Puchheim:Am Misserfolg leiden

Der Künstler Günter Firit ist 1986 aus der DDR nach Puchheim gekommen - auf der Suche nach Anerkennung. Mit seinem brutalen Scheitern beschäftigt sich nun, fünf Jahre nach seinem Tod, eine bedrückende Ausstellung im Sprechzimmer der Diakone

Von Anna Landefeld-Haamann, Puchheim

Mit der Hoffnung, in Westdeutschland frei und erfolgreich arbeiten zu können, reiste der Maler und Grafiker Günter Firit 1986 aus der DDR aus. Doch die ersehnte Anerkennung auf dem Kunstmarkt blieb ihm verwehrt. Die Ausstellung "Pech und Glück " im "Sprechzimmer" der Diakonie zeigt erstmals auch Teile seines umfangreichen grafischen Werks, das seit Firits Tod im Jahr 2010 auf dem Dachboden von Haus Elisabeth gelagert wurde. In chronologischer Reihenfolge setzt sich die Ausstellung mit Firits äußerem und inneren Scheitern auseinander.

Gleich zu Beginn hängt da ein Triptychon, von dem aber nur zwei Bilder gezeigt werden. Wie überdimensionierte Bruchstücke fangen sie eine monochrome Hausputz- und Dächer-Tristesse ein. Das wirkt zunächst einmal harmlos. Erst auf den zweiten Blick geben die beiden großformatigen Ölgemälde dem Betrachter ihre Dramatik preis. Man fühlt sich eingepfercht in dieser fensterlosen, menschenleeren Landschaft namens "Technologistan". Ein Begriff, der in Firits Werken aus den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren immer wieder auftaucht und nichts anderes als ein Synonym für die DDR ist. Dazu erklingen Lieder der Rolling Stones, die ein Leben in größtmöglicher Freiheit und Ausschweifung besingen und die Firit gern gehört hat. Bilder und Musik könnten nicht stärker auseinanderklaffen. Doch ihr Zusammenspiel deutet an, wie die sechsköpfige Leipziger Künstlergruppe getickt haben muss, zu der neben dem Akademie-Meisterschüler Firit auch der heutige Berliner Kunstprofessor Hans-Hendrik Grimmling und der Filmemacher Lutz Dammbeck gehört haben. Ein Haufen Unangepasster, der in mehr oder weniger offenem Widerspruch zur offiziellen Kulturpolitik arbeitete und 1984 mit dem "Ersten Leipziger Herbstsalon" die erste unabhängige Kunstausstellung in der DDR organisierte und damit die Partei-Apparatschiks in Alarmbereitschaft versetzte.

Ein stilisiertes Stück "Mauer" des Künstlers Giuseppe Tore, der als Koch im Haus Elisabeth arbeitet und bereits für die vergangene Firit-Ausstellung vor zwei Jahren eine Installation fertigte. Seine Mauer trennt symbolträchtig Firits DDR-Werk von seinen im "Westen" entstandenen Grafiken. "100 Meter zum Kapitalismus" prangt da in schwarzen Lettern. Kapitalismus: Darauf hatte Firit alle seine Hoffnungen gesetzt und scheiterte schließlich brutal - am Wesen der "Kunstfabrik" Bundesrepublik, am fehlenden Rückhalt einer Künstlergruppe, vielleicht am Alkohol.

"Betrunken" hat Firit ein Selbstbildnis von 1998 genannt. Es zeigt das Gesicht eines Säufers. Eine Fratze, die den Betrachter anglotzt oder an ihm vorbei, denn die Augen sind müde; sie können den Blick schon lange nicht mehr halten. Der Kopf ist deformiert, grobschlächtig, plump, wie mit einer Axt behauen. Doch filigrane Linien durchziehen das Gesicht, verweben sich zu bedrohlichen Schattenwesen. "Meine Hausgeister" hat Firit sie genannt.

In fast jeder der ausgestellten Grafiken finden sie sich wieder und sie verheißen nichts Gutes. Sie künden von Düsternis und Depression, die sich wie ein zäher Nebel auf Firits Bilder legen. Ganz dicht wird der Betrachter zum schmerzhaften Innenleben des Malers geführt. Gerade so, als würde er selbst durch die Wesen sprechen.

Diesen Schmerz über das Scheitern hat Giuseppe Tore in einer weiteren Rauminstallation verarbeitet. Die Wände sind mit schwarzen Stoff verhangen, es herrscht vollkommene Finsternis. Mitten in dieser Schwärze hängen zehn Grafiken Firits. Nur winzige LED-Lichtlein spenden ein wenig Helligkeit und lassen den Eindruck entstehen, als würden die Bilder im luftleeren Raum schweben. Wahrscheinlich fühlt man sich so im Nichts - so wie auch Firit es tat in seinen letzten Lebensjahren - wesenslos, verängstigt und verloren.

"Glück und Pech in der Wende. Günter Firit in Puchheim", "Sprechzimmer" der Diakonie, Alois-Harbeck-Platz 3, zu sehen bis zum 18. November, montags bis freitags jeweils von 10 bis 12 und von 17 bis 19 Uhr. Außerdem Samstag, 7. November, von 11 bis 15 Uhr und Sonntag, 8. November, von 11 bis 14 Uhr. Der Katalog zur Ausstellung kostet 10 Euro.

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