Süddeutsche Zeitung

Abrisspläne:Angst um das Zuhause

Die Mieter und Geschäftsleute am Alois-Harbeck-Platz in Puchheim verlieren wohl alle ihre Bleibe. Die Dr. Harbeck & Stieber GmbH und Co. KG will in dem Gebäudekomplex aus den 1970er Jahren Häuser abreißen und neu bauen. Das würde rund 250 Menschen treffen

Von Peter Bierl, Puchheim

Die Mieter und Geschäftsleute am Alois-Harbeck-Platz in Puchheim haben schlaflose Nächte, denn sie verlieren wohl alle ihre Bleibe. Sie berichten, die Eigentümerin wolle die Häuser an der Südwest- und der Nordost-Seite abreißen und neu bauen lassen, die Ladenzeile an der Allinger Straße solle verschwinden und das große sechsstöckige rückwärtige Gebäude kernsaniert werden. Die Mieter seien auf einer Versammlung vor einer Woche informiert worden. Gewerbetreibende erzählen, ihnen sei bereits gekündigt worden. Die Dr. Harbeck & Stieber GmbH und Co. KG will sich an diesem Mittwoch auf einer Pressekonferenz zu den Plänen äußern. Im Rathaus liege noch kein Bauantrag vor, aber die Eigentümerin Laura Stieber stehe mit der Verwaltung in Kontakt, weil die Pläne ein städtebauliches Sanierungsgebiet beträfen, hieß es.

Das Gebiet gehört zum Städtebauprogramm "Soziale Stadt", das die gesamte Planie einschließt und von der Kreisstraße FFB 11 bis zur Josefstraße reicht. Deshalb dachten manche Bewohner, lediglich der Platz solle etwas aufgehübscht werden, als vor geraumer Zeit einige Stadtplaner unterwegs waren. Gefördert mit Steuergeldern des Bundes sollen Wohnumfeld, Infrastruktur und Qualität des Zusammenlebens und damit der soziale Zusammenhalt und die Integration aller Bevölkerungsgruppen verbessert werden, heißt es auf der Homepage der Stadt. Für die Bewohner am Alois-Harbeck-Platz muss das wie Hohn klingen.

Manche leben und arbeiten dort seit dem Ende der Bauzeit um 1970, darunter der Friseur Bernd Vidovic und die Anwaltskanzlei Süßenguth, die im März 2020 ihre Kanzlei räumen muss. Ihnen wurde wie den meisten Geschäftsleuten bereits gekündigt. Die Mieter wurden auf der Versammlung vergangene Woche über die Abriss-, Neubau- und Umbaupläne informiert, berichteten einige der SZ. Sie wollen lieber anonym bleiben, weil sie auf die Aussage der Eigentümerin hoffen, ihnen eine Ersatzwohnung anzubieten. Andere erwägen, sich juristisch zu wehren. Ganz offenbar geht die Angst um. Auf der Mieterversammlung soll ein Rentner in Tränen ausgebrochen sein, der seit fast 50 Jahren in dem Karree lebt. "Ich bin sehr aufgeregt, weil ich nicht von hier weg will. Ich will nicht herausgerissen werden", erzählt ein anderer älterer Herr der SZ. Er lebt seit langem hier. Eine Frau mit kleinen Kindern bekennt, dass sie Angst habe, keine neue Bleibe zu finden. Ihr sei noch keine neue Wohnung angeboten worden.

"Lautlos werden wir nicht gehen", kündigte Uwe Bönisch vom Sanitätshaus Bönisch an. Er schätzt, dass etwa 250 Menschen betroffen sind, Mieter, Geschäftsleute und ihre Mitarbeiter. Der Zusammenhalt sei groß, man kenne und helfe sich, viele hätten ihren Lebensmittelpunkt in Puchheim. Ihn ärgert besonders, dass die Immobilienfirma nicht schon längst die Karten auf den Tisch gelegt habe, zumal schon lange Gerüchte kursierten. Bönisch hat nur ein knappes Jahr Zeit, um neue Räume zu finden. Er verkauft nicht nur Rollstühle, Rollatoren und Gehhilfen, sondern übernimmt deren Wartung und Reparaturen, weshalb er nicht einfach weggehen könne.

Die Eigentümerin Laura Stieber war am Dienstag nicht mehr zu sprechen, hieß es am Nachmittag aus ihrem Büro. Sie werde auf einer Pressekonferenz am Mittwoch ihr Vorhaben erklären. Stieber war erst vor zwei Monaten von der Stadt als Geschäftsfrau ausgezeichnet worden, die soziale Verantwortung übernehme. Sie saniere kontinuierlich ihre Puchheimer Wohnungen und gestalte die Mieten verträglich, hieß es in der Begründung der Jury.

Die betroffenen Mieter und Geschäftsleute sind schlecht auf sie zu sprechen. Auf ihren Vater Alois Harbeck wollen sie nichts kommen lassen, betonten mehrere. Aber der ist schwer krank und mit der Tochter "weht jetzt ein anderer Wind". Sie argwöhnen, dass es bei dem Umbau bloß um höhere Gewinne ginge. Ihren Angaben zufolge soll mindestens das Gebäude auf der Nordostseite von drei auf sechs Etagen aufgestockt werden. Das Erdgeschoss des Hauses wurde erst vor ein paar Jahren komplett saniert. Dort residiert seit 2013 die Kindertagesstätte "Himmelszelt" der Johanniter mit 36 Plätzen, die ebenfalls umziehen muss. Keines der Gebäude wirkt marode oder so vernachlässigt, wie mancher Wohnblock in der nahen Planie, wo die Kommune vergeblich große Immobilienfirmen bekniet, sich um ihre Häuser zu k. Die Heizanlagen am Alois-Harbeck-Platz seien nicht auf dem aktuellen Stadt, was sich in hohen Nebenkosten niederschlage, berichten Mieter, versichern aber, dass sie gegen eine behutsame Sanierung ja nichts einzuwenden hätten.

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Quelle:
SZ vom 24.07.2019
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