Prozess vor dem Landgericht:Vater gesteht Missbrauch der Tochter

Ein 49-Jähriger soll sich jahrelang an der heute Achtjährigen vergangen haben. Vor Gericht gibt der Mann die Taten zu und rechtfertigt sich damit, das Kind habe immer wieder von sich aus die Nähe gesucht

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Der Alkohol. Natürlich habe er sich in der Untersuchungshaft Gedanken gemacht, wie es zu seinen Taten gekommen ist, erklärt der Angeklagte vor dem Landgericht. Am Ende sei er immer wieder auf eine Erklärung gekommen: Alkohol. Ein anderer Grund ist dem 49-jährigen Vater von drei Kindern in den vergangen zwölf Monaten im Gefängnis nicht eingefallen. Über mindestens drei Jahre hinweg, von 2015 bis 2017, soll er seine damals fünf- bis siebenjährige Tochter sexuell missbraucht haben, für fünf Fälle ist er nun angeklagt. Und dennoch schwingt in der Verhandlung mit, dass es möglicherweise wesentlich häufiger zu sexuellen Kontakten gekommen sein könnte. In mindestens einem Fall, so die Anklage, soll es zum ungeschützten, vollendeten Geschlechtsverkehr gekommen sein.

Schon in der polizeilichen Vernehmung hatte der Angeklagte die ihm von der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen Fälle gestanden, vor Gericht hat er sein Geständnis bestätigt. Auf eine Nachfrage der Staatsanwaltschaft nach der Zahl der sexuellen Kontakte erklärte der Rechtsanwalt des Angeklagten noch bevor dieser antworten konnte: "Vorsorglich geht es um die Fälle, die wir eingeräumt haben."

Am ersten Verhandlungstag ergibt sich nach den Aussagen des Angeklagten und der Familienmitglieder das Bild einer zerrütteten Ehe, von Alkoholmissbrauch, sexueller Unzufriedenheit, Gewalt, mangelnder Kommunikation und einer Mutter, die viel zu spät die Notbremse gezogen hat.

Bereits 2015 hatte sie ihren Mann und die Tochter im ehelichen Bett erwischt, wie sie offenbar sexuellen Kontakt hatten. In der Anklage heißt es, die beiden hätten im Bett gelegen und der Vater habe die Tochter im, möglicherweise bekleideten, Intimbereich berührt. So habe es die Tochter erzählt, sagt die Mutter. Statt direkt zur Polizei zu gehen, habe sie ihren Mann zur Rede gestellt. Dieser habe abgewiegelt und erklärt, dass doch nichts Schlimmes passiert sei. Danach habe sie darauf geachtet, dass die beiden nicht mehr alleine zusammen sind. Das Thema geriet in Vergessenheit.

Bis August 2017. Da sind Vater und Tochter ins Gartenhaus, das ein Stück von der Wohnung entfernt liegt, gegangen, um Bier zu holen. Irgendwann sei die Frau dann mit den Hunden rausgegangen, wie sie in der polizeilichen Vernehmung erklärte, die vor Gericht verlesen wurde. Persönlich musste die Frau, die als Nebenklägerin anwesend war, nicht aussagen. Weil die beiden sehr lange weg gewesen seien, habe die Mutter sich entschlossen, auf ihrer Runde mal nach dem Rechten zu sehen. Als sie ins Gartenhaus gekommen sei, sei die Tochter vom Vater weggesprungen, sie habe geheimnisvoll geschaut und ihre Klamotten seien verrutscht gewesen. Als sie die Tochter später im Haus alleine zur Rede gestellt habe, habe die Siebenjährige zugegeben, dass es zum Oralverkehr bei ihr gekommen ist.

Danach habe die Mutter ihrem Mann ein Ultimatum gesetzt, erst als dieser sich nicht erklärt habe, sei sie etwa vier Wochen später zur Polizei gegangen. Dazwischen war die fünfköpfige Familie allerdings noch gemeinsam im Urlaub, die beiden Söhne erklärten in ihren ebenfalls verlesenen Polizeiaussagen, es sei eine der schönsten Wochen seit Langem gewesen. Endlich habe es mal keinen Streit zwischen den Eltern gegeben und man hat wieder einmal etwas gemeinsam unternommen.

Denn die 2003 geschlossene Ehe existierte wohl seit Langem nur noch auf dem Papier, wie aus den Aussagen der Angeklagten und seiner Frau hervorging. Seit vielen Jahren habe es vor allem Streit gegeben, weil der Angeklagte häufig nach der Arbeit noch unterwegs war und viel Alkohol konsumiert hat. Mal sei er im Schützenverein gewesen, mal mit einem Saufkumpanen unterwegs, so der Angeklagte. Sexuellen Kontakt zwischen den Eltern habe es seit der Geburt der Tochter nicht mehr gegeben. Vielmehr habe die Frau es vermieden, Zeit mit ihrem Mann im Bett zu verbringen. Er sei immer schon gegen 22 Uhr schlafen gegangen, sie erst gegen drei Uhr. So gab es überhaupt erst die Möglichkeit, dass das Mädchen häufig alleine mit dem Vater ins Bett gegangen ist. "Einmal hat sie mit ihren Brüdern einen Horrorfilm geschaut, seitdem konnte sie nicht mehr alleine einschlafen", erklärte die Mutter dazu. Irgendwann aber sei sie skeptisch geworden, weil die Tochter sich immer so darauf gefreut habe, mit dem Vater ins Bett zu gehen. Dieser erklärte, dass er täglich zwischen sechs und neun Flaschen Bier getrunken habe, meistens habe er bereits in der Arbeit damit begonnen. Und dann erklärte er, dass es die Tochter gewesen sei, die gefragt habe, ob er mit ihr intimen Kontakt haben wolle. Meistens habe er das abgelehnt, aber unter dem Alkoholeinfluss sei es eben auch dazu gekommen, dass es anders gekommen ist. Immer wieder muss er während seiner Aussage schlucken, hat gerötete Augen. Natürlich sei ihm bewusst, dass das, was er getan habe, nicht richtig ist. Klare Worte des Bedauerns findet er in seiner Aussage allerdings nicht.

Bereits vor der Aussage des Angeklagten hatte es ein Rechtsgespräch zwischen Richterin, Anwalt und Staatsanwalt gegeben. Darin hatte man sich darauf geeinigt, dass es am Ende auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen Fünf- und Fünfeinhalbjahren Jahren hinauslaufen soll. Der Prozess dauert an und wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

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