des Urzustands - also bevor die Bäume der früheren Baumschule riesig geworden seien. Und weil zudem Baumschulen als landwirtschaftliche Flächen gelten, dürfen sie Dufner zufolge auch nach Beginn der Vogelbrutzeit am 1. März gefällt werden.

Die schweren Raupenfahrzeuge haben die Fläche gewalzt.
Die schweren Raupenfahrzeuge haben die Fläche gewalzt. (Foto: Anke Simon/BN/OH)

Die Fällung am 14. März ist demzufolge rechtens gewesen, war laut Dufner mit der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt auch abgesprochen - und für die Amphibien trotzdem eine Katastrophe. Das könne man jedoch nicht nachweisen, sagt Dufner. Die ebenfalls involvierte Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt teilt auf Anfrage mit „keine belastbaren Erkenntnisse über Amphibienvorkommen“ dort zu haben. „Gehölzentnahme ist in Baumschulen eine tagsüber erfolgende gängige Praxis.“

Nun wurden aber nicht einzelne Bäume entnommen, sondern fast alle gefällt, die dort standen.  „Was uns Sammler so frustriert hat, war die Unachtsamkeit des neuen Besitzers, der den Schranken und Hinweisschildern keine Beachtung geschenkt hat“, sagt Anke Simon. Nach der Aktion sei aus dem Grundstück keine einzige Kröte mehr ausgewandert.

Wäre das Grundstück zwei Wochen später gerodet worden, wäre die Amphibienwanderung beendet gewesen, sagt Dufner. Und hätte sie rechtzeitig davon erfahren, hätte sie eingreifen können. Doch die Stadt musste nicht informiert werden, da es sich um ein Privatgrundstück handelt. Nur zwei Bäume darauf gehören der Kommune - und die stehen auch noch. Immerhin habe sie verhindern können, dass auch noch die Wurzelstöcke gefräst wurden, sagt Dufner.

Was mit dem knapp einen Hektar großen Grundstück nun geschieht, ist unklar. Im Puchheimer Bauamt sei bisher kein Antrag dazu angekommen, sagt Referatsleiterin Beatrix Schmeiser. Monika Dufner hat von einem „Habitat“ gehört, das dort errichtet werden soll. Anke Simon zufolge hängt es von der Bewirtschaftungsform ab, ob dort wieder Amphibien leben können.

Der Laubfrosch ist streng geschützt. Dieses Exemplar, das die Sammler retten konnten, zeigt nicht das typische Grün - die Tiere können die Farbe wechseln. Man erkennt ihn an den Haftscheiben der Zehen.
Der Laubfrosch ist streng geschützt. Dieses Exemplar, das die Sammler retten konnten, zeigt nicht das typische Grün - die Tiere können die Farbe wechseln. Man erkennt ihn an den Haftscheiben der Zehen. (Foto: Bund Naturschutz/oh)

Die Zahl der Kröten, die die Helfer des BN gesammelt haben, ist ihr zufolge leicht gesunken, die der Grasfrösche habe sich weiter halbiert auf eine Handvoll Tiere. Eine engagierte Krötensammlerin, die mit ihrer Familie seit Jahrzehnten dort Amphibien hilft, berichtete Simon, „dass sie vor 20 Jahren noch so viele Tiere an einem guten Sammeltag gefunden haben, wie wir jetzt insgesamt“. Simon erklärt: „Die Population ist so stark geschrumpft, dass alles, was jetzt an Widrigkeiten dazu kommt, die Situation dem Kipppunkt entgegenbringt. Bei den Grasfröschen ist es eigentlich schon zu spät.“

Als Probleme nennt sie die weitere Zunahme des Verkehrs, mehr Bebauung und ausgeräumte Gärten sowie das Baumschulgelände. Die Sammler retteten die Tiere aus Hofeinfahrten, holten sie hinter Mülleimern, unter, neben und vor parkenden und fahrenden Autos weg. „Wir halten die Zahlen mit viel Engagement einigermaßen stabil.“ Ohne die Schranken und tägliche Sammlung wären, so fürchtet sie, die Vorkommen in wenigen Jahren Geschichte, wie an so vielen Orten im Landkreis. Zudem verschärfe der Klimawandel die Situation. Denn die Tiere laufen zu Beginn der Dämmerung los, und wenn es im Februar schon warm genug ist, kommen sie damit genau in den Feierabendverkehr. Die genervten Autofahrer lassen ihren Unmut dann an den Sammlerinnen und Sammlern aus - und an den Schranken.

Am Ihleweg sind laut der Mitteilung des BN in dieser Saison 140 Kröten, zwei Grasfrösche und einen Laubfrosch eingesammelt worden. Ab der Olchinger Straße, hinter der Schranke, die abends geschlossen wird, waren es etwa 460 Kröten, sieben Grasfrösche, ein Laubfrosch und fünf Molche. Die meisten überfahrenen Tiere gab es am Puchheimer Weg. Hunderte Kröten sind aus dem Fuchsbergl und aus dem Wäldchen hinter dem Puchheimer Pflegeheim zum Weiher gelaufen. Radfahrer ohne Licht und Landwirte hätten „in der Dunkelheit die Kröten kurz vor dem Ziel auf dem Weiherweg erwischt“.

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